Muslimisches Gebetshaus in St. Georg will einen Antrag stellen, aber Bezirkschef Markus Schreiber ist gegen die Pläne.

Hamburg. Die grün und weiß angepinselten Minarette ragen kühn in den Himmel. Nicht kühner indes als ein Kirchturm. Neben der Centrum-Moschee in St. Georg liegen Bürogebäude und türkische Geschäfte, außerdem eine Polizeistation. Die Böckmannstraße geht vom Steindamm ab, nicht weit entfernt von der Moschee steht eine Kirche. Es ist eher ruhig hier, vom Steindamm dringt wenig Straßenlärm in die Seitenstraße. Bald könnte hier auch der Gebetsruf des Muezzins zu hören sein. Die Gemeinde denkt darüber nach, ihre Mitglieder künftig traditionell in das Gebetshaus zu rufen. "Wir überlegen, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen", sagt Ramazan Ucar. Der ist Vorsitzender der Islamischen Gemeinde in Norddeutschland, und die plant auch in Rendsburg, einen Gebetsruf über den Lautsprecher zu schicken. Dort hat der Plan den lautstarken Protest der Bürger hervorgerufen (wir berichteten). "In St. Georg sind wir noch in Gesprächen innerhalb der Gemeinde", erklärt Ucar, der allerdings kein Hehl daraus macht, dass manche Gemeindemitglieder auch in St. Georg den Muezzin vermissen.

Im Untergeschoss des Gebäudes, in dem sich die Moschee befindet, sind ein Restaurant, ein Café und ein Herrenfriseur. Männer eilen durch den Flur, an der Wand hängt eine Ausschreibung der Stadt Hamburg zum 4. Integrationspreis - neben vielen türkischen Plakaten. Wenn man die Männer fragt, was sie denn von den Plänen oder Wünschen halten, sagen sie alle nichts, sondern verweisen an den Vorstand. Vielleicht liegt das daran, dass ihnen das alles schon wieder zu viel ist: der Lärm um das Minarett-Verbot in der Schweiz, die Frage nach der Toleranz der Mitteleuropäer. Astrid Hassan kommt gerade vom Bäcker und läuft an der Moschee vorbei. Sie ist 58 Jahre alt und seit Langem mit einem Moslem verheiratet, sie selbst ist Christin. Hassan hat nichts gegen einen wöchentlichen Gebetsruf und findet Religionsfreiheit wichtig, sagt aber auch: "Viele Deutsche haben ein falsches Bild vom Islam. Moslems sollten sich mehr für ihre friedliche Botschaft starkmachen."

Edip Mogurtay (36), Inhaber einer Bäckerei am Steindamm, sagt: "Mich würde ein Gebetsruf in der Nähe nicht stören. Ich habe auch nichts gegen das Geläut von Kirchenglocken. Wie könnten mich da die Geräusche der Moschee nerven?" Ramazan Ucar verweist stolz auf ein Video auf YouTube: Dort kann man noch einmal das wacklige Erlebnis der Einweihung der neuen Minarette am 6. September miterleben. Damals sang ein Muezzin zur Feier des Tages, als die frisch gestalteten Schmuckstücke fertig waren. Die Moschee gibt es seit 1977, Minarette seit 1991. "Wir wollen unsere Pläne mit den Behörden abstimmen", erklärt Ucar.

Und während in islamischen Ländern der Gesang bereits in den frühen Morgenstunden zu hören ist, denkt Ucar in St. Georg nur an einen Gebetsruf zum Freitagsgebet. Das wäre dann zur Mittagszeit, für eine Dauer von drei bis vier Minuten. "Und nicht so laut, damit es die Anwohner nicht stört", bekräftigt Ucar. Markus Schreiber, Chef des Bezirksamts Mitte, wäre der richtige Ansprechpartner, falls die Gemeinde wirklich zu der Entscheidung kommt, den Ruf des Muezzins durch St. Georg zu schicken. "Es wäre zu überprüfen, ob die Lärmschutzbestimmungen eingehalten werden", sagt Schreiber. Der Behördenchef steht übrigens in regem Austausch mit der islamischen Gemeinde. Er glaubt: "Mehrheitlich wollen die Gemeindemitglieder keinen Gebetsruf."

Und Schreiber selbst ist kein Freund der vagen Pläne: "Ich würde, so man mich denn fragte, von einem Gebetsruf abraten." Auch weil nicht jeder Bürger St. Georgs das gutheißen würde. "Man hat an der Schweiz gesehen: Es gibt durchaus Mehrheiten, die so etwas nicht toll finden. Ein Gebetsruf wäre jetzt das falsche Zeichen."

"Ich persönlich habe Sympathien für die Idee", sagt dagegen Gunter Marwege, Pastor in der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde St. Georg-Borgfelde. Marwege geht davon aus, dass auch die Anwohner keine Probleme damit haben, wenn der Ruf des Muezzins erschallt - "sie sind bekannt dafür, anderen Lebensformen offen gegenüberzustehen". Auch Helmut Voigtland, Vorsitzender des Bürgervereins im Stadtteil, würde es gut finden, wenn demnächst ein muslimischer Gebetsruf in St. Georg zu hören wäre. "Bei den christlichen Kirchen läuten Glocken - warum also nicht?" Voigtland weiß aber, dass es eine wichtige Aufgabe ist, diese Toleranz gegenüber dem Islam den Bürgern zu vermitteln - "und der Gebetsruf sollte auch nur ab und zu erschallen".

Der Hamburger Künstler Boran Burchhardt ist derweil für seine bemalten Minarette der Moschee in St. Georg gestern mit einem Preis ausgezeichnet worden. Der 36-jährige Künstler aus Hamburg hatte die beiden 20 Meter hohen Türme zum Kunstprojekt erklärt und mit grünen Sechsecken bemalt. Anfang September wurden die beiden 7,5 Tonnen schweren Türme dann vor den Augen der Mitglieder der Gemeinde wieder aufgestellt. Die spektakuläre Aktion hatte in der Türkei für Aufsehen gesorgt - wofür sicherlich auch gesorgt wäre, wenn in Hamburg künftig der Gesang des Muezzins zum Gebet riefe. "Wir sind noch längst nicht so weit", sagt Ucar, "aber 2010 könnte es einen Vorstoß in diese Richtung geben."