Der frisch ernannte Innensenator Michael Neumann (SPD) über den Reitermarsch, das Schanzenviertel und kriminelle Jugendliche.

Hamburg. Noch ist der frisch ernannte Innensenator Michael Neumann (SPD) dabei, seine Behörde kennenzulernen. Er wolle den handelnden Personen "in die Augen schauen". Zumal sich bereits zeige, dass sich einige Sachen aus der Opposition einfacher dargestellt haben, als sie nun in der Realität seien. Die Abschaffung der Reiterstaffel etwa, die teurer sein würde, als sie erst mal für zwei Jahre zu behalten.

Hamburger Abendblatt: Herr Neumann, was ist Ihr Lieblingsstück des Polizeiorchesters?
Michael Neumann: Ich kenne die Stücke des Polizeiorchesters nicht, aber mein Lieblingsstück ist des Großen Kurfürsten Reitermarsch. Das können die bestimmt spielen.

Werden sie es denn weiterhin spielen? Das Orchester kostet ja immerhin 1,6 Millionen Euro im Jahr.
Neumann: Ich habe ja keinen Einfluss auf das Repertoire. Aber zur Frage, ob es das Polizeiorchester weiter geben wird: Nur drei Mitglieder des Orchesters sind Polizisten, die anderen angestellte Musiker. Würde man das Orchester streichen, hätte man also drei Polizisten mehr, was nicht schlecht wäre. Aber was man mit den Musikern dann in der Innenbehörde anfangen will, weiß ich nicht. Klar ist aber auch: In den Haushaltsberatungen soll das Thema abschließend geklärt werden, sonst diskutieren wir jedes Jahr neu darüber.

Bleibt die Reiterstaffel?
Neumann : Es ist bekannt, dass ich die Beschaffung der Reiterstaffel für nicht sinnvoll gehalten habe. Jetzt gibt es sie aber, es wurden Pferde gekauft und Verträge geschlossen, für die Dauer von zwei Jahren. Das finde ich hanebüchen, aber ich muss damit jetzt umgehen. Nun müssen wir schauen, was daraus zu gewinnen ist. Sollte sich erweisen, dass ein Pferd bei Einsätzen mehrere Polizisten ersetzt, kann man drüber nachdenken. Sollte sich aber herausstellen, dass die Reiterstaffel nur ein Prestigeobjekt ist, dann verzichten wir darauf. Ich will für jeden eingesetzten Euro ein Höchstmaß an Sicherheit.

Aber Sie werden sparen müssen.
Neumann : Wir wollen möglichst viele Polizisten weg vom Schreibtisch und dafür zurück auf die Straße bringen. Dort gehören sie hin. Dafür muss ich als Senator mit gutem Beispiel vorangehen. In meinem Präsidialstab etwa werden künftig zehn Mitarbeiter weniger arbeiten. Mit diesem Blick werden wir uns nun die Strukturen von Feuerwehr und Polizei ansehen.

Zum Versprechen, mehr Polizisten auf die Straße zu bringen: Sie sagen, einen Teil wollen Sie aus den Amtsstuben loslösen. Woher soll der Rest kommen?
Neumann : Wir werden dafür sorgen, rechtzeitig Nachfolger für Kollegen auszubilden, die in den Ruhestand gehen. In der Vergangenheit wurde damit oft erst angefangen, wenn altgediente Kollegen aus der aktiven Zeit ausschieden. Folge waren bis zu dreijährige Vakanzen, die sicher auch Geld gespart haben. Wir stehen aber dafür, rechtzeitig Nachwuchs zu gewinnen.

Der Besitzer der Roten Flora, Klausmartin Kretschmer, will das autonome Zentrum verkaufen. Entsteht hier ein neuer Brennpunkt?
Neumann :Das glaube ich nicht. Aus polizeilicher Sicht ist das aber unerheblich. Wir werden bei Einsätzen weiter eine klare Kante zeigen, sollten Teilnehmer ihr Demonstrationsrecht missbrauchen.

Was wird die Flora in vier Jahren sein?
Neumann : Die Nutzung der Flora als Stadtteilzentrum ist im Grundbuch festgeschrieben, daran wird sich auch nichts ändern. Auch wenn ich mir persönlich eine andere Art von Statteilzentrum vorstellen würde, muss man sagen: Die Flora hat Hamburg auch bunter gemacht. Die Schanze ist nicht langweilig und spießig, sondern bunt und lebhaft. Der Stadtteil hat sich außerdem geändert und ist nicht mehr so, wie es dort in Kombination mit der Hafenstraße vor 20 Jahren war. Jeder muss sich natürlich an Regeln halten, aber das scheint auch zu klappen. Die Krawalle werden offenbar eher durch Zugereiste verursacht als durch die eigentliche Nutzerschaft der Flora.

Wollen Sie einen Rückkauf der Flora durch die Stadt?
Neumann : Auch nach einem Verkauf würde ein neuer Eigentümer die vorgeschriebene Nutzung als Stadtteilzentrum nicht ändern können. Insofern ist das eine Diskussion, die wir ganz entspannt führen können.

Wie wollen Sie es schaffen, dass in Hamburg keine Autos mehr brennen?
Neumann : Das ist eine große Herausforderung. Leider haben viele europäische Großstädte dieses Problem, zumal sich einige Täter offenbar auch von medialer Aufmerksamkeit leiten lassen. Wichtig ist, dass wir Polizisten einsetzen, die auch die Strukturen und Milieus in den Stadtteilen kennen. Klar ist, dass wir nicht jedes Auto flächendeckend bewachen können. Manchmal ist es aber auch klüger, Konzepte nicht zu veröffentlichen. Sonst wissen die Täter, was sie machen müssen, um nicht gepackt zu werden. Die Polizei wird ein Konzept vorlegen, das ich mir zunächst ansehe.

Ist das neu? Polizisten in Gebieten einzusetzen, die sie kennen?
Neumann : In der Tat werden Bereitschaftspolizisten oft in verschiedenen Stadtteilen eingesetzt. Bürgernahe Beamte aber verfügen über Erkenntnisse, die in keinem Computer gespeichert sind, schon aus Datenschutzgründen. Wenn in ihrem Kiez irgendwo eingebrochen wurde, dann wissen die, bei welchen Anwohnern sie mal im Keller nach Diebesgut schauen sollten. Dieses Konzept könnte ein Ansatz sein.

Was wollen Sie gegen Jugendgewalt unternehmen?
Neumann : Die Justizsenatorin Jana Schiedek und ich funken auf einer Frequenz. Wir müssen jugendlichen Intensivtätern zeigen, dass hier klare Kante gefahren wird und es kein Pädagogisieren gibt. Die müssen wissen: Wenn sie sich aus dem erlaubten Korridor rausbewegen, werden sie geschnappt und sanktioniert. Wir prüfen gerade, wo wir die Zusammenarbeit der Innen- und Justizbehörde verbessern können. Wenn es sein muss, ändern wir auch Bestimmungen zum Datenschutz, wenn es daran hakt. Wir behalten aber den Bereich der Prävention fest im Blick, etwa durch Schulbildung. Die Zahl der Intensivtäter muss sinken. Wie der Bürgermeister sagte: Wir machen Türen auf und helfen ihnen dabei, durch diese Türen durchzugehen. Einige werden wir auch durch die Tür schubsen müssen.

Also schnellere und härtere Strafen?
Neumann : Wir wollen die wirklich bösen Jungs alle einkassieren. Es ist meine Aufgabe, dafür der Polizei die richtigen Rahmenbedingungen zu verschaffen.

Wie fühlt sich nach Jahren auf der Oppositionsbank Ihre neue Verantwortung an?
Neumann : Ich habe einen riesengroßen Respekt. Neulich habe ich nachts eine Stunde lang wach gelegen und dachte: Jetzt wird es ernst.