Für 140 Millionen Euro wird die alte Oberpostdirektion umgebaut. Läden, Praxen und eine Markthalle entstehen. 30.000 Quadratmeter umgebaut.

Hamburg. Die Hamburger erhalten ein Stück ihrer Stadt zurück, das aus der Kaiserzeit stammt, zwei Weltkriege fast unbeschadet überstand und nun für 140 Millionen Euro umgebaut wird: Die alte Oberpostdirektion am Stephansplatz wird im November wieder für jedermann geöffnet. Es ist ein Kolossalgebäude, 1887 im Stil der italienischen Neorenaissance erbaut, mit Marmor, Stuck, verspiegelten Decken, Eisensäulen und goldenen Figuren, das mitten im Herzen der Stadt steht und in dem Tausende von Hamburgern gearbeitet oder ihre Briefmarken gekauft haben.

Den Prachtsaal neben der Eingangshalle bewacht Otto Fürst von Bismarck in einem überlebensgroßen Gemälde. Im Innern soll dann die Post abgehen: Die 3000 Quadratmeter große, repräsentative Eingangshalle wird wie ein Marktplatz gestaltet mit Ständen, einem Biorestaurant, Apotheke, Friseur, Kosmetikstudio und einem Lebensmittelgeschäft mit "biologischem und ökologischem Anspruch", heißt es in einer Erklärung der DWI Grundbesitz GmbH, die mit dem Generalunternehmer Aug. Prien baut und gestern mit 400 Gästen Richtfest feierte. Besonders die Nahversorgung wird die Menschen erfreuen, die in der Innenstadt arbeiten, einkaufen oder dort ihre Freizeit verbringen.

"Die Halle lädt zum Flanieren, Shoppen und Genießen ein. Entsprechend dem Nutzungskonzept, das auf das Wohlbefinden der Menschen ausgerichtet ist, wird im Restaurantbereich eine leichte, gesunde Küche angeboten werden", sagt Daniel Crasemann von der DWI. In die Markthalle gelangen die Kunden vom Gorch-Fock-Wall oder durch den Haupteingang am Stephansplatz - dort, wo die goldene Figur des fliegenden Götterboten Merkur auf dem Eckturm thront. Partner sind neben anderen das Dermatologikum Hamburg und die Apothekerin Jasmin Menk. "Die medizinische Versorgung ist vor allem im Bereich der elektiven und präventiven Medizin, der sogenannten Wahlmedizin (der Patient wählt den Zeitpunkt des Eingriffs), angesiedelt", sagt der Bauherr. Alle Praxismieter würden sich auch durch einen hohen akademischen Anspruch auszeichnen. So ist auch ein Zentrum für Forschung und Schulung geplant. Und zwar dort, wo das Gemälde des Fürsten Bismarck an der Wand hängt.

200 Arbeiter werden bis zum Ende des Jahres den ersten Bauabschnitt mit 10.200 Quadratmetern Fläche fertigstellen. Insgesamt werden 30.000 Quadratmeter umgebaut, denn es entstehen unter dem futuristischen Glasdach die ebenfalls neue, vierte Etage und eine Galerie oberhalb der Markthalle. Die Fertigstellung ist für 2014 geplant. "Die Erhaltung der prächtigen Architektur in Verbindung mit den Anforderungen moderner Nutzungen und dem besonderen Erbe, das wir an diesem Standort antraten, sind eine große Herausforderung", sagt Hendrik de Waal, Gesellschafter der DWI Gruppe. "Postpalast" nannten die Zeitgenossen vor der Wende zum 20. Jahrhundert die Oberpostdirektion am Stephansplatz, der nach Heinrich von Stephan benannt ist, dem ehemaligen Generalpostdirektor des Deutschen Reichs und "Erfinder" der Postkarte. Von Stephan hatte auch das Telefon ("Fernsprecher") eingeführt. Die Oberpostdirektion (OPD) lenkte fast 90 Jahre lang die Geschicke der Post im Dreieck zwischen Lübeck, Lüneburg und Cuxhaven. Später wurde das Gebäude zu klein, und die OPD teilte sich auf mehrere Standorte auf. 1978 zogen 1500 Mitarbeiter in das neue Postgebäude in der City Nord. Postmuseum, Telegrafenamt blieben neben dem Postamt 36 bis zum Verkauf der Immobilie am Stephansplatz.

Die neuen Herren in dem altehrwürdigen Gebäude strahlen nicht nur eingeübten Investor-Optimismus aus. Sie sind fast euphorisch, weil die alte OPD wohl nicht zur Leerstandsimmobilie mutieren wird. Bis zum vierten Stock ist alles vermietet. "Alle sind begeistert von der Architektur", sagt Daniel Crasemann.