Für den Bezirk Mitte ist jetzt auf dem Gelände der Alten Rindermarkthalle ein Lebensmittelgeschäft viel wichtiger. Info-Termin am 25. November.

St. Pauli. Die St. Pauli Music Hall steht vor dem Scheitern. Nachdem die GAL-Bürgerschaftsfraktion von dem Projekt in der Alten Rindermarkthalle, wo zuletzt der Real-Markt Waren verkaufte, abrückte, folgt jetzt der Bezirk. In einer großen Veranstaltung soll der Öffentlichkeit nun ein Projekt ohne den Zwang, eine Musikhalle zu bauen, schmackhaft gemacht werden. Wichtiger sei nun die Nahversorgung und eine Bürgerbeteiligung, heißt es seitens des Bezirks.

Als Info-Termin ist der 25. November vorgesehen, nachdem eine erste Veranstaltung im Krawall unterging und eine zweite aus Furcht vor zu großem Prostest kurzfristig abgesagt wurde. Im 1000 Besucher fassenden "Ballsaal" am Stadion des FC St. Pauli soll nun in gut zwei Wochen über "die Ergebnisse des kooperativen Gutachterverfahrens" informiert werden.

Die Bezirkspolitiker starten damit den dritten Versuch, die Bürger über ein 100-Millionen-Projekt öffentlich zu informieren, das Sprengkraft besitzt. Ursprünglich hatte der Bezirk Mitte die Musikhalle auf dem Areal am Neuen Pferdemarkt errichten wollen.

Die Sprengkraft resultiert aus zwei Dingen. Erstens aus dem Projekt: Eines der letzten - der Stadt gehörenden - großen Filetstücke der City soll entwickelt werden. Auf dem 3,4 Hektar großen Areal wollte der Bezirk vor einem Jahr eine 4000 Besucher fassende Musikhalle (St. Pauli Music Hall) errichten. Investor und Betreiber standen bereit; der Abriss der Alten Rindermarkthalle war vorgesehen. Nun setzte eine Entwicklung ein, die der Bezirk falsch eingeschätzte: Der Protest gegen die befürchtete weitere "Eventisierung" wurde auch noch von der neuen Recht-auf-Stadt-Bewegung beflügelt.

Zweitens wuchs die Sprengkraft, weil der Bezirk einen Weg der öffentlichen Information wählte, den heute Politiker hinter vorgehaltener Hand als Desaster beschreiben. Mit dem "kooperativen Gutachterverfahren" fand der Bezirk eine "Lösung", die den Erhalt der Alten Rindermarkthalle und den Einbau einer Music Hall vorsah.

Das Desaster resultiert auch aus der dann folgenden "missverständlichen" (SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote) Informationspolitik des Bezirks: Ein erster Info-Termin musste abgebrochen werden, weil die Veranstaltung aufgrund von Tumulten platzte. Der verschreckte Bezirk beschloss, dass weitere Info-Termine nicht öffentlich und nur für angemeldete Gäste zugänglich waren. Hinter verschlossener Tür wurde die "Lösung" mit der Musikhalle unter dem Real-Dach gefunden, die in einen neuen Bebauungsplan führen sollte.

Doch auch das klappte nicht, denn der Bezirk machte einen Rückzieher und sagte wieder ganz kurzfristig den folgenden Info-Termin Anfang Oktober ab, weil er fürchtete, von 500 Protestierenden überrannt zu werden.

Überrannt wurden die Bezirkspolitiker von anderen: Vor wenigen Tagen ließen die GAL-Bürgerschaftspolitiker wissen, dass sie eine "Vorfestlegung" auf bestimmte Nutzungsmodelle nicht wollen, sondern ein ganz neues Verfahren, das die Bürger weitgehend einbindet - und lange dauern wird. Antje Möller, Vize in der GAL-Bürgerschaftsfraktion, wünscht sich einen Vertrag mit Anwohnern, ähnlich dem ehemaligen Verfahren bei der Messeerweiterung. "Es soll ein vertraglich zu fixierendes Ergebnis im Beteiligungsverfahren entstehen", sagt sie. Auch Andy Grote (SPD) fordert ein Beteiligungsverfahren wie bei der Messe. "Wenn es gegen eine Musikhalle berechtigte Einwände gibt, dann gibt es keine Halle. Als neues Element wäre zum Beispiel zu prüfen, in welchem Umfang sich der FC St. Pauli auf dem Gelände engagieren könnte", sagt er.

Nun also der dritte Versuch im "Ballsaal". Damit sich die Gäste akklimatisieren können und der Protestdruck sinkt, werden die Bürger schon zwei Stunden vor Beginn um 17 Uhr eingelassen. Neu ist auch die Meinung des Bezirks, die Amtsleiter Markus Schreiber gegenüber dem Abendblatt wiedergab: "Eine Festlegung auf Bausteine gibt es nicht zwangsläufig." Wichtiger als eine Musikhalle sei die Nahversorgung mit Lebensmitteln und eine Markthalle. Schreiber wünscht sich jetzt den Dialog. "Ich möchte nicht wieder niedergebrüllt werden, sondern will mit den Menschen reden." Zündstoff gibt es weiterhin. So fragen viele der Protestler schon heute, warum 100.000 Euro für ein Verfahren ausgegeben wurden, das nun wohl Makulatur ist.