Was Schüler, Lehrer und Suchtexperten zu den Alkoholproblemen von Kindern und Jugendlichen sagen. Erschütternde Bekenntnisse.

Hamburg. Wenn Jenny auf eine Party geht, trinkt sie Alkohol . Das ist für die 18-Jährige, die ein Hamburger Gymnasium besucht, selbstverständlich. Und Entspannung vom Schulstress. "Ich trinke aber nie so doll, dass ich bewusstlos werde. Aber es passiert schon ab und zu, dass ich mich am nächsten Morgen nicht mehr an alles erinnern kann." Mit dieser Erfahrung steht Jenny, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, nicht allein da.

Laut einer aktuellen Gesundheitsstudie der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) und der Leuphana Universität Lüneburg trinken 37 Prozent der Zehn- bis 18-Jährigen regelmäßig Alkohol - also mindestens einmal pro Woche. Von den zwölfjährigen Jungen gaben zehn Prozent an, jede Woche Alkohol zu konsumieren.

Für die Studie, die dem Abendblatt vorliegt, wurden 4116 Mädchen und Jungen zwischen zehn und 18 Jahren aus 17 Schulen in sieben Bundesländern, darunter auch Hamburg, zu ihrem Alkoholkonsum befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass der generelle Alkoholkonsum bei Jugendlichen zwar rückläufig ist, das sogenannte Rauschtrinken, bei dem ein Jugendlicher mindestens fünf Gläser Alkohol direkt hintereinander trinkt, jedoch zunimmt. Auffällig ist dabei: Der Trend des Rauschsaufens zeigt sich vor allem bei den befragten Gymnasiasten. Fast 37 Prozent der Schüler räumten ein, regelmäßig abzustürzen. "Im Gegensatz zu Haupt- und Realschülern äußerten in unserer Befragung hauptsächlich Schüler der Gymnasien, dass sie unter starkem Leistungs- und Erwartungsdruck in der Schule und im Elternhaus stehen. Um diesen abzubauen, greifen sie am Wochenende zum Alkohol und betrinken sich", sagt Rüdiger Scharf, Sprecher der DAK.

Unter den 17 Schulen, die an der Studie teilgenommen haben, befindet sich auch eine Hamburger Schule, das Heisenberg-Gymnasium in Harburg. "Bei uns spielt das Thema Prävention eine große Rolle", sagt die Beratungslehrerin Delphine Hörner. Deshalb gebe es auch zum Thema Alkohol regelmäßig Präventionsveranstaltungen am Heisenberg-Gymnasium. Dass Gymnasiasten laut DAK-Studie häufiger trinken als Haupt- und Realschüler, könne sie nicht bestätigen. "Das ist meiner Ansicht nach schulformunabhängig." Sie frage sich, ob bei der DAK-Untersuchung alle ehrlich geantwortet hätten. "Ich beobachte, dass viele Schüler einfach nur verbreiten, sie würden zweimal in der Woche Alkohol trinken, weil sie sich damit brüsten und profilieren wollen", sagt Hörner. Vielleicht sei jedoch die Hemmschwelle, Alkohol zu trinken, auch schon bei jüngeren Jahrgängen gesunken.

Auch Tom war noch jung, als er am ersten Bier nippte. "Ich trinke schon lange. Mit Alkohol ist es einfach lustiger zu feiern", sagt der 14-jährige Gesamtschüler. "Weil mit Alkohol alle lockerer drauf sind." Ein Wochenende ohne Bier und Schnaps gebe es bei ihm nicht. "Ich genieße den Rausch."

In der DAK-Studie gaben 43 Prozent der Befragten an, sich mindestens einmal im Monat einen Rausch anzutrinken. "Dieser Trend ist auch in Hamburg zu beobachten", sagt Theo Baumgärtner, Leiter des Büros für Suchtprävention in Hamburg. Und: "Bei Jugendlichen aus sozial besser gestellten Schichten ist der Alkoholkonsum weiter verbreitet als bei Jugendlichen aus sozial schlechter gestellten Schichten." Ein Grund sei, dass Alkohol Geld koste. "Eine Rolle spielt aber auch, dass Alkohol bei Jugendlichen mit einem muslimisch geprägten Migrationshintergrund, die seltener einen hohen Bildungsabschluss anstreben, verpönt ist", sagt Baumgärtner.

Eine Erklärung dafür, dass das Rauschtrinken bei Jugendlichen immer beliebter zu werden scheint, sieht Baumgarten in dem Leistungsdruck: "Wir leben in einer XXL-Gesellschaft, in der es immer um mehr, mehr, mehr geht." Maß zu halten sei schon lange nicht mehr angesagt. "Das Verhalten von Jugendlichen ist der Spiegel der Haltung von Erwachsenen."

Der Hamburger Gesundheitsbehörde ist der Trend zum Rauschtrinken bei Schülern nicht neu. "Diese Entwicklung ist uns bekannt", sagt Sprecher Rico Schmidt. Und es handele sich keinesfalls um ein Unterschichtenproblem. "Eine der effektivsten Maßnahmen ist dabei, Aufmerksamkeit bei den Eltern von Minderjährigen zu schaffen." Eltern seien das beste Vorbild. Alkoholtestkäufe von Jugendlichen zählten jedoch nicht zu den Maßnahmen, um dem Trend des Rauschtrinkens entgegenzuwirken. Schmidt: "Das haben wir nicht geplant." Dass die Politik sich mit dem Problem befassen muss, ist für DAK-Sprecher Rüdiger Scharf unerlässlich: "Die Politik muss nun handeln."