Hamburg hat ein neues Wahlrecht. Die Bürgerschaft hat gestern Abend das Wahlgesetz bei einer Gegenstimme und die erforderliche Verfassungsänderung einstimmig beschlossen.

Im Kern stärkt das Wahlrecht die Wahlmöglichkeiten bei den Kandidaten und schwächt den Einfluss der Parteien.

Jeder Wähler hat fünf Wahlkreisstimmen, die er auf einen oder mehrere Kandidaten verteilen kann. Außerdem gibt es fünf Landeslistenstimmen, die auf einen oder mehrere Kandidaten oder aber eine oder mehrere Parteilisten verteilt werden können. Das Wahlrecht wird exakt auf die Bezirksversammlungswahlen übertragen. Hier gilt eine Drei- statt der Fünf-Prozent-Hürde. Für jede Änderung des Wahlrechts ist jetzt eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Bürgerschaft erforderlich.

Die Entstehung des neuen Wahlrechts ist ungewöhnlich. Mehrere Monate lang hatten sich die vier Fraktionen in der Bürgerschaft bemüht, einen Kompromiss mit der Volksinitiative "Mehr Demokratie" zu finden. Vor allem CDU und SPD hatten das Interesse, den Volksentscheid über das sehr weit reichende Modell der Initiative zu einer Wahlreform zu vermeiden. Deswegen waren die beiden großen Parteien zu großen Zugeständnissen bereit.

Eine treibende Kraft der Einigung und Mittler zwischen beiden Seiten war der GAL-Verfassungsexperte Farid Müller.

Der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer lehnte das neue Wahlrecht ab, weil Bürgerschafts- und Bezirkswahlen in Zukunft getrennt abgehalten werden sollen. "Das ist mit der Einheitsgemeinde Hamburg nicht vereinbar", sagte Böwer. Jana Schiedek, Dirk Kienscherf und Carola Veit (alle SPD) enthielten sich.

"Ein jahrzehntelanger Kampf um ein demokratischeres und bürgernäheres Wahlrecht ist ganz unspektakulär zu Ende gegangen", sagte Manfred Brandt von der Initiative "Mehr Demokratie".