Zwei Tage lang war die Hamburger Delegation in Österreich nur freundlich hofiert worden, hatte Hunderte Hände geschüttelt, hatte Forschungsinstitute, Rathäuser, Ministerien, Restaurants, eine Bank und ein Schloss abgeklappert, hatte Kooperationsabkommen unterzeichnet und Dutzende “gute Gespräche“ geführt.

War in Wien im Stechschritt zu Fuß durch das Zentrum gehetzt, um von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) jovial mit einem Viertel "G'spritzter" in der Hand empfangen zu werden. Anstrengend, aber überwiegend Wohlfühltermine. Doch beim 14. von 15 Programmpunkten in weniger als 48 Stunden war dann Schluss mit lustig. Ein "Logistikgespräch" stand an, hochkarätig besetzt. Bürgermeister Ole von Beust, Europa-Staatsrat Carsten Lüdemann (beide CDU), Hamburg-Port-Authority-Geschäftsführer Jens Meier, HHLA-Vorstandschef Klaus-Dieter Peters, Hamburg-Hafen-Marketing-Vorstand Claudia Roller sowie Eberhard Koch, Hafenbeauftragter des Deutsche-Bahn-Vorstands, saßen Bossen der Österreichischen Bundesbahn, der Logistikriesen Schenker und Kühne + Nagel und des Wiener Hafens gegenüber. Und die redeten nicht lange um den heißen Brei herum. Ob Hamburg denn noch ein verlässlicher Partner für Österreich sei, es habe da doch Abfertigungsprobleme gegeben. Man habe in Wien ein "Imageproblem", stellte ein Hamburger Teilnehmer später fest. Tatsächlich standen Güterzüge aus dem Alpenländle zu Boomzeiten des Hafens aufgrund der überlasteten Hinterlandinfrastruktur mehrfach im Stau.

Dazu muss man wissen: Österreich wickelt mehr als ein Drittel seines Exports über Hamburg ab, Waren in Containern werden gar zu mehr als 50 Prozent über die Hansestadt verschifft. 260 000 Standardcontainer (TEU) pro Jahr verlassen Hamburg in Richtung Österreich oder kommen von dort. Bezogen auf die rund zehn Millionen TEU, die der Hafen im Jahr umschlägt, ist das nicht viel, doch Wien hat beste Beziehungen zu osteuropäischen Ländern wie Slowenien, Tschechien oder der Ukraine - und die ganze Region zu verprellen, kann sich Hamburg nicht leisten. Konkurrenten wie Rotterdam und Triest (Italien) sollen sich schon als Ersatz angeboten haben. Dass 2008 deutlich weniger Kisten auf der Schiene zwischen dem Hafen und Österreich transportiert wurden als im Vorjahr, lag zwar noch nicht an diesem "Imageverlust", sondern an der Wirtschaftskrise, aber das brisante Arbeitstreffen hatte hohe Priorität. Bezeichnenderweise war es der erste Termin der Reise, zu dem die Medien nicht mitdurften. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, aber aus Hamburger Sicht war es wohl besser so: Denn obwohl die Brisanz des Themas im Vorfeld durchgesickert war, wurde der Beust-Tross von der Deutlichkeit der Kritik überrascht. Die Gastgeber, so war zu hören, beschwerten sich geradezu bei ihren Geschäftspartnern aus dem Norden - obwoleDas mal klarzustellen, brauchte es aber schon den persönlichen Besuch des Bürgermeisters. Wie ein Teilnehmer sagte, war es auch von Beust selbst, der anfangs als Moderator die Wogen glättete. "Das Thema ist jetzt durch", hieß es. Man gründe nun eine Arbeitsgruppe, um sich künftig besser abzustimmen. Derart erleichtert, konnte man beruhigt zum Fuhrgassl-Huber fahren. In dem Heurigen-Lokal am Rande Wiens lud die Hamburger Hafen-Marketing-Gesellschaft zum zünftigen "Hafenabend" - leider mit so viel Erfolg, dass zwischen alten Holzbalken, Kamin und jede Menge Paniertem kein Durchkommen mehr war. "Kontakte" waren mehr körperlicher Art als im Sinne der Veranstaltung. Und so verpassten die meisten der Gäste auch von Beusts Begründung, warum Wien sich auf Hamburg verlassen könne. Das sei umgekehrt ja auch so. Beleg: 1857 sei die in Geldnöte geratene Hansestadt in Berlin abgeblitzt. "Aber Wien hat zehn Millionen Mark in Silberbarren nach Hamburg geschickt. Und wir haben sie zurückgezahlt!" Am Mittag, im 14. Stock der Raiffeisenbank-Zentrale, hatte der Bürgermeister vor Wirtschaftsvertretern die gleiche Anekdote vorgetragen, aber mit dem ihm eigenen Humor hinzugefügt: "Dafür meinen herzlichen Dank, auch wenn es schon eine Weile her ist."