Wo Gastronom und Hotelier Eugen Block seine ersten Steaks briet, sind Parkplätze rar, und die Bäume haben Knutschflecke ...

Hamburg. Als Isabel Veiga sich damals bei Eugen Block vorgestellt hat, "da waren die Bäume noch ganz klein", sagt die 59-Jährige und blickt hinaus auf die Dorotheenstraße. 1972 war das. Damals kam die Portugiesin nach Hamburg und fing im Block House in Winterhude, dem Stammhaus der Steakkette, an zu arbeiten. 41 Jahre gibt es das Restaurant inzwischen, seit 37 Jahren ist Isabel Veiga dabei. Ihr Arbeitsplatz gehört zu den anstrengendsten im Restaurant: Isabel Veiga ist Grillerin und damit eine rare Ausnahme in dem Gewerbe. "Meistens machen diese Arbeit Männer, aber es gibt Gäste, die wollen ihr Steak nur von Isabel gegrillt haben", sagt Restaurantleiter Christian Müller. "Am Anfang kamen viele ältere Gäste. Dann Familien mit Kindern, und inzwischen kommen die Kinder mit ihren Kindern", sagt Karin Michels (66), Müllers Vorgängerin. "Winterhude hat sich enorm verjüngt."

Auch der Standard der Wohnungen ist heute ein anderer. Im Dorotheenbad von 1912, ein paar Häuser weiter, gibt es längst keine Badewannen mehr, sondern nur mehr Massagen, Fußpflege und Fangoanwendungen. In das ehemalige Reinigungsbad kamen früher Kunden, denen Kurbäder verordnet wurden, aber auch Anwohner, die kein eigenes Badezimmer hatten. "Bis vor etwa 15 Jahren hatten wir noch drei, vier Badewannen hier für alte Leute, die sich nicht allein in die Wanne trauten, aber das wird schon lange nicht mehr nachgefragt", sagt Karin Börm (45), die seit 24 Jahren als Masseurin und medizinische Bademeisterin hier arbeitet.

Ihr Chef Peter Schwede, hat das Dorotheenbad 1980 von seinem Schwiegervater übernommen, davor betrieb dieser es 20 Jahre lang. "Früher gab es hier sehr viele Geschäfte", erinnert sich Schwede, "einen Tabakkiosk, eine Drogerie, einen Feinkost- und einen Milchladen, eine Tankstelle. In den 80er-Jahren kam das große Sterben der kleinen Läden". Heute sind in diesem Straßenabschnitt um den Goldbekkanal vornehmlich Wohnungen, dazwischen einige Büros und in den Hinterhöfen gibt es noch vereinzelt Gewerbebetriebe. Vor vier Jahren hat das privat geführte Hotel Cristobal seine Pforten geöffnet. Neben seinen moderaten Preisen hat es ein weiteres großes Plus für seine Gäste: "Wir haben eine Tiefgarage", sagt die Empfangsdame Friederike Rentzos, die häufig die verzweifelte Parkplatzsuche vor ihrem Fenster mitbekommt und auch, dass die Polizei gern mal Falschparker aufschreibt. "Der Baum gegenüber hat schon eine Knutschecke", sagt sie, "da wo immer die Smarts parken".

Weil die Dorotheenstraße zum Wohnen so beliebt ist, soll in großem Stil neu gebaut werden. Hinter den Hochhäusern am Anfang der Straße (Hausnummern 10 bis 14) will die Robert Vogel Gmbh & Co. KG vier weitere Mietshäuser mit 80 Wohnungen bauen. Sehr zum Missfallen vieler Anwohner. Sie sind aufgebracht, weil durch die Neubauten der breite grüne Streifen am Mühlenkampkanal zu einem großen Teil vernichtet werden würde. Das ärgert auch die Hundehalter, wobei die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge auf dem Gehweg schon jetzt für Unmut sorgen. Die Bäume an der Dorotheenstraße, die sich von der Barmbeker Straße im Norden bis zur Körnerstraße nahe der Alster zieht, sind eben zu verlockend als Gassistrecke.

Die Straße hat im Verlauf ihrer mehr als eineinhalb Kilometer viele Gesichter. Am Anfang die Hochhäuser, denen ein paar Geschäftshäuser und Restaurants folgen. Schmal ist es dort, Parkplätze sind auch hier ein rares Gut. Hinter dem Poelchaukamp geht es beschaulich weiter - bis zum Krohnskamp. Dieser trennt die beiden Teile der Dorotheenstraße in den ruhigeren und den belebteren Abschnitt. Im Norden ist die Straße breiter, viele neue Läden haben sich angesiedelt. "Es gibt einige witzige neue Geschäfte", sagt Knut Hamann (61) vom Pianohaus Hamann, der dort seit elf Jahren neue und gebrauchte Klaviere anbietet.

In unmittelbarer Nähe gibt es einen Schuhladen für Kinder, hochwertige Secondhand-Mode, Zeitschriften, Biokosmetik, Pizzaservice, Asia-Imbiss, Bäcker, Friseur, Apotheke, Sparkasse, aber auch ein Kinderwagenladen, der sich auf Zwillings- und Drillingswagen spezialisiert hat.

Und wer kulinarisch in die Ferne schweifen, aber nicht das letzte Hemd dafür hergeben will, ist hier im Restaurant Marbella (Hausnummer 104) richtig. Seit 1981 verwöhnt Dario Garcia mit seiner Frau Martina die Gäste mit spanischen Spezialitäten. "Wir haben viele Stammgäste. Man muss ein gutes Preis-Leistungsverhältnis haben und gutes Essen, damit ein Lokal so lange läuft", sagt Martina Garcia-Köster. "Inzwischen kommt schon die zweite Generation zu uns".

Auch Manfred Schuler vom Il Gelato hat vorwiegend Stammgäste. Er bekommt den Wandel der Dorotheenstraße seit fast 50 Jahren mit. "Als die Straßenbahn noch hier fuhr, da sah es hier noch anders aus", erinnert sich der 69-Jährige: "Wir hatten einen Schlachter, einen Fischmann, drei Gemüsehändler, und zwei Lebensmittelläden." Er betrieb 20 Jahre einen Gemüsehandel, ehe er auf Eis umsattelte. "Damals kam Toom, die Zeit für Gemüsehändler war vorbei. Seit 1980 mache ich in Eis", sagt Schuler. In seiner Küche steht Gerät im Wert eines Mittelklassewagens, sein Eis macht er selbst. "Ich hatte einen tollen italienischen Lehrmeister, er war ein Meister der Meister", sagt Schuler stolz. Abends stapelt er vor dem Il Gelato stets die Stühle und Tische, morgens baut er seine Sitzgruppen wieder auf. "So hält das Material doppelt so lang", so Schulers Kalkül. Und halten soll es noch lang, denn ans Aufhören denkt der Eiscafébesitzer nicht: "Warum sollte ich? Soll ich Radieschen anpflanzen? Dann guck ich mir die bald von unten an."

Mit ebenso viel Herzblut betreibt Joachim Gramm sein Geschäft - die Fromagerie Francaise nahe der Barmbeker Straße. Er bietet seit 15 Jahren 200 Käsesorten an, dazu selbst gemachten Frischkäse, französische Salami, Pasteten und eine feine Weinauswahl. Solange es noch Kunden gibt, die sich nicht mit abgepacktem Käse vom Discounter zufriedengeben, werde er seinen Laden betreiben. "Und natürlich teste ich vorher selbst, was ich verkaufe", sagt Gramm und streichelt lächelnd seinen leicht gewölbten Bauch.

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