Saikou C. ist gut integriert, spielt Fußball beim ETV. Doch der 18-Jährige könnte abgeschoben werden. Bürgerschaft entscheidet über Härtefall.

Hamburg. Wer um den Aufstieg spielt, darf keine Fehler machen. Saikou, 18, liegt gefoult auf dem Rasen, streckt den Fuß aus, bis der Schiedsrichter entscheidet: "Nachgetreten." Rote Karte. "Arschloch", murmelt Saikou, als er zur Seitenlinie läuft, wie ein Fußballer, dessen Gemüt so schnell abkühlt, wie es überkocht. Nach dem Spiel entschuldigt sich der A-Junior: "Entschuldigung, dass ich Arschloch gesagt habe."

Seine Offenheit wird ihm an diesem Tag nicht zum Verhängnis. Anders im April, als er in die Ausländerbehörde geht, ohne seine Anwältin. "Ich möchte in Deutschland bleiben, um eine Ausbildung zu machen", sagte er damals. Die Duldung für seinen Aufenthalt sei abgelaufen, antwortete der Beamte. Handschellen klickten. Saikou saß eine Woche in Abschiebehaft. 37 000 Menschen auf Facebook forderten seine Freilassung. Als sein Trainer ihn anrief, hörte er, wie Saikou wimmerte.

Heute entscheidet die Härtefallkommission der Bürgerschaft über die Abschiebung des Afrikaners, der mit 16 Jahren aus Gambia floh. Das Landgericht wiederum hat der Ausländerbehörde die Rote Karte gezeigt: Die Inhaftierung sei schlecht begründet, schreibt der Richter, zumal Saikou zuverlässig zu Terminen in der Behörde erschienen ist. Das Urteil liest sich wie ein Ordnungsruf nach mehr Umsicht in der Behörde.

Wer um den Aufstieg spielt, darf keine Fehler machen - auch geduldete Menschen nicht. Doch Saikou macht einen: Zivilfahnder beobachten ihn 2010, als er einer Frau ein Päckchen Marihuana zusteckt. "Eindeutiges Indiz für Dealen", heißt es. Saikous Freunde sind alarmiert - sie wissen, dass er manchmal naiv ist. Das Landgericht stellt fest: "Verstrickung" in den Drogenhandel sei nicht ersichtlich. Zwar darf der 18-Jährige Hoffnung daraus schöpfen, dass die Härtefallkommission sich mit ihm befasst. Dennoch ist das nur der Gnadenweg, ein Bleiberecht versagen ihm die Behörden. Sein Vater sei regimekritischer Leutnant gewesen und nach einem Putschversuch 2006 hingerichtet worden ("Sie haben ihn gefesselt in einen Brunnen geworfen"). Auch seine Mutter sei tot. Saikous Identität ist nachgewiesen. Fest steht auch, dass Regierungskritikern in Gambia der Tod droht, wie Amnesty International bestätigt. Dennoch wurde Saikous Antrag vom Bundesamt für Migration abgelehnt. "Wir sind an diese Entscheidung gebunden", sagt ein Sprecher der Ausländerbehörde. Dagegen sagt Anette Schmidt, die Anwältin Saikous, das Auswärtige Amt habe sich nicht bemüht zu ermitteln, welche Gefahren Saikou in seiner Heimat drohen. "Vielleicht interessiert das die Behörden auch nicht."

Wie so oft in Bleiberechtsfällen: Einige Fakten sind umstritten. Aber warum gehen Behörden eines Einwanderungslandes nicht auf persönliche Leistungen zur Integration ein? Die Geschichte erinnert an die von Kate Amayo. Die damals 20-Jährige aus Ghana war im vergangenen Jahr genauso von der Abschiebung bedroht - trotz vorbildlicher Integration. Die Härtefallkommission entschied: Sie darf bleiben.

Als Saikou hier ankam, schlief er auf einer Bank am Hauptbahnhof. Jetzt hat er den ETV mit zum Aufstieg in die Regionalliga geführt. Freunde helfen ihm beim Lernen. Die Vorbenotung für seinen Hauptschulabschluss ist so gut, dass er ihn wohl geschafft hat. Obwohl er Fußballprofi werden will, hat er einen Ausbildungsplatz in einer Glaserei sicher. Wer ihn auf Englisch anredet, hört: "Nein, ich will Deutsch sprechen."