Beamte frustriert: Seit mehr als vier Jahren schieben sie einen gewaltigen Überstundenberg vor sich her. Besserung ist nicht in Sicht.

Hamburg. Gut 800.000 Überstunden schieben Hamburgs Polizisten vor sich her. Seit mehr als vier Jahren ist das so. Jetzt können einige dieser Stunden bezahlt werden. Die Innenbehörde hat eine Million Euro bereitgestellt, um die Arbeit der Ordnungshüter endlich zu entgelten. Polizei-Pressesprecher Ralf Meyer bestätigt: "Das Geld ist da."

+++ Polizei beklagt Großeinsatz: „Belastungsgrenze überschritten" +++

Gut 800.000 Überstunden: Das entspricht etwa der Jahresarbeit von 400 Polizisten - wenn sie jeden Tag pünktlich Feierabend machen würden. Eine nennenswerte Reduzierung dieses Bergs ist mit einer Million Euro aber offenbar nicht möglich. Freddi Lohse vom Vorstand der Gewerkschaft DPolG sagt: "Das Geld reicht für rund 60.000 Überstunden. Allein im Mai sind aber nach unserer Schätzung 150.000 neue Überstunden dazugekommen. Wenn wir die Serie von Autobrandstiftungen nicht schnell beenden, sehe ich die Gesundheit einiger Kollegen in Gefahr. Eigentlich brauchen wir 300 bis 500 zusätzliche Beamte."

Die nächtlichen Einsätze der "Besonderen Ablauforganisation Florian" - so die interne Bezeichnung - belasten die Polizei seit gut fünf Wochen. Erst waren es 100, nun sind es sogar 200 Polizisten, die unterwegs sind, um die Brandstifter festzunehmen. Gelungen ist das bislang noch nicht. Einige Sondereinsätze kamen im Mai noch hinzu, zum Beispiel die Krawalle im Schanzenviertel und die Absicherung der Innenministerkonferenz in Hamburg. Ob sich die Beamten die Überstunden bezahlen lassen wollen, können sie selbst entscheiden. Die bei vielen Polizisten eigentlich beliebtere Alternative heißt: abbummeln.

Angesichts der momentanen Arbeitsbelastung ist dies natürlich schwierig. Einer Anfrage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Dressel vom Februar ist zu entnehmen, dass zwar Monat für Monat Überstunden abgebummelt werden. Die Zahlen bewegten sich im Jahr 2009 zwischen 35.000 und 51.000. Weil jedoch jeden Monat auch neue Überstunden hinzukommen, ändert sich an der Gesamtmenge wenig. Schon Ende Januar 2006 hatte die Polizei 823.000 Überstunden vor sich her geschoben. Seit Anfang 2006 bis jetzt ist dieser Wert nur in einem einzigen Monat unter die 800.000er-Grenze gefallen - im Mai 2006. Und das, obwohl in den vergangenen Jahren immer mal wieder zusätzliches Geld investiert wurde, um Mehrarbeit abzugelten.

Andreas Dressel, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, moniert: "Die Bereitschaftspolizisten kommen nicht mehr aus den Stiefeln." Es sei jetzt erst einmal wichtig, dafür zu sorgen, dass nicht immer mehr Überstunden hinzukämen. "Da geht es dann auch darum, Personal von den Verwaltungsbereichen in den Vollzugsbereich umzuschichten", sagt er.

Da helfe die aktuelle Auszahlung von einer Million Euro wenig. Ohnehin haben diese gelegentlichen Geldanweisungen - im vergangenen Jahr sollen es zwei Millionen Euro gewesen sein - für Hamburgs GdP-Chef Uwe Koßel nur Alibi-Charakter. "Natürlich ist es gut, dass jetzt Geld da ist", sagt er. "Aber es ist doch jedes Jahr die gleiche Prozedur. Kurz vor Erreichen der Grenze von einer Million Überstunden wird Geld lockergemacht, damit die Medien keine Schlagzeile bekommen."

Freddi Lohse von der Konkurrenzgewerkschaft DPolG befürchtet, dass die Zahl der Überstunden in den kommenden Wochen und Monaten noch deutlich anwachsen wird. "Nach der Kritik an der Einsatztaktik der Polizei bei den Krawallen im Schanzenviertel ist die Polizeiführung doch übervorsichtig", meint er. "Da werden jetzt bei jedem Einsatz jede Menge Reserven vorgehalten. Die Kollegen können sich auf schlimme Zeiten gefasst machen."