Ohne eine starke Universität kann die Transformation von einer dienstleistungs- zu einer wissensbasierten Wirtschaft nicht gelingen.

Hamburg. Der Gebäudebestand der Universität bedarf weitgehender Sanierung und Erneuerung. Deshalb wird in der Hansestadt seit geraumer Zeit heftig über die Zukunft der Universität diskutiert. Beteiligt sind in diesem Fall nicht nur die üblichen Verdächtigen aus Politik und Wissenschaft. Vor dem Hintergrund des stadtentwicklungspolitischen Schreckgespenstes eines Umzugs der Universität in den Hafen sieht sich die gesamte Hamburger Kaufmannschaft herausgefordert, die zukünftige Ausgestaltung ihrer Universität offensiv zu begleiten. So hat die Handelskammer Hamburg eine bemerkenswerte Studie zur Zukunft der Universität veröffentlicht. In der geht es zwar vordergründig um die Standortfrage, aber die vorangestellte Analyse ist differenziert und inhaltlich auf hohem Niveau. Ob die Wissenschaftssenatorin mit ihrer Vision des universitären Sprungs über die Elbe bewusst das Interesse der Wirtschaft an Wissenschaft in bislang nicht da gewesenem Ausmaß wecken wollte, bleibt ihr Geheimnis. Ein großer Erfolg ist es aber auf jeden Fall. Denn die Universität Hamburg kann nur erfolgreich sein, wenn sie aus dem Schattendasein eines eher tolerierten Übels heraustritt und auch die Hamburger Wirtschaftselite begreift, dass ohne eine starke Universität die Transformation von einer dienstleistungs- zu einer wissensbasierten Wirtschaft nicht gelingen wird. Hamburg braucht die breite Universität, und die Universität braucht ganz Hamburg.

"Unsere Universität braucht Anschluss an die Spitze, aber sicher nicht an seeschifftiefes Wasser", äußerte sich treffsicher Frank Horch als Präses der Handelskammer vor der "Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns" Silvester 2009. Zutreffend ergänzte er, Hamburg benötige beides: einen zukunftssicheren Hafen und eine gut aufgestellte Universität. Deren Exzellenz sei weniger durch den Bau- als durch den Lehrkörper geprägt. Die Erkenntnis, dass Exzellenz vor allem mit der Auswahl des richtigen wissenschaftlichen Spitzenpersonals zu tun hat, ist nicht neu. 2008 stellte Ernst-Ludwig Winnacker, ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgesellschaft, fest, die im internationalen Vergleich eher geringe Leistungsfähigkeit deutscher Hochschulen beruhe vor allem auf dem antiquierten Berufungsverfahren. Dieses basiert immer noch auf Öffentlicher Ausschreibung und Bewerbung. "Die Besten blieben ausgeschlossen", so Winnacker wörtlich. Anstatt passiv zu hoffen und zu warten, empfiehlt er eine aktive Strategie der Direktansprache. Klar ist, der Berufungsprozess muss entschlackt und von sachfremden Erwägungen befreit werden. An der Berufung beteiligt sein sollte deshalb ein möglichst kleines Gremium von Lehrern und Forschern, die aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit Exzellenz in Forschung und Lehre unter Beweis gestellt haben. Trotz vieler Fortschritte in den letzten Jahren hat unsere Universität diesbezüglich noch einige Hausaufgaben zu erledigen.

Natürlich brauchen exzellente Köpfe einen geeigneten Rahmen. Dazu gehören personelle Ausstattung, räumliche Umgebung, technische und apparative Ausrüstung auf dem neuesten Stand. Dieser Forderung wird die Hamburger Universität vielfach nicht gerecht. Das Bild ist bei näherem Hinsehen allerdings keineswegs so homogen desolat wie oftmals behauptet. So gibt es durchaus gut ausgestattete Bereiche mit viel inhaltlicher Exzellenz, die sich jederzeit mit den Besten messen können. Oftmals fehlt es leider noch an der für nachhaltigen Erfolg und Anerkennung wichtigen Vernetzung. An die Stelle der zurzeit geführten Umzugsdiskussion sollte die Erarbeitung zielgerichteter Perspektiven zur Stärkung und Vernetzung vorhandener Exzellenz, wie zum Beispiel in der Physik oder den Lebenswissenschaften, rücken. Dann würde schnell klar, dass die zurzeit diskutierte 'Teillösung' in dem die MIN-Fakultät (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften) isoliert auf die andere Seite der Elbe zieht, zu einer Schwächung der inhaltlichen Synergien von Exzellenzschwerpunkten in eben diesen beiden Bereichen führen würde.

Wichtig ist nun, die Gunst der Stunde, in der die Zukunft von Forschung und Lehre die Aufmerksamkeit der gesamten Stadt auf sich gezogen hat, konstruktiv zu nutzen. Hier ist die Universität selber gefordert, mit eigenen Ideen zu überzeugen. Für bestehende und zukünftige Exzellenzbereiche müssen mit Maßnahmen hinterlegte Perspektiven entwickelt werden, die nicht polarisieren, sondern begeistern. Da die Wissenswelt der Zukunft weniger durch institutionelle als durch thematische Klammern geprägt sein wird, sollte bei der Frage der Unterbringung vor allem thematisch-inhaltliche Nähe die zentrale Rolle spielen. Die an vielen Orten bereits erfolgreich umgesetzte Strategie einer räumlichen Cluster-Bildung zur Unterstützung von inhaltlichen Schwerpunkten muss auch in Hamburg eine Umsetzung erfahren. Eine Unterbringung der Physik in Bahrenfeld in unmittelbarer Nähe zu Desy mit all seinen weltweit einmaligen Möglichkeiten sollte deshalb offensiv geprüft werden. Die LifeScience nahe Biologie und Chemie empfehlen sich für ein gemeinsames Life Science Center in unmittelbarer Nachbarschaft der medizinischen Forschung am UKE. Nach den erfolgreichen Um- und Neubauten der letzten sechs Jahre gibt es hier entsprechenden Platz. Zumindest oberflächlich betrachtet würde eine derartige räumliche Cluster-Bildung inhaltliche Exzellenz mit Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit verbinden.