Die SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft beschließt die Kürzung des Weihnachtsgeldes. 4000 Beamte demonstrierten am Mittwoch in der City.

Hamburg. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort serviert, kann Erbseneintopf enorme Symbolkraft entfalten. Eine heiße Suppe, ein Almosen, mehr ist ihnen nicht geblieben - das war die Botschaft der 4000 Beamten, die gestern gegen die Kürzung ihres Weihnachtsgeldes demonstrierten. "Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht", rief Rudolf Klüver, der Vorsitzende des Beamtenbundes (dbb), seinen Kollegen am Jungfernstieg um 17.50 Uhr zu. "Die gute: Es gibt gleich Erbsensuppe. Die schlechte: Das Gesetz zur Beamtenbesoldung wurde gerade mit den Stimmen der SPD-Mehrheit verabschiedet." Die folgenden Buh-Rufe, Pfiffe und das Heulen einer mobilen Polizeisirene setzten den unüberhörbaren Schlusspunkt unter eine seit mehr als einem Jahr geführte, heftige Debatte.

Begonnen hatte sie im Spätsommer 2010. Der damalige schwarz-grüne Senat wollte ein 500-Millionen-Euro-Sparpaket schnüren und hatte als größten Batzen die Kürzung des Weihnachtsgeldes für die 39 000 Beamten der Stadt auf dem Zettel. Statt der 60 bis 66 Prozent eines Gehalts, die den Beamten noch geblieben waren, sollte es pauschal nur 720 bis 840 Euro pro Person geben. Höher besoldete Beamte ab A 13 sollten ganz leer ausgehen. Erhoffte Ersparnis: 100 Millionen Euro pro Jahr. Darüber hinaus beschlossen CDU und GAL, die Tarifabschlüsse 2011 und 2012 nicht auf die Beamten zu übertragen, sondern ihnen nur ein Prozent mehr zukommen zu lassen. Das sollte weitere 80 Millionen Euro einsparen. Im schwarz-grünen Entwurf für den Haushalt 2011/2012 war die Kürzung bereits eingeplant, das entsprechende Gesetz wurde aber wegen des Koalitionsbruchs im November nicht mehr geändert.

So stand die seit März mit absoluter Mehrheit regierende SPD vor einem Dilemma: Die Kürzung gegen den erbitterten Protest der eigenen Klientel durchzusetzen war undenkbar - 180 Millionen Euro aus dem Haushalt herauszustreichen aber ebenso. Heraus kam ein Kompromiss. Nach diversen Gesprächen mit den Gewerkschaften werden die Kürzungen um knapp 100 Millionen Euro reduziert. Nun bekommen die Beamten pauschal 1000 Euro plus ein "Kinder-Weihnachtsgeld" von 300 Euro pro Kind. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gab den Gewerkschaften zudem schriftlich die Garantie, Tarifabschlüsse künftig voll zu übernehmen. Und: Die "Sonderzahlung" Weihnachtsgeld wird künftig in die zwölf Monatsgehälter eingearbeitet und so vor weiteren Kürzungen geschützt. Leer gehen Senatsmitglieder und Beamte der Besoldungsstufe B aus sowie Pensionäre ab der Besoldungsstufe A13. Pensionäre bis zur Stufe A12 erhalten pauschal 500 Euro.

Kurz gesagt: Gegenüber dem Status quo ist es für die Beamten ein herber Einschnitt, aber gegenüber den Beschlüssen von CDU und GAL eine deutliche Verbesserung. Entsprechend schwer taten sich beide Fraktionen in der Debatte. Heiko Hecht (CDU) pickte sich die Tatsache heraus, dass die SPD Pensionäre nicht mehr ordentlich entlohne, die sie einst selbst eingestellt habe. Und Anjes Tjarks (GAL) freute sich zwar über die 300 Euro pro Kind, von denen er als Beamter und Vater dreier Kinder selbst profitiere, fragte aber nach der Begründung für die Kürzung - schließlich gebe die SPD für alles mögliche viel Geld aus. Auch Dora Heyenn (Linke) fragte: "Warum soll eine einzige Berufsgruppe das Haushaltsloch stopfen?" Und Robert Bläsing (FDP) warf der SPD-Fraktion vor, den Senatswillen nur abzunicken. Thomas Völsch (SPD) verwies hingegen auf 28 Milliarden Euro Schulden der Stadt und fragte die Opposition, welche Alternative sie vorschlage - ohne darauf eine Antwort zu erhalten. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) schlug in die gleiche Kerbe: "Die Kürzung der Sonderzahlung ist eine bittere Folge der Haushaltslage, in der wir uns befinden." Am Ende stand die SPD-Mehrheit mit 61 Stimmen zu 56 Stimmen der Opposition.

Vor der Tür zürnten die Gewerkschaften: "Die Kürzungen bedeuten Einkommensverluste von 500 bis 3000 Euro für die Betroffenen und ihre Familien", wetterte Hamburgs DGB-Chef Uwe Grund. "Das ist unerträglich und ungerecht." Joachim Lenders, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft DPolG, zählte eine ganze Liste früherer Grausamkeiten auf und flüchtete sich in Zynismus: "Was müssen wir dankbar sein, dieser schönen, frohen und freien Hansestadt als Sklaven dienen zu dürfen." Klaus Bullan von der Lehrergewerkschaft GEW warnte vor einem Verfall der Arbeitsmoral: "Rechnet nicht damit, dass wir zur Tagesordnung übergehen", rief er mit heiserer Stimme in Richtung Rathaus. "Dieser Tabubruch wird unser Verhältnis zum Senat belasten." Dann gab's Suppe.