Olaf Scholz hat den Wahlkreis dreimal gewonnen. Marcus Weinberg (CDU) hat zu kämpfen - auch gegen die Wut auf die Schulreform.

Hamburg. Mit Olaf Scholz ist es ein wenig so wie mit der Fabel vom Hasen und Igel: Wo man in Altona in diesen Tagen hinkommt - er ist schon da: Von den vielen großen Plakaten blickt der SPD-Arbeitsminister wissend, freundlich, aber auch irgendwie bedeutungsschwer herunter. Ein Gefühl von Beobachtung müssen daher wohl die beiden Wahlkämpfer an diesem sonnigen Vormittag an der Blankeneser Bahnhofstraße ertragen: Auf der einen Ecke am Markplatz steht die FDP-Direkt-kandidatin Katja Suding und verteilt Flugblätter, gegenüber müht sich Marcus Weinberg von der CDU. Olaf Scholz steht daneben - als Plakat. Er ist im Wahlkreis Altona so etwas wie der Platzhirsch. Seit 1998 gewinnt der 1958 geborene Scholz den Wahlkreis mit satter Mehrheit immer direkt, zuletzt mit 45,9 Prozent. Dennoch gilt Altona neben Nord als so ziemlich einziger Bezirk, wo es der CDU gelingen könnte, der SPD ein Direktmandat abzujagen. 1987 hatte es der CDU-Politiker Jürgen Echternach hier einmal geschafft. Marcus Weinberg weiß um diesen Druck. In leicht kämpferischer Haltung versucht er zu überzeugen; ein politisches Energiebündel, das vom Habitus an den Ex-Bahnchef Mehdorn erinnert. Und doch ganz anders ist. Der gelernte Lehrer Weinberg gehört zum Arbeitnehmerflügel seiner Partei, Sozialpolitik sei ihm ernst, sagt er. Ein älterer Mann glaubt ihm das nicht: SchwarzGelb werde die sozialen Errungenschaften dieses Landes zurückschrauben, schimpft er. Marcus Weinberg ist sichtbar getroffen. "Das kann mich auf die Palme bringen." Dieses Lagerdenken sei doch falsch. "Die CDU ist doch der Garant, dass soziale Belange wichtig bleiben."

Es ist nicht das einzige Mal, dass er sich verteidigen muss an diesem Vormittag. In den gut situierten Elbvororten ist der Widerstand gegen die schwarz-grüne Schulreform in Hamburg hoch. Und ausgerechnet Weinberg muss nun die eigene Klientel davon überzeugen. Er versucht dabei erst keine Worthülsen-Akrobatik. Der Fußballfan beweist Steherqualität: "Ich bin von dem längeren, gemeinsamen Lernen überzeugt - auch wegen meiner eigenen Erfahrungen", sagt er. Tatsächlich hat Weinberg in einem Gymnasium ebenso gearbeitet wie in einer Haupt- und Realschule, bis er 2005 in den Bundestag einzog.

Doch er weiß auch, dass diese Schulreform ihm hier im Westen Altonas Stimmen kosten wird. Daran arbeitet die junge FDP-Politikerin Katja Suding gleich gegenüber am FDP-Stand. PR-Spezialistin, 33 Jahre alt, selbstständig. zwei kleine Kinder, Joggen und Golf als Hobby - die in Vechta geborene Liberale dürfte gerade in den Elbvororten viele Wähler erreichen, die ähnlich denken und um die Zukunft der Gymnasien fürchten. Das Anspruchsdenken an den Staat sei zu groß geworden, Sozialabgaben zu teuer - die FDP-Programmatik kann sie energisch vertreten und bekommt hier oft Zustimmung. 2005 ist sie erst der FDP beigetreten und schon Mitglied im Landesvorstand.

Während Weinberg und Suding in Blankenese ihre Faltzettel verteilen, steht Olaf Scholz an diesem Sonnabend in Bahrenfeld vor dem kleinen Einkaufszentrum an der Paul-Dessau-Straße. Ein wenig anders ist es dort schon als bei den anderen Kandidaten. Dezent parken in der Nähe zwei schwere, dunkle Limousinen mit Berliner Nummer. Drei Herren in dunklem Jackett scannen die Lage. Und auch ein Scholz-Mitarbeiter passt auf: "Sie wollen ein Statement? Das muss ich zunächst mit dem Ministerium abklären." Die Bürger haben es da einfacher: Eine Frau will vom Minister wissen, was für unterbezahlte Honorarkräfte getan wird, die sich von Job zu Job hangeln müssen in diesen Zeiten. Lange spricht Scholz mit ihr. "Ich bin überrascht, welche kompetente Antworten er geben kann", lobt sie. Ohne Zweifel kennt sich der gelernte Arbeitsrechts-Anwalt mit solchen Fragen aus. Und auch zu Altonaer Themen weiß er die Antworten. Oft ist Scholz in seinem Wahlkreis - nicht nur als Plakat. Nachbarschaftsgespräche, Stadtteiltreffs - das hat Scholz zur Institution seiner Arbeit vor Ort gemacht.

So verankert ist die Altonaer Grünen-Kandidatin Katharina Fegebank noch nicht, wie sie selbst sagt. Doch das gleicht sie mit einer neuen Art Wahlkampf aus. Im grünen Ottensen geht sie mit GAL-Freunden auf Wahl-Kneipentour. "Guten Tag, ich bin die grüne Direktkandidatin", stellt sie sich fröhlich am Tresen vor. Ob Szenegastronomie oder Marktschänke, wo gerade "Die schöne Fischerin" aus der Jukebox dröhnt - die 32-Jährige mit Schwimmtrainer-Lizenz und Werder-Bremen-Dauerkarte stürzt sich sportlich in das Wahl-Abenteuer. Auch sie ist erst seit 2004 in der Partei und jetzt schon Landesvorsitzende in Hamburg. Studiert hat sie in Freiburg Politik, danach viele Praktika und Jobs bei verschiedenen Institutionen, auch im Ausland, absolviert. Internationale Politik, grüne Werte - damit kann sie in den Kneipen punkten, mit speziellen Altonaer Fragen nicht immer.

Das ist bei der Linken schon anders. Ihr Altonaer Direktkandidat Bernhard Müller spielt am Info-Stand die Altona-Karte geschickt aus, um hier Stimmen zu bekommen. Gegen Ikea, gegen die Bebauung des Buchhofwaldes an der Osdorfer Landstraße, gegen die Schließung von Bücherhallen in Iserbrook und Rissen - überall wo Bürgerbegehren anstehen, sind Müller und die Linke dabei. "Uns wird vorgeworfen, dass wir das instrumentalisieren", sagt Müller, der als Redakteur für die Zeitschrift "Sozialist" arbeitet. "Aber Bürgerwille und Transparenz sind unsere politischen Ziele" Überhaupt, glaubt er, sei die Zeit reif für einen Politikwechsel im Land. Darüber habe er mit Olaf Scholz früher, als der heutige Minister noch linker Vize-Jusochef war, auch schon diskutiert. "Doch das sieht er heute wohl anders", sagt Müller und blickt auf das große, rote Plakat, das da direkt gegenüber vom Linke-Stand am Ottensener Spritzenplatz aufgebaut ist: Olaf Scholz blickt ihn darauf direkt an, so scheint es. Er ist eben überall hier im Wahlkreis.