Das Quartier entpuppt sich als familienfreundlicher als bislang gedacht. Es ist geprägt vom Zusammenhalt der Bewohner.

Hamburg. "Die HafenCity ist ja schön, aber wohnen möchte ich hier nicht." Das ist ein Satz, der häufig zu hören ist. Viele Hamburger besuchen den neuen Stadtteil am Wasser gern und sind dann froh, zurück nach Eimsbüttel, Altona oder Wellingsbüttel zu fahren. Denn ein weiterer geläufiger Satz ist: "Also, mit Kindern kann man hier doch nicht wohnen!" Das Viertel sei zu karg, es gebe zu wenig Grün. Das war einmal. Hamburgs neuer Stadtteil mausert sich zum Familienviertel.

"Die HafenCity ist auf jeden Fall kinderfreundlich. Es gibt eine gute Schule, das ist für viele Eltern das entscheidende Kriterium", sagt Jürgen Pietsch, Professor für Stadtentwicklung an der HafenCity-Universität. Ursprünglich sei die HafenCity gar nicht auf Familienfreundlichkeit ausgelegt gewesen. "Sie ist es trotzdem geworden. Gerade im östlichen Teil sind niedrigere Grundstückspreise angestrebt. Dort wird der Schwerpunkt noch mehr auf Wohnen, auch für Familien, liegen."

Familie Wiehler lebt seit Februar in der HafenCity. Bis vor zehn Wochen hat sie noch im alten Hamburg gewohnt. Ganz klassisch in einer Altbauwohnung in Rotherbaum. Seit dem 1. Februar leben Andrea, 39, und Kay Wiehler, 44, mit Henry, 4, und John, 2, in der "Hafenliebe", einer Bauherrengemeinschaft am Sandtorpark. Und sie sind begeistert. "Um uns herum leben 40 Kinder und viele tolle ältere Menschen", sagt Andrea Wiehler. Die PR-Beraterin beschreibt das Lebensgefühl als "Kommune des 21. Jahrhunderts". Das klingt nach Rainer Langhans, soll aber das besondere Gemeinschaftsgefühl beschreiben. Die HafenCity-Bewohner werden ja gern als Pioniere bezeichnet. Auch zehn Jahre nach dem Baubeginn ist vieles noch provisorisch. Andrea Wiehler: "Ein Supermarkt fehlt natürlich." Im Überseequartier gibt es einen großen Drogeriemarkt, aber eine Supermarktkette hat sich dort noch nicht angesiedelt. Fährt ein Nachbar aus dem Haus zum Supermarkt nach St. Pauli oder in die Neustadt, wird gefragt, ob noch jemand Getränke braucht. "Auf den ersten Blick mag die HafenCity anonym wirken, in Wirklichkeit ist sie sympathisch", sagt Andrea Wiehler. Vielleicht schweißt die Anonymität zwischen Glas und Beton zusammen und schafft besonders enge Bindungen, unabhängig von einer angeblich sterilen und langweiligen Architektur. Es sind die Menschen, die ein Umfeld wirklich lebenswert machen.

"Als ich mit einem Oberschenkelhalsbruch zu Hause lag, kamen Nachbarn mit Blumen und Genesungswünschen", sagt Andrea Wiehler. Ihre Nachbarin Swantje Ebinger, Mutter der zweijährigen Luise, hat nur einen Kritikpunkt: "Die Begrenzungen zum Wasser sind nicht sehr kindersicher."

Wo ihre Kinder Henry und John gerade stecken, weiß Andrea Wiehler nicht immer genau. Die Kleinen genießen eine Freiheit wie auf dem Land. Wie bitte? Ländliches Ambiente ausgerechnet in der HafenCity? "Die Jungs sind ständig bei den Nachbarskindern, und man fragt sich, welches Kind ist gerade wo beim Abendessen", sagt Andrea Wiehler und lacht. Das wenige Grün im Viertel stört sie nicht. Denjenigen, die etwas von Bäumen und Natur erzählen, sagt sie: "In einem klassischen Neubaugebiet gibt es auch kaum Grün."

Immerhin: Gleich hinter dem Wohnhaus der Wiehlers wurde gerade der Sandtorpark eröffnet, der anders als herkömmliche Spielplätze eine hügelige Wiese zum Toben bietet, Sandkisten in Bootsform und asphaltierte Wege. Frank Engelbrecht, Pastor an St. Katharinen: "Das Einweihungsfest für den Park war eine gelungene Nachbarschaftsaktion. Und als ich mit meinen Kindern da war, haben wir das Grün, die Hügel und die Nachbarschaft mit Fußballspielen, Eiscreme und Sandkastenspiel sehr genossen. Und wir haben uns gedacht: gerne noch viel mehr davon in unserer schönen Stadt am Wasser!"

Mit dem Lohsepark wird es eine Art Central Park geben, kündigt die HafenCity GmbH an. Entlang der Grünanlage werden 2012 die ersten Wohnungen gebaut. Eine weiterführende Schule ist geplant, auch kulturelle Einrichtungen, ein Kinderkulturhaus. "Familienfreundlich bedeutet vor allem, dass alle Familienmitglieder Vorteile sehen", sagt Dieter Polkowski von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Wer hier wohnt, könne viele Ziele vor Ort, aber auch in der Stadt auf kurzem Wege oder in kurzer Zeit erreichen. Und welcher andere Stadtteil bietet zehn Kilometer Promenade zum Radfahren und Inlineskaten?

Oberbaudirektor Jörn Walter gibt zu, in der Vergangenheit nicht an alles gedacht zu haben: "Der provisorische Spielplatz am View Point wird gut angenommen, der war wichtig." Für die Jugendlichen werde es im Oberhafenquartier Sportplätze geben.

Viele möchten nicht in der HafenCity leben. "Aber zum Besuchen", sagt Andrea Wiehler, "kommen unsere Freunde immer wieder gern vorbei."