Hamburg ist eine der reichsten Städte Europas - dennoch leben viele Bewohner am Rande der Armut. Studie im Auftrag der Haspa.

Hamburg. Von den 105 Hamburger Stadtteilen wissen die Statistiker viel zu berichten. So können sie belegen, dass in gut 40 Prozent aller Haushalte in Allermöhe Kinder leben, in Borgfelde aber nur in 7,3 Prozent der Haushalte. Sie wissen, dass es in Nienstedten kaum Arbeitslosigkeit gibt und in Billbrook 14 Prozent der Bewohner keinen Job haben. Sie zeigen auf, dass die Ausländerquote in Schulen in Neuland gleich null ist und in Billbrook bei fast 100 Prozent liegt. Aber eines können die Statistiker nicht sagen: welcher Stadtteil gut ist und welcher Stadtteil schlecht. Genauso wenig, wie sie mit Zahlen darlegen können, in welchen Vierteln die Bewohner besonders zufrieden sind. Angesichts einer bekannten Uno-Studie, bei der herauskam, dass ausgerechnet die Menschen in Bangladesch - einem der ärmsten Länder der Welt - am glücklichsten sind, sollte man mit solchen Aussagen ausgesprochen vorsichtig umgehen.

Dennoch ist es interessant zu erfahren, wie es um die Lebensbedingungen in Hamburgs Stadtteilen steht. Genau damit befasst sich die Studie "L(i)ebenswertes Hamburg" des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), die die Haspa in Auftrag gegeben hat. "Diese Analyse stellt die Grundlage für weitere, detailliertere Studien dar", sagt Silvia Stiller, Forschungsdirektorin am HWWI und Autorin der Studie. "Die Analyse zeigt, dass das Bild der Stadtteile insgesamt sehr heterogen ist. Die Lebensbedingungen, die unter anderem von demografischen und ökonomischen Gegebenheiten geprägt werden, unterscheiden sich zum Teil stark." Im Fokus der Studie stehen vier Faktoren: Demografie, Einkommen, Bildung und Wohnen.

Demografie

Wie groß die Verschiedenheiten innerhalb Hamburgs sind, verdeutlicht allein die unterschiedliche Bevölkerungsgröße der Stadtteile: Sie reicht von drei gemeldeten Einwohnern in Altenwerder bis zu rund 87.000 Einwohnern in Rahlstedt. Zudem gibt es Stadtteile, die schrumpfen, und welche, die wachsen. Bei dem Bevölkerungszuwachs im Zeitraum zwischen 2000 und 2009 hatten die Viertel im Südosten und am Elbnordufer die Nase vorn. Allermöhe belegt mit einer Zuwachsrate von mehr als 22 Prozent Platz eins. Dass gerade dort viele Menschen Wurzeln geschlagen haben, verwundert jedoch nicht. Allermöhe ist geprägt von zahlreichen Neubaugebieten, die vor allem viele junge Familien anziehen. Deshalb ist Allermöhe auch der Ort, an dem die meisten Kinder und Jugendlichen leben: Knapp 27 Prozent der Bewohner sind unter18 Jahre alt.

+++ Das sind die unbeliebtesten Hamburger Stadtteile +++

Zum Vergleich: In der HafenCity sind gerade mal acht Prozent der Bewohner noch nicht volljährig. Zu vergreisen droht der schicke und wegen der vielen Neubauten wachsende Stadtteil dennoch nicht. Die meisten älteren Bürger Hamburgs wohnen laut Studie nämlich vor allem am Rande und im Norden der Stadt. In Poppenbüttel und Rissen ist jeweils rund ein Drittel der Bewohner älter als 65 Jahre. Eine Rolle spielt dabei auch, dass in diesen Gegenden eine ganze Reihe von Altenheimen angesiedelt ist, die den Schnitt nach oben drücken.

Einkommen

Gemessen an dem Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätigen zählt Hamburg zu den ökonomisch erfolgreichsten Städten Deutschlands. Die Einkommenssituation zwischen den Stadtteilen unterscheidet sich jedoch deutlich. Die Studie belegt, dass jedes vierte Kind von Sozialleistungen lebt, in sechs Stadtteilen - darunter Veddel, Wilhelmsburg und Billstedt - ist sogar jedes zweite Kind unter sieben Jahren auf Hartz IV angewiesen. Mit der Arbeitslosenquote sieht es in diesen Vierteln ebenfalls schlecht aus. "In den Problemstadtteilen sind mehr als ein Zehntel der Arbeitskräfte ohne Job", sagt Silvia Stiller. In Billbrook liegt der Anteil der Arbeitslosen bei 14 Prozent, auf der Veddel bei 13 Prozent - aber auch in der Sternschanze, dem Szeneviertel Hamburgs, sind rund zwölf Prozent der Bewohner arbeitslos. Dagegen gibt es in der HafenCity und Nienstedten so gut wie gar keine Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind.

Bildung

Die Probleme im Bildungsbereich stellen die Hamburger Politik vor eine große Herausforderung: So lautet ein Fazit der Haspa-Studie. Die gute Nachricht ist, dass sich die Quote der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss von rund zehn auf 7,8 Prozent verbessert hat.

In einzelnen Stadtteilen jedoch gibt es weiterhin alarmierende Zahlen. In Altona-Altstadt verließen etwa 30 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss. In anderen Stadtteilen, in denen viele gut situierte Familien leben, handelt es sich dagegen höchstens um eine verschwindend geringe Minderheit von Heranwachsenden, die ohne Hauptschulabschluss von der Schule abgeht. Beispiel Blankenese: Hier sind es gerade mal 0,3 Prozent der Jugendlichen, die keinen Abschluss erlangen. Auch in Bergedorf, Wandsbek, Volksdorf und Poppenbüttel liegt die Quote bei unter einem Prozent.

Wohnen

Rund 37 Quadratmeter - so viel Wohnfläche standen jedem Hamburger im Jahr 2009 im Durchschnitt zur Verfügung. Für den einen ist das schon fast Luxus, für den anderen ist es unvorstellbar, auf so kleinem Wohnraum zu leben. Die Abweichungen zwischen den Stadtteilen sind auch hier extrem. Den Spitzenplatz belegt die Neustadt: Dort hatte 2009 jeder Einwohner im Schnitt 84 Quadratmeter zur Verfügung. Auch in Wohldorf-Ohlstedt gibt es reichlich Platz: 57,7 Quadratmeter pro Einwohner. Das andere Extrem findet sich auf der Veddel, wo die Einwohner im Schnitt mit 25,3 Quadratmetern auskommen müssen. In Allermöhe ist es mit 26,5 Quadratmetern pro Kopf kaum mehr.