Als “vorbildlich“ lobte Ministerin von der Leyen Hamburgs Familienpolitik. Doch Eltern üben noch viel Kritik.

Das Lob von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Familienpolitik der Hansestadt sei bundesweit "vorbildlich", deckt sich nur zum Teil mit den Erfahrungen Hamburger Eltern. Das Abendblatt hat sich gestern Nachmittag auf dem Spielplatz in Planten un Blomen umgehört - und dabei neben Zustimmung auch einige Kritik an den Worten der Bundesfamilienministerin gefunden:

Nicht ganz so jubeln wie Ursula von der Leyen mochte zum Beispiel Anne Engbert, eine 32 Jahre alte Visagistin aus Rotherbaum. Sie sagte: "Auch in Hamburg ist in Sachen Familienpolitik nicht alles rosig. Beispielsweise gibt es hier nach wie vor viel, viel zu wenige Kita-Plätze - so musste ich auf einen Platz für meine vierjährige Tochter Paula rund anderthalb Jahre warten und immer wieder hartnäckig fragen, wann wir denn nun endlich mal an der Reihe seien. Außerdem ist die Kinderbetreuung in Hamburg zu teuer!" Ähnlich äußerte sich Ingo Landschoof, 43 Jahre alter Produktioner aus Eimsbüttel und Vater dreier Kinder zwischen zwei und acht Jahren: "Mit dem privaten Hort und der privaten Kita, in die meine Frau und ich unsere Kinder geben, sind wir sehr zufrieden - weil unser Nachwuchs nun auch tatsächlich dort betreut wird und nicht mehr bis in alle Ewigkeit auf einen Platz warten muss. Das ist aber leider nicht selbstverständlich, und daher muss die Hamburger Politik noch viel mehr Kita-Plätze und auch viel mehr Erzieher-Stellen schaffen."

Die 52 Jahre alte gelernte Erzieherin und heutige Angestellte Kristina Seefeld-Spinger aus Eimsbüttel plädierte darüber hinaus für eine größere Anerkennung des Erzieher-Berufs: "Erzieher gibt es zu wenige, sie sind oft überfordert und unterbezahlt." Seefeld-Spinger, selbst Mutter und Großmutter, weiter: "Ich finde, dass die Politik insgesamt mehr für Kinder tun sollte, denn die sind unsere Zukunft. Um Kindern mehr Bildung zukommen zu lassen, könnte man zum Beispiel einheitlich niedrige Kinder-Eintrittspreise für Kultur-Erlebnisorte wie Museen, Theater oder Tiergärten einführen."

Doch es gab auch Anerkennung für Hamburgs Familienpolitik. So sagte Jutta Kolb, 41 Jahre alte Ärztin aus Eppendorf und Mutter zweier Töchter: "Auch wenn's noch viel zu verbessern gibt - im Vergleich zu ländlichen Regionen ist Hamburg schon sehr gut mit Kinder-Betreuungsmöglichkeiten versorgt."

Nach Ansicht der Opposition zeigt das Leyen-Lob nur eine Seite der Medaille. Obwohl es Grund zur Freude gebe, dass Hamburg im Bereich rechtlich garantierter Betreuungsansprüchen für Kinder führend sei, falle das breite Angebot zulasten der Qualität. "Um die rechtlichen Ansprüche zu erfüllen, hat der Senat die personelle Besetzung in den Kitas deutlich verschlechtert", sagte SPD-Familienexpertin Carola Veit dem Abendblatt. Die festgelegten Gruppengrößen, jeweils 25 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, seien zu groß für eine angemessene pädagogische Betreuung. "Zu wenige Erzieher müssen sich um zu viele Kinder kümmern", sagte Veit mit Blick auf den Länderbericht der Bertelsmann-Stiftung, wo Hamburg in dieser Kategorie bundesweit nur im unteren Drittel liegt. Besonders stark davon seien Kinder aus sozial benachteiligten Gebieten betroffen. "Ankündigungen des Senats, etwa die Betreuung von Kindern mit Sprachproblemen aufzustocken, sind bisher keine Taten gefolgt", sagt Veit. Anträge der SPD, in Stadtteilen mit niedrigem Sozialindex die Gruppen zu verkleinern, habe die schwarz-grüne Koalition bisher abgelehnt.

Alarmierend seien zudem Engpässe in einigen Stadtteilen, deren Folge "lange oder sogar geschlossene Wartelisten" seien. Hier fehle ein klares Konzept für den größtenteils durch Bundesmittel geförderten Ausbau des Netzes von Krippen.

Laut Statistischem Bundesamt lag die Zahl der Geburten je 1000 Einwohner im Jahr 2008 in Hamburg mit 9,5 höher als in allen anderen Bundesländern. Zudem stieg in Hamburg - übrigens als einzigem der alten Bundesländer - die Geburtenzahl von 16 727 im Jahr 2007 leicht auf 16 751 im vergangenen Jahr an. Bundesministerin Ursula von der Leyen hatte im Interview mit dem Abendblatt daher die Familienpolitik von Bürgermeister Ole von Beust, ihres Parteikollegen, gelobt: Sein "konsequenter Einsatz" für die Kinderversorgung trage nun Früchte. Von der Leyen hob hervor, dass Hamburg als einziges Bundesland bereits jetzt mehr als 20 Prozent der kleinen Kinder bis drei Jahre einen Krippenplatz anbiete. Hintergrund ist die sogenannte "Hamburger Garantie", die jedem Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr eine Betreuung garantiert - und zwar in dem "zeitlichen Umfang, den die Sorgeberechtigten wegen Berufstätigkeit, Ausbildung oder Arbeitsmarktmaßnahmen" brauchen.