Abgeordnete müssen eventuell unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen, um Aktenvorlage zum Netzerückkauf zu ermöglichen.

Hamburg. Eine Sitzung der Bürgerschaft unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat es noch nicht gegeben. Doch jetzt droht eine Premiere wegen der strikten Geheimhaltungsvorschriften, die der Senat im Zuge der Aktenvorlage zum Rückkauf der Energienetze der Bürgerschaft auferlegt hat.

Wie berichtet, hat der SPD-geführte Senat das Aktenvorlageersuchen der Bürgerschaft mit fast zweimonatiger Verspätung beantwortet und dem Parlament einen Teil der Akten zur Verfügung gestellt. Eine Verpflichtung zur Vorlage der Akten öffentlicher Unternehmen, die bei dem umstrittenen 543,5-Millionen-Euro-Deal mit den Energiekonzernen Vattenfall und E.on beteiligt waren, besteht aus Sicht des Senats nicht. Die Staatsholding HGV und die Stadtreinigung haben sich allerdings bereit erklärt, Abgeordneten unter strikten Auflagen Einsicht in ihre Unterlagen zu gewähren.

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In einer dem Abendblatt vorliegenden rechtlichen Prüfung kommt die Bürgerschaftskanzlei nun zu dem Ergebnis, dass die Abgeordneten zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen dürften. Die Hamburgische Verfassung sieht einen solchen Schritt ausdrücklich für den Fall einer Aktenvorlage vor. Voraussetzung ist, dass ein Zehntel der Abgeordneten (also mindestens 13) oder der Senat einen solchen Antrag stellen. Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit "kann dem Zweck gesetzlicher Vorschriften oder des Staatswohls entsprochen werden, die bei Behandlung in öffentlicher Sitzung die Vorlage von Akten ausschlössen".

Und weiter heißt es in der Expertise der Kanzlei: "Der Senat kann einen Geheimhaltungsbeschluss zu diesem Zweck allerdings nicht erzwingen." Mit anderen Worten: Die Bürgerschaft kann das nur mit Mehrheit beschließen. Die Opposition dürfte einem solchen Verfahren kaum zustimmen. "Es gibt keine inhaltlichen Gründe, warum die Bürgerschaft unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen sollte", sagt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. "Es scheint, als ob der Senat mit den Verträgen über den Rückkauf der Netze das Licht der Öffentlichkeit scheut."

Differenzen zwischen Senat und Bürgerschaft gibt es auch wegen der Kennzeichnung der Akten, die besonderer Schutzbedürftigkeit hinsichtlich möglicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterliegen. Der Senat wollte diese Arbeit der Kanzlei überlassen. "Personal mit entsprechenden Spezialkenntnissen ist jedoch in der Bürgerschaftskanzlei nicht beschäftigt", heißt es in dem Papier. Der Senat müsse selbst entscheiden, welche Informationen "geheimhaltungsbedürftig" seien.