Der Landeselternausschuss der Hamburger Kindertagesstätten startet heute Volksinitiative für seine Forderung

Hamburg. Heute um 9 Uhr morgens wird Claudia Wackendorff im Hamburger Rathaus mit der Anmeldung der "Volksinitiative Kita-HH" ihre nächste Runde im Kampf gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren einläuten. Die Sprecherin des Landeselternausschusses Kindertagesbetreuung Hamburg (LEA) und ihre Mitstreiter reagieren jetzt damit auf offensichtlich ergebnislose Gespräche, die sie in den vergangenen Wochen mit Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) und Vertretern der Sozialbehörde über die zukünftige Entwicklung der Kindertagesbetreuung in Hamburg geführt haben.

Schon im Juli hatte der LEA laut über den Start einer Volksinitiative nachgedacht. Doch juristische Bedenken hatten die Verantwortlichen zögern lassen. Damals hieß es, es sei schwierig, gegen Gebühren oder Steuern einen Volksentscheid durchzusetzen. "Aber es handelt sich ja gar nicht um echte Gebühren, weil die Eltern an den Kita-Träger bezahlen und nicht an die Behörde, und wir wollen auch nicht den laufenden Haushalt, sondern kommende Haushalte angreifen", sagte Wackendorff dem Abendblatt.

Der LEA ist ein von den Kita-Eltern gewähltes Gremium von Elternvertretern der etwa 990 Einrichtungen der Kindertagesbetreuung aus allen sieben Hamburger Bezirken - und damit die Interessenvertretung der rund 67 000 Kinder im Hamburger Kita-Gutschein-System. Damit ist er also auch Ansprechpartner für Kita-Träger und Behörden in allen Belangen der Kinderbetreuung und gilt als wichtige Interessenvertretung.

"Anders, als mancher es sehen mag, wollen wir weder 'den Mob aufhetzen' noch 'unnötig polarisieren' oder 'Stimmung machen'", sagt Claudia Wackendorff, Sprecherin des LEA. "Wir erhoffen uns eine breite Diskussion über den Stellenwert der frühkindlichen Bildung in dieser Stadt."

Carola Veit, familienpolitische Sprecherin der SPD, sieht in der neuen Volksinitiative "eine Ohrfeige für den Senat und seine Kita-Politik. Das zeigt, dass sich die Menschen in Hamburg mit ihren Sorgen nicht mehr aufgehoben fühlen, und deshalb greifen sie zum Mittel der direkten Demokratie", so Veit, die auch Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend ist.

Bereits im Frühjahr hatte der LEA erfolgreich eine Volkspetition gegen die Gebührenerhöhung initiiert und 32 922 gültige Stimmen im Juni eingereicht (erforderlich waren 10 000). Die Anhörung im Familienausschuss kam allerdings bisher aufgrund von Terminschwierigkeiten noch nicht zustande.

Das neue Volksbegehren geht inhaltlich über die Volkspetition hinaus. Ziel ist nach Angaben von Wackendorff, mehr Bildungsqualität für alle Kita-Kinder zu erreichen. Frühere und individuellere Förderung der Kinder solle dadurch erreicht werden, denn das sei die Grundlage für eine positive Bildungsbiografie und helfe, Folgekosten für den Staat zu vermeiden. Wackendorff nennt auch noch ein paar Zahlen, um die Forderungen des LEA zu untermauern: "In Hamburg haben 43 Prozent der unter 15-Jährigen einen Migrationshintergrund, leben 26 Prozent aller Kinder unter sieben Jahren an der Armutsgrenze, und rund ein Viertel aller Mütter und Väter sind alleinerziehend. Die Kinder brauchen daher vielfältige Bildungsangebote und Anregungen über ihre Herkunftsfamilie hinaus." Da von einer qualitativ guten frühkindlichen Bildung die gesamte Gesellschaft profitiere, "muss frühkindliche Bildung unabhängig vom gesellschaftlichen Status jedem Kind zur Verfügung gestellt werden", so die LEA-Sprecherin.

Und deshalb dürfe diese frühkindliche Bildung nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängig sein. Der Landeselternausschuss fordert daher einen Rechtsanspruch auf sechsstündige Betreuung vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schulbeginn ohne Familieneigenanteil. "Ja, das ist ein Systemwechsel", betont Wackendorff, selbst dreifache Mutter.

Derzeit haben Kinder im Alter von drei Jahren bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf eine Kita-Betreuung für fünf Stunden. Nur das letzte Kita-Jahr (fünf Stunden) ist gebührenfrei. Für Eltern, die eine über sechs Stunden hinausgehende Kinderbetreuung benötigen, will der LEA durchsetzen, dass diese nur für die zusätzlichen Stunden bezahlen müssen. "Entsprechend der Grundlage des bis August gültigen Familieneigenanteils." Auch Pauschalbeträge wie das Essensgeld sollten nicht mehr erhoben werden, weil sie sozial ungerecht seien. Und schließlich sollten Kitas einen Zuschlag von 25 Prozent auf die Erzieherstunden bekommen, damit alle Tätigkeiten wie Eltern- oder Planungsgespräche, die nicht direkt als pädagogische Arbeit bei den Kindern ankommt, honoriert werden.

Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) bedauerte den Schritt des LEA: "Bis zuletzt haben wir gemeinsam verhandelt, um zu einem realistischen und maßvollen Ausbau der Kitas zu kommen. Dazu sollte die Qualität in den Kitas verbessert werden, zum Beispiel über Mittel zur Sprachförderung, Verstärkung der Betreuer-Kind-Relationen in sozialen Brennpunkten oder eine Geschwisterkind-Regelung auch beim Essensgeld. Das ist jetzt durch die illusorischen Forderungen kaputtgemacht worden." Ungeachtet dessen hofft der LEA auf breite Unterstützung in der Bevölkerung und auf deutlich mehr als die nötigen 10 000 Unterschriften.