Es hat länger gedauert - doch gestern konnte an Hamburgs neuem Wahrzeichen das erste Fassadenteil aus Glas eingesetzt werden.

Hamburg. Aus 40 Meter Höhe schauen die Bauarbeiter, vom Boden aus die Schaulustigen auf das Glasteil, das da vorne am Kran hängt. Zentimeter um Zentimeter schiebt es sich nach oben. Per Funkgerät halten die Arbeiter mit dem Kranführer Kontakt, dirigieren jede Bewegung. Nach einer Viertelstunde haben sie es geschafft: Das erste Fenster der Elbphilharmonie ist in Position. Jetzt kommt nur noch die Feinjustierung, die noch einmal mehr als eine Stunde dauert. Einige der polnischen Spezialisten legen sich sogar auf den Boden und robben bis ans hölzerne Geländer heran, um das Glasteil millimetergenau einzupassen.

An der Fassade der Elbphilharmonie muss alles sitzen. Schon die kleinste Abweichung würde dazu führen, dass nichts mehr passt. Denn die speziell für das Riesenbauwerk entworfenen Fenster sind alle unterschiedlich, und jedes muss an seine bestimmte Stelle - das erste an die Ostseite, in den neunten Stock. "Jede der 1089 Scheiben ist ein Unikat", sagt Bernd Pütter, Sprecher der Hochtief Constructions AG, die die Elbphilharmonie baut.

Die Glaselemente, die bis zu fünf mal sechseinhalb Meter messen, sind aus zwei Gründen etwas Besonderes: wegen des Designs und der Dämmung. Sie bestehen aus zwei Scheiben, die wiederum je vier Schichten stark sind. Die äußere Scheibe ist mit grauen sogenannten Chromopunkten bedruckt, die die Sonne reflektieren. Die innere hat eine spezielle Wärmedämmung; Gas zwischen den Scheiben soll die Dämmung noch erhöhen. Die allererste Scheibe gehört außerdem zu den "sphärisch gebogenen": Sie hat eine Wölbung, in der sich von innen ein kleines Extrafenster öffnen lässt - ein Service für die zukünftigen Hotelgäste im neunten Stock.

Die Fenster werden von der Firma Josef Gartner aus dem bayerischen Gundelfingen hergestellt. Als die ersten drei Scheiben vor zwei Wochen am 2. Dezember in Hamburg ankamen, hatten sie schon eine lange Reise hinter sich. Das Rohglas stammt aus Sachsen-Anhalt. Produziert werden die Scheiben in Bayern, beschichtet und bedruckt in Baden-Württemberg. Die spezielle Wölbung verpasst ihnen eine Firma im italienischen Padova (bei Venedig). Von dort reisen die Scheiben wieder zurück nach Bayern, wo sie bei Gartner in ihre Fassadenelemente eingebracht werden. Schließlich werden sie per Lkw nach Hamburg transportiert. Was ein Fenster nach dieser aufwendigen Prozedur kostet, will Pütter nicht verraten - Nur so viel: eine fünfstellige Summe.

Ab Januar sollen pro Tag sechs Fenster geliefert und in die Elbphilharmonie eingebaut werden. Auf den Einbau der ersten Scheibe mussten die Hamburger etwas länger warten. Denn am 2. Dezember war nicht klar, wer für die Abnahme der "Monorail" verantwortlich sein sollte: Hochtief oder Gartner. Die Monorail ist eine Kabine auf eisernen Schienen, die einmal rund um das Gebäude läuft. Für das erste Fenster wurde sie nicht gebraucht. Demnächst aber muss sie funktionieren. Auch jetzt ist das Ganze offenbar noch nicht geklärt. Bernd Pütter gibt sich jedoch optimistisch: "Wir werden das miteinander lösen."

Wenn alles gut geht, wird die 21 000 Quadratmeter große Fassadenfläche Anfang 2011 komplett installiert sein und dann bis zum 26. Stock reichen - im Mai 2012, so der Plan, wird die Elbphilharmonie eröffnet. "Ein schöner Tag", freut sich Heribert Leutner, Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe). "Das erste Fenster ist ein Symbol."