Im exklusiven Freundeskreis, dem auch Helmut Schmidt angehört, tobt ein Streit: um verletzte Ehre, falschen Stolz und eine Beleidigungsklage.

Hamburg. Wer in diesem Zirkel Mitglied werden will, muss patriotisch sein und eine Vorliebe für die Bundeswehr haben. Politischer Einfluss und ein Vermögen sind von Vorteil. Wenn der "Freundeskreis Ausbildung ausländischer Offiziere an der Führungsakademie der Bundeswehr" zusammentritt, dann ist Hamburger Elite versammelt.

Helmut Schmidt ist Ehrenmitglied, Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe und Unternehmer Werner Otto ebenfalls. Auf der Mitgliederliste stehen Ehrenbürger Helmut Greve, Altbürgermeister Henning Voscherau, Kaffee-König Albert Darboven. Die weiteren Mitglieder sind hochrangige Militärs, Politiker, Honorarkonsuln, Anwälte, Ärzte, Kaufleute. Die Bürgerschaft gehört zu den "korporativen Mitgliedern".

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Die Ausbildungsstätte

In der Führungsakademie der Bundeswehr werden die Spitzenmilitärs ausgebildet. Auch Offiziere aus dem Ausland kommen nach Hamburg. Die Soldaten sollen Deutschland, die politische Kultur und vor allem die Bundeswehr kennenlernen. Es geht um Völkerverständigung. So gesehen erfüllt der "Freundeskreis" schon fast diplomatische Funktionen, wenn er sich um die ausländischen Offiziere kümmert: Die Mitglieder zahlen den Deutschunterricht für die Ehefrauen der ausländischen Offiziere. Es gibt Ausflüge in die Dresdner Semperoper. Wenn Weihnachten naht, tritt der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor auf und singt deutsche Weihnachtslieder. Der Verein schaffte 40 Fahrräder für die Offiziere an. 1,4 Millionen Euro stellte der Freundeskreis seit der Gründung 1993 bereit.

Doch jetzt entzweit ein heftiger Streit Führungsakademie und Freundeskreis. Es geht um verletzte Ehre und falschen Stolz. Statt einer persönlichen Aussprache gibt es eine Strafanzeige. Der Zirkel beschäftigt die Gerichte. Die Affäre zieht Kreise bis ins Bundesverteidigungsministerium und wirft ein unschönes Licht auf Angehörige der feinen Hamburger Gesellschaft.

Im Mittelpunkt des Konflikts steht der Präsident des Vereins, der Hamburger Kaufmann Lothar Golgert, langjähriger Honorarkonsul der westafrikanischen Republik Guinea. Durch den An- und Verkauf von Öl in der ganzen Welt ist er ein reicher Mann geworden. Golgert führt den Verein seit seiner Gründung. Gab es anfangs noch 34 Mitglieder, sind es heute um die 300. Namhafte Personen wie Otto von Habsburg, Roman Herzog und Marianne Birthler traten als Referenten vor dem Freundeskreis und den ausländischen Offizieren auf. Nach den Vorträgen gab es Häppchen und Getränke. Man kennt einander, man sieht sich auch andernorts, wie im Übersee-Club, Anglo-German Club, Hafen-Klub.

Es geht nicht nur um die gute Sache. Sondern auch um das Geschäft, Allianzen, exklusive Informationen. Alle sollten also etwas davon haben. So wie Präsident Lothar Golgert: Auf Betreiben der Führungsakademie bekam er vor zwei Jahren das Bundesverdienstkreuz. Überreicht wurde der Orden vom damaligen Kommandeur der Akademie, Robert Bergmann. Damals war das Verhältnis zwischen Freundeskreis und Akademie bestens.

Doch solch harmonische Begegnungen sind Geschichte. Alles begann mit einer angeblichen Beleidigung. Das Vereinsmitglied Peter Voigt, ein Hamburger Vermögensberater und Makler für Oldtimer-Versicherungen, soll über den 79 Jahre alten Vereinspräsidenten Lothar Golgert gelästert haben. Der sei "hochgradig dement und intrigant", so steht das angebliche Voigt-Zitat heute in den Gerichtsakten. Golgert empfand die hässlichen Worte, als sie ihm zugetragen wurden, als Kriegserklärung. Er sagt, Voigt habe vergeblich versucht, in den Vorstand des Vereins aufzusteigen. "Er passte in unser Gremium nicht hinein, weil er keinen guten Ruf hat. Als er nicht in den Vorstand kam, fing er an zu hetzen." Voigt musste weg, Golgert initiierte ein Ausschlussverfahren. Der übrige Vorstand folgte. Die Stimmen dafür wurden in einem schriftlichen Umlaufverfahren eingesammelt. Dass die Vorstände nicht persönlich zusammenkamen, erwies sich als Fehler.

Denn Voigt klagte. Er habe Golgert nicht beleidigt, sagt er: "Mir wurden Sachen in den Mund gelegt, die ich nie gesagt habe." Und so befasste sich das Amtsgericht Blankenese mit der Sache. Vor Gericht führte Voigts Anwältin aus, warum die Mitgliedschaft in dem Netzwerk so wichtig für ihren Mandanten sei: Er akquiriere dort Aufträge.

In seinem Urteil kam Richter Olaf Riecke im Februar 2011 (Aktenzeichen 531 C 429/10) zu dem Ergebnis: Voigts Ausschluss war unwirksam.

Eine Abmahnung für Voigt war nie erwogen worden, stattdessen habe der Präsident alternativlos die ihm vorschwebende Entscheidung durchgedrückt. "Dies ist in hohem Maße undemokratisch", tadelte der Richter Olaf Riecke. Die Entscheidungsfindung sei auf ein "Jawohl, Herr Präsident" verkürzt gewesen. Golgert hätte nicht mitstimmen und sich zum "Richter in eigener Sache" machen dürfen. Da zu diesem Zeitpunkt nur ein Zeuge die Beleidigungen gehört haben will, folgerte das Gericht, der Vorstand "wäre gut beraten gewesen, wenn er eher dem Satz gefrönt hätte 'durch zweier Zeugen Mund wird allerwegs die Wahrheit kund'".

Auch das Umlaufverfahren war nicht in Ordnung. Die Vorstände hätten sich treffen müssen, es sei denn, ihre Entscheidung wäre einstimmig gewesen. War sie aber nicht. Im Vorstand sitzt traditionell der Vizekommandeur der Führungsakademie. Er dient als Sekretär, ist das Bindeglied zwischen Akademie und Freundeskreis. Doch der Sekretär hatte sich nach Absprache mit dem damaligen Kommandeur Generalmajor Robert Bergmann enthalten.

Die Führungsakademie löste so ein Dilemma. Denn Peter Voigt kümmerte sich damals in ihrem Auftrag als Pate um einen argentinischen Kapitän.

Für Golgert ist die Enthaltung der Akademie der eigentliche Skandal. "Das war ein Schlag ins Gesicht. Ich erwarte von der Führungsakademie, dass sie sich vor den Freundeskreis stellt, wenn sein Präsident beleidigt wird. Die Akademie hätte Herrn Voigt Kasernenverbot erteilen sollen", sagt er.

In seinen Augen hat Bergmann mit der Enthaltung die Niederlage vor Gericht zu verantworten. Er beklagt eine "Verweigerung des Ehrenschutzes". Voigt und Bergmann seien Duz-Freunde, erklärt Golgert die Hintergründe. Bergmann bestätigt, dass er mit Voigt per Du sei. Er habe ihm aber keinen Vorteil verschafft. "Ich werde zum Sündenbock in einem Verfahren gemacht, das so oder so verloren gegangen wäre."

Persönliche Erklärungsversuche scheiterten. Golgert ließ in diesem Frühjahr erneut über den Ausschluss von Peter Voigt abstimmen, dieses Mal nach korrekter Art und Weise. Die Führungsakademie in Person des stellvertretenden Kommandeurs, Admiral Martin Krebs, enthielt sich zum zweiten Mal, aus denselben Gründen. "Eine Enthaltung ist in einer Demokratie doch völlig legitim", sagt Krebs.

Dass Voigt erneut gegen den Rausschmiss klagte, dass Golgert ihn wegen "übler Nachrede" anzeigte und Golgerts Berufung im ersten Verfahren bis heute läuft, ist mittlerweile Nebensache.

Der verweigerte "Ehrenschutz" wiegt für Golgert viel schwerer. Er sei "tief getroffen", schrieb Golgert in einem Brief an Bergmann, warf ihm vor, "dem Freundeskreis materiell und moralisch Schaden" zugefügt zu haben. Auch Martin Krebs bekam den Zorn des Präsidenten zu spüren: Golgert entzog ihm das Vertrauen, Krebs trat zurück. Der Posten des Sekretärs ist nun vakant.

Dann wurde der Streit zur Posse. Golgert kam nicht zum Gala-Dinner und der Verabschiedung des Offizierslehrgangs. Seine Begründung: Voigt sei ebenfalls eingeladen gewesen.

Briefe gingen hin und her und schließlich auch an den großen Verteiler. Irgendwann landete der Vorgang bei Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, wurde informiert. Und auf den Empfängen der Gesellschaft wurde plötzlich über den Freundeskreis und die Führungsakademie getuschelt.

Bergmann trat die Flucht nach vorn an und bat seine Vorgesetzten, sein Verhalten überprüfen zu lassen. Das Streitkräfteamt bescheinigte, dass er nicht gegen soldatische Pflichten verstoßen hat. Trotzdem will Golgert mit Bergmann nichts mehr zu tun haben. "Ich werde, sehr geehrter Herr Bergmann, keine weitere Korrespondenz mit Ihnen führen. Meine Aufgabe und Ämter lassen dies schon aus zeitlichen Gründen nicht zu", schrieb er ihm im Mai. Von der Führungsakademie wurde er nicht zu Bergmanns Verabschiedung im Juni eingeladen. Das war Golgert aber auch nicht recht: Er empfindet die Nicht-Einladung als Beleidigung des Freundeskreises. Die Querelen überschatteten Bergmanns Abschied. "Es war ein schwerer Wermutstropfen, der mir nach 42 Dienstjahren eingegossen wurde", sagt Bergmann.

Golgert versteht nicht, warum die Akademie nicht auf ihn zukommt. Er glaubt, dass Bergmanns Nachfolger, Generalmajor Achim Lidsba, solidarisch zum Vorgänger ist. Vor vier Wochen erklärte Golgert per Brief, dass er bei der nächsten Mitgliederversammlung im November nicht wieder für das Präsidentenamt kandidieren werde.

Martin Krebs sagt: "Für die aktuellen Irritationen trägt der Präsident des Freundeskreises die alleinige Verantwortung. Er hat die Tür zugeschlagen und keine Handreichung von unserer Seite hingenommen."

Wie soll es weitergehen? Golgert sagt, es habe schon 40 Austritte gegeben. Er zitiert aus den Austrittserklärungen. Ein scheidendes Mitglied bemängelt die fehlende Würdigung für das "segensreiche Wirken des Freundeskreises". Auch Ehrenbürger Helmut Greve, der für die Universität, die Akademie der Wissenschaften und die Elbphilharmonie viele Millionen Euro gestiftet hat, lässt seine Mitgliedschaft auslaufen. Golgert zufolge wegen der Querelen, Krebs zufolge völlig unabhängig von dem Gezänk. Der Ex-Sekretär sagt auch, dass in diesem Jahr nur 13 Mitglieder ausgetreten seien.

Am Montag will der Vorstand des Freundeskreises zusammenkommen, es geht um die Zukunft. Laut Golgert ist die Nachfolgersuche schwierig.

Auf die Mitgliederversammlung hofft auch die Akademie. Der Blick sei nach vorne gerichtet, sagt Admiral Krebs, "um auch künftig die wichtige Arbeit des Freundeskreises mit einem dann neuen Vorstand zu unterstützen".

Lothar Golgert scheint sich generell nicht leicht von Ämtern trennen zu können: 21 Jahre lang repräsentierte er die Republik Guinea als Honorarkonsul. Lange war die Republik eine Militärdiktatur, 2010 gab es erstmals seit der Unabhängigkeit demokratische Wahlen. Die neue Regierung setzt auf neues Personal: Die Botschaft von Guinea teilte dem Abendblatt mit, dass Golgert vor zwei Monaten als Honorarkonsul abgesetzt worden sei. Was Golgert auf Visitenkarten, in Briefen und auf dem Schild vor seiner Villa ignoriert.