Für Finanzsenator Michael Freytag gab es in dieser Woche wenigstens eine gute Nachricht. Er wurde am Freitag wiedergewählt.

Hamburg. Doch auch das Positive offenbart für den Senator auf den zweiten Blick nur Probleme: Die HGV macht in diesem Jahr rund 100 Millionen Euro Verlust - unter anderem, weil die krisengeschüttelte HSH Nordbank keine Dividende an den Eigentümer Hamburg ausschüttet. Mit anderen Worten: Die HGV vergrößert das ohnehin schon riesige Haushaltsloch, das die schwarz-grüne Koalition und ihr Finanzsenator stopfen müssen.

So ist es eben für Freytag im Moment: mehr Schatten als Licht, wohin er auch blickt. Für den Christdemokraten nähert sich ein annus horribilis, ein Schreckensjahr, wie Queen Elizabeth es einmal ausdrückte, dem Ende zu. Freytags bisweilen glückloses Agieren während des HSH-Nordbank-Desasters hat ihn in den Augen vieler Parteifreunde die Rolle des Kronprinzen, also des aussichtsreichsten Nachfolgers von Ole von Beust im Amt des Bürgermeisters, gekostet.

Auch wenn dem Finanzsenator bislang keine gravierenden Fehlentscheidungen in Sachen HSH Nordbank vorgeworfen werden: Das Abendblatt berichtete in dieser Woche über Spekulationen, Freytag könnte kurzfristig seinen Platz im Senat räumen und an die Spitze der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga wechseln.

Wie sehr sich Macht und Einfluss des den Ämtern nach starken Mannes in der Koalition verändert haben, zeigte die schwarz-grüne Haushaltsklausur zum Sparprogramm für die nächsten Jahre am Dienstag und Mittwoch. Staatsrat Volkmar Schön, Chef der Senatskanzlei, und nicht Freytag führte bei den Beratungen die Regie, wie es seinem Amt als Finanzsenator entsprochen hätte. Pikant ist, dass die beiden einander von Herzen abgeneigt sind. Da mag die Chemie nicht stimmen, die Kompetenz des anderen bezweifelt werden oder gefühlte intellektuelle Überlegenheit eine Rolle spielen. "Das ist eine Mischung aus allem", sagt ein Insider.

Nun ist Schön nicht irgendwer, auch wenn er öffentlich kaum in Erscheinung tritt. Der Archäologe hält für von Beust die Fäden der Macht im Rathaus zusammen. Dabei verfügt er über erhebliche administrative Erfahrung: Schön ist neben Finanz-Staatsrat Robert Heller als einziger aus dem Team von Senatoren und Staatsräten übrig, mit denen Bürgermeister von Beust am heutigen Sonnabend auf den Tag genau vor acht Jahren gestartet ist. Und: Der Staatsrat unternimmt als einer der engsten Vertrauten des Senatschefs nichts ohne dessen ausdrückliche Billigung. Die eher passive Rolle des Finanzsenators könnte auch schon eine Art von stillem Rückzug aus dem Amt sein.

Freytags Lage wird dadurch nicht erleichtert, dass auch sein Verhältnis zu CDU-Fraktionschef Frank Schira durchaus getrübt ist. Schira setzt immer mal wieder Nadelstiche gegen seinen Amtsvorvorgänger Freytag. So berichten Teilnehmer der Klausur, dass Schira deutlich gemacht habe, dass die Unions-Fraktion die IT-Projekte der Finanzbehörde für zu teuer hält. Das ist sicherlich ein Nebenschauplatz, hat aber symbolische Wirkung.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass zwischen Schira und Freytag Konkurrenz im Rennen um die Nummer zwei in der CDU-Hierarchie herrscht, zumindest herrschte. Dennoch darf dem Fraktionschef kaum unterstellt werden, er habe Interesse an einer Nachfolge Freytags als Finanzsenator. Es dürfte überhaupt kaum einen politischen Profi drängen, den Posten am Gänsemarkt in der jetzigen Lage zu übernehmen. Da ist die derzeit noch völlig ungelöste Sparproblematik und der zweifelhafte Titel des größten Schuldenmachers der vergangenen 60 Jahre - ein Titel, den Freytag bei einem Rücktritt einfach an seinen Nachfolger weiterreichen würde. Und: Die HSH Nordbank bietet auch für jeden neuen Finanzsenator weiterhin unkalkulierbare Risiken. Die Unattraktivität des härtesten Jobs im Rathaus könnte fast eine politische Lebensversicherung für Freytag sein, wenn er denn weitermachen will.

Unabhängig von einem konkreten Termin für eine mögliche Demission Freytags laufen natürlich Überlegungen für einen solchen Tag X. Das entspricht nur vorausschauendem politischen Handeln. Angesichts der drängenden und komplizierten Probleme des Finanzressorts, die keine lange Einarbeitungszeit erlauben, müsste ein Nachfolger aus dem inneren Zirkel der Macht kommen. Das spräche für einen Senator oder Staatsrat.

Wenn in diesem Zusammenhang der Name von Sozial- und Gesundheitssenator Dietrich Wersich fällt, dann hätte das aus Sicht Ole von Beusts einen interessanten strategischen Aspekt: Wersich wäre automatisch in den Kreis der Aspiranten um eine von-Beust-Nachfolge aufgerückt. Je mehr Kronprinzen es gibt, desto weniger bedrohlich kann ein einzelner werden. Nach dem Prinzip "Teile und herrsche" ist der Bürgermeister auch schon früher vorgegangen. Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), dem ein kometenhafter Aufstieg vom Landrat zum Senator gelang, weiß das. Heute ruht das wohlgefällige Auge des Chefs weniger auf seinem einstigen Shootingstar.