Im nördlichen Teil des Niendorfer Einkaufszentrums blüht das Geschäft, im anderen kämpfen die Einzelhändler ums Überleben.

Niendorf. Sechs lebensgroße Dinosaurier stehen auf der rund 500 Meter langen Fußgängerzone am Tibarg in Niendorf. Während der vor dem Tibarg-Center im Norden platzierte T-Rex täglich für diverse Schnappschüsse der Schaulustigen herhalten muss, steht der Apatosaurus an der Südspitze des Einkaufsbereichs die meiste Zeit allein und unberührt herum. Tibarg-Süd wirkt wie der 21 Meter hohe Pflanzenfresser aus dem Jura-Zeitalter: ausgestorben.

Von einer "dramatischen Situation" spricht Klaus Lindenberger. Der Inhaber eines Modegeschäfts betreibt seit 1985 seinen Laden am Tibarg im unteren Bereich. Lindenberger musste in den vergangenen Jahren mit ansehen, wie sich das Leben in der Fußgängerzone immer stärker in den Nordbereich verlagerte. 2002 eröffnete dort die große Shopping Mall mit mehr als 50 Fachgeschäften. Seitdem ist der Bereich zwischen dem U-Bahnhof Niendorf Markt und dem Tibarg-Center der Dreh- und Angelpunkt des örtlichen Geschäftslebens. In der Südzone herrscht dagegen Leere. Die Einzelhändler klagen über erhebliche Umsatzverluste.

"Wir können uns nur halten, weil wir in Niendorf eine Monopolstellung innehaben", sagt Lindenberger. "Aber unsere Stammkunden sterben langsam aus." Gerne erinnert sich Lindenberger an frühere Zeiten am Tibarg-Süd. Als die Post und die Sparkasse noch seine Nachbarn waren. Beide Filialen sind jetzt im Norden beheimatet.

Die meisten Händler im Süden können sich nur dank der günstigen Mietpreise über Wasser halten. Durchschnittlich 18 Euro müssen sie hier pro Quadratmeter bezahlen. Am Tibarg-Nord sind es zwischen 30 und 40 Euro. Der Höchstpreis liegt sogar bei 60 Euro. Trotz der großen Differenz ist der Südbereich für neue Geschäftsleute nicht attraktiv genug.

+++ Tibarg-Süd hat zu kämpfen +++

Um das Nord-Süd-Gefälle in den Griff zu bekommen, bemüht sich die 1969 gegründete Arbeitsgemeinschaft Tibarg seit Jahren mit großem Einsatz um mehr Frequenz auf der Südseite - bislang ohne den erhofften Effekt. Mit dem Bau des U-Bahnhofs 1985 entstand eine Wellenlandschaft aus Pflastersteinen. 2007 wurde diese für 600 000 Euro durch 20 Kurzzeitparkplätze ersetzt. Ziel war es, die Laufkundschaft zu vergrößern und die Menschen in die Geschäfte zu locken. Die Parkplätze werden zwar angenommen, doch die Kunden laufen zumeist Richtung Norden mit den diversen Nahversorgungsgeschäften.

"Dem Süden fehlt ein Magnetbetrieb", sagt Quartiersmanagerin Nina Häder. Die 30-Jährige kümmert sich seit dreieinhalb Jahren um Belebung und Verschönerung der Einkaufsstraße. Veranstaltungen wie den Weihnachtsmarkt und das jährliche Straßenfest nach Pfingsten organisiert Häder gemeinsam mit anderen Institutionen für den Tibarg. Doch das Problem ist stets dasselbe: Schausteller und Marktbeschicker kommen nur, wenn sie ihren Stand im Nordbereich aufbauen dürfen. "Es ist ein Teufelskreis", sagt Häder, die seit einem Jahr vom sogenannten Business Improvement District (BID) bezahlt wird. Dabei handelt es sich hierbei um eine Gemeinschaftsaktion von Hausbesitzern und Geschäftsleuten, um ihr Quartier mitzugestalten. Grundeigentümer stellen hier für fünf Jahre 1,75 Millionen Euro zur Aufwertung der Fußgängerzone zur Verfügung. Der erste BID im Bezirk Eimsbüttel wurde im November 2010 von der Stadt Hamburg genehmigt.

Maßnahmen für die Verschönerung der Straße hat der BID bereits getroffen. Attraktion im Süden soll ein Brunnenbereich werden. Neue Beleuchtungen, Bäume und Spielflächen mit einem Klettergerüst sind geplant. Nina Häder hofft, dass "Kinder ihre Eltern in den Süden ziehen".

Ungeduldig warten die Arbeitsgemeinschaft und der BID, der die Bauarbeiten bezahlt, auf die Genehmigung des Bezirksamts Eimsbüttel. "Wir würden uns freuen, wenn die Ampel endlich auf Grün geschaltet wird", sagt Reder Wullenweber. Der gebürtige Niendorfer ist Grundeigentümer am Tibarg, Zweiter Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft und Mitglied in der BID-Planungsgruppe. Wullenweber hat die Entstehung des Nord-Süd-Gefälles miterlebt. "Die Niendorfer kommen zum Einkaufen aus dem nordwestlich angrenzenden Stadtgebiet. Ihr täglicher Bedarf wird vom Angebot im Center gedeckt", sagt er.

Sarah Hömme, Junior-Centermanagerin, bestätigt diese Beobachtung. Bis zu 15 000 Menschen strömen täglich in das Einkaufshaus, berichtet die 32-Jährige. Hömme hofft, dass die Besucher des Einkaufshauses auch den Süden stärker frequentieren, und unterstützt die Arbeitsgemeinschaft sowie den BID. "Das Center braucht den Tibarg und umgekehrt."

Ob die geplanten Sanierungsarbeiten den Südbereich wieder mit Leben füllen? "Da kann man nur spekulieren", sagt Marc Schemmel, Sprecher der SPD-Fraktion Lokstedt und Vorsitzender der SPD Niendorf. Der 36-Jährige appelliert an die Eigentümer, attraktive Händler zu akquirieren. Derzeit sind am Tibarg-Süd sieben Textilgeschäfte, zwei Billigwarenketten und eine Spielhalle angesiedelt. Bei einer Kundenbefragung der Arbeitsgemeinschaft und dem Tibarg-Center stellte sich heraus, dass die Niendorfer einen Elektrofachmarkt vermissen. Doch dafür fehlt im Süden eine passende Ladenfläche. Die Hoffnungen ruhen daher auf den Maßnahmen zur Verschönerung. "Es passiert etwas. Mir ist um die Zukunft des Tibargs nicht bange", sagt Schemmel.

Die Genehmigung der Gestaltungspläne für den Tibarg hängt nach wie vor in der Warteschleife. Häder erwartet den Baubeginn im Frühjahr 2012 - ein Jahr später als geplant. Ob das Nord-Süd-Gefälle im Niendorfer Einkaufszentrum dann behoben wird, scheint jedoch fraglich.

Vor einer Doppeleiche neben dem Tibarg-Center steht seit 1898 ein Gedenkstein mit der Aufschrift: "Up ewig ungedeelt" (Auf ewig ungeteilt). Ein Satz, der am Tibarg schon lange nicht mehr zutrifft.