Nach sechs Dienstjahren, viel Einsatz und so einigen Fehlentscheidungen geht Kultursenatorin Karin von Welck, bevor sie gegangen wird.

Hamburg. Ihre Lieblingsvokabel wird ihr wohl ausnahmsweise nicht in den Sinn gekommen sein. "Wunderbar", das war das Wort, mit dem Karin von Welck großzügig fast jede Ansprache und jedes Gespräch garnierte. Sie wusste, dass man sich darüber schon lustig gemacht hatte, und bat zuletzt, wenn es ihr bei Interviews wieder dazwischengerutscht war, darum, es doch bitte überhört zu haben. Es gehörte zu ihr wie die gediegene Attitüde und ihre Vorliebe für Broschen mit Motiven aus dem Tierreich. Doch jetzt ist Schluss mit wunderbar. Die Senatorin für Kultur , Sport und Medien verkündete gestern ihren Rücktritt zum 25. August. Wohl auch, bevor es andere getan hätten.

+++ Die Rücktrittserklärung von Kultursenatorin Karin von Welck +++

Karin von Welck war die einzige parteilose Senatorin im Senat, zudem ist die 63-Jährige mittlerweile eines der dienstältesten Senatsmitglieder. Zuletzt hatte es immer wieder heftige Kritik an ihrer Arbeit gegeben, der Maler Daniel Richter nannte ihre Arbeit vor seinem Umzug nach Berlin gar ein "Desaster", kaum weniger scharf formulierte der frühere Kunsthallendirektor Werner Hofmann seine Kritik, in der er ihr "rufmordende Politik" vorwarf: "Wenn Sie demnächst als Totengräberin der Kunsthalle in die Lokalchronik eingehen wollen, brauchen Sie nur den eingeschlagenen Kurs fortzusetzen", schrieb er und kündigte an, die Situation der Kunsthalle vor der Unesco-Organisation International Council of Museums zur Sprache zu bringen. Karin von Welck aber will weder den eingeschlagenen Kurs noch sonst einen fortsetzen - sie will gar nicht mehr.

Als Ole von Beust ihr 2001 zum ersten Mal das Amt angeboten hatte, lehnte Karin von Welck ab. Mit dem Rechtspopulisten Ronald Barnabas Schill wollte sie nicht an einem Kabinettstisch sitzen. 2004 fragte von Beust noch einmal, diesmal nahm Karin von Welck, die damals als Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder in Berlin tätig war, das Amt an. Einen sicher nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Vorschusslorbeeren hatte sie damals der Tatsache zu verdanken, dass sie Nachfolgerin der umstrittenen und oft ungeschickt agierenden Dana Horáková war. Es konnte jetzt nur bergauf gehen, war damals die Hoffnung vieler in Hamburgs Kulturlandschaft.

Schon im Jahr darauf hatte Karin von Welck Einschnitte im Kulturbudget hinzunehmen - und beging ihren ersten großen Fehler: Sie kürzte nicht überall ein bisschen, sie kürzte massiv bei der Filmförderung. Ein nicht minder umstrittenes Dauerthema war das Ringen mit den Zuständigen um Zuschnitt und Ausstattung der Bücherhallen, immer wieder von Protesten begleitet.

+++ Daniel Richter: "Die Kulturpolitik hier ist ein Desaster" +++

Immer häufiger waren die Entscheidungen der promovierten Ethnologin im Laufe der Jahre kritisiert worden: Die Vertragsverlängerung des Schauspielhaus-Intendanten Friedrich Schirmer, der - obwohl Chef der größten deutschen Sprechbühne - in der Theaterszene praktisch keinen Ruf genießt, bis ins Jahr 2015 gehörte dazu. Auch Staatsopern-Chefin Simone Young und Generalintendant Christoph Lieben-Seutter durften sich über dieses branchenunübliche Langzeit-Engagement freuen. Weiterer Krisenherd war der Umgang mit Kunsthallendirektor Hubertus Gaßner, den sie öffentlich gemaßregelt hatte. Viele andere, die zu widersprechen wagten, genossen eine ähnliche Behandlung bei den Einladungen zum Kaffee ins Chefinnenzimmer.

Dort dürften sich auch Szenen des Skandals um die "Marat"-Aufführung am Schauspielhaus abgespielt haben. Die Senatorin hatte offiziell, ihrem Verständnis nach aber lediglich als Privatperson, gegen den Umgang mit Reichen dieser reichen Stadt durch diese Inszenierung protestiert. Schirmer protestierte zurück. Am Ende soll alles nur ein großes Missverständnis gewesen sein.

In den letzten Monaten unterliefen ihr Fehleinschätzungen und handwerkliche Fehler in immer schnellerer Folge. Sicher auch, weil die Kulturbehörde nach der Neuverteilung von Zuständigkeiten in der schwarz-grünen Koalition das Sportressort als Danaergeschenk zugeteilt bekam. Danach glich die mit Arbeit überladene Behörde für Kultur, Sport und Medien mehr und mehr einer Wagenburg. Die Posse um die Brandschutzklappen in der Galerie der Gegenwart war nur ein Beispiel - wenn auch ein besonders absurdes - für die Kommunikationsprobleme, die die ehemalige Leiterin des Mannheimer Reiss-Museums mit der Hamburger Museumsszene hatte.

Gaßner hatte bis zuletzt daran festgehalten, die Schließung des Ungers-Baus nicht als vorsorgliche und überfällige Sicherheits-, sondern als verkappte Sparmaßnahme zu entlarven. Ausgerechnet mit dem durchaus bürgerlichen Freundeskreis der Hamburger Kunsthalle hatte sich Karin von Welck angelegt, als sie zu dessen Ungunsten Strukturveränderungen im Stiftungsrat durchdrücken wollte. Ihr öffentliches Nachdenken-lassen-Wollen über den Verkauf von Sammlungsbeständen brachte ihr ebenfalls Kritik ein. Beim Versuch, der Fabrikleitung ihren Gestaltungswillen aufzuzwingen, fing sie sich ein blaues Auge ein.

Auch bei den drei großen Staatstheatern war man kaum besser auf die Aufsichtsratsvorsitzende zu sprechen. Im Rahmen der generellen Etatkonsolidierung schob die Senatorin den Schwarzen Peter direkt an die jeweiligen Hausherren durch, die ihre Etatkürzungen tunlichst durch Erhöhung der Kartenpreise ausgleichen sollen.

Bei aller Kritik an Führungsstil, Begleitpersonal und Entscheidungsfindung - die Leidenschaft im Bereich Kinder- und Jugendkultur war eindrucksvoll. Sie warb mit Engelsgeduld und gebetsmühlenartig für dieses wichtige Thema. Musterbeispiele wie die Initiative "Kinder zum Olymp", die sie noch in ihrem Berliner Amt angestoßen hatte, lagen ihr persönlich am Herzen, und das verkündete sie lieber dreimal zu viel als einmal zu wenig. Hamburg erträumte sie sich als "Modellregion" und fand dafür immer neue Unterstützer und Geldgeber. Fast übermenschlich war ihr Eifer auch, wenn es um Präsenzpflichten bei den unzähligen Abendterminen ging. Man könnte fast überall hinkommen, von der großen Premiere bis zur kleinen Off-Inszenierung - in aller Regel war sie schon dort oder rauschte zumindest auf einen kurzen Plausch herein. Nicht zuletzt deswegen kamen beachtliche Spendenmengen in allen Größenordnungen zusammen.

Ein weiterer, eng mit der Nachwuchspflege verbundener Arbeitsschwerpunkt waren Weichenstellungen für die Musikstadt Hamburg, aufgehängt an der Prestige-Baustelle Elbphilharmonie . Mit jeder neuen Preissteigerung, mit jeder weiteren Planungspanne aber wurde die Kultursenatorin dünnhäutiger. Nicht nur ihre kleine Behörde war und ist mit diesem Jahrhundertprojekt überfordert, die Senatorin selbst verrannte sich in Ausflüchte und Entschuldigungen.

Den kollektiven, öffentlichen Protest vieler Kulturschaffender gegen Etatkürzungen im letzten Herbst versuchte sie nach dem Happy End vor allem als ihren eigenen Verhandlungserfolg zu verkaufen. Auch beim Streit um das historische Gängeviertel und dem "Not in our Name"-Protestmanifest gegen die städtische Vereinnahmung von Kreativen hatte sie mit der Taktik, Kritik als Unterstützung zu deuten, zu punkten versucht.

Einige Wochen nach ihrem Amtsantritt 2004 wurde Karin von Welck gefragt, welchen Titel ihre Biografie trage solle. Ihre Antwort: "Es hat sich gelohnt". Heute würde sie dieser Überschrift vielleicht ein Fragezeichen hinzufügen.