Es gibt sogar einen besonderen Entwicklungsplan für die Stadt. Rund 14.500 Bürger sind in einem der zahlreichen Vereine aktiv

Welche Bedeutung der Sport in Buchholz hat, lässt sich direkt am Straßenrand ablesen. "Sportstadt Buchholz" steht dort auf unzähligen Schildern geschrieben. Die drei anderen Dinge, mit denen sich die Nordheidestadt gerne schmückt, sind "Einkaufsstadt", "Familienstadt" und "Kulturstadt". Trotzdem spielt der Sport von diesen vieren eine ganz spezielle Rolle. Rund 14.500 Bürger, mehr als ein Drittel der gesamten Einwohnerschaft, sind Mitglieder in Sportvereinen. Die Liste reicht von den zwei großen "Gemischtwarenläden" TSV Buchholz 08 (3500 Mitglieder) und Blau-Weiss Buchholz (5500 Mitglieder) über Schützenverein und Kegelverein bis hin zu Tennisclub, Reitverein und Radsportgemeinschaft.

"Buchholz ist die Sportstadt in der Nordheide" hat die Stadt stolz auf ihre Internetseite geschrieben. Und weil das so ist, bekommt der Sport auch im laufenden Prozess des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) besonders viel Raum. Die Bürger können noch bis zum 17. August an einer Online-Umfrage zum Thema "Sport in Buchholz" teilnehmen. Parallel dazu ist Robin S. Kähler, Sportwissenschaftler der Universität Kiel, im Auftrag der Stadt dabei, ein Gutachten zum Sportentwicklungsplan zu erstellen.

Das Schriftstück soll unter anderem die Schwerpunkte benennen und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels aufzeigen, in welche Richtung sich der Sport entwickeln kann. Dafür macht sich Kähler zunächst ein Bild von den Sportstätten, befragt die Vereine zu ihrer derzeitigen Situation sowie zu ihren Erwartungen an die Zukunft. Voraussichtlich im Herbst sollen die Ergebnisse vorliegen, bevor die Debatte in Arbeitskreisen und in der Politik weitergeht.

Aus Vereinssicht gibt es zumindest einiges, was schon jetzt nicht zu übersehen ist. "Räumlich gesehen platzen wir aus allen Nähten", sagt Arno Reglitzky, Erster Vorsitzender von Blau-Weiss Buchholz. Sein Verein ist in 37 Sportarten aktiv, Schwerpunkt ist der Gesundheitssport. Das Ende der Fahnenstange ist aber noch längst nicht erreicht. "Wir könnten noch viel mehr Sport machen, aber es geht einfach nicht mehr."

Der Belegungsplan der Nordheidehalle, dem 2008 für rund 4,3 Millionen Euro teuren Schmuckstück am Holzweg, dokumentiert das Dilemma. Vom Nachmittag bis in die Abendstunden sind die Spielfelder nahezu lückenlos besetzt, einzig am Vormittag gibt es noch einige wenige Zeitfenster für Trainingswillige. Genutzt wird die Halle vor allem von Buchholz 08 und Blau-Weiss, aber auch von anderen Vereinen und Schulen. Die Koordinierung übernimmt die Arbeitsgemeinschaft Buchholzer Sportvereine, ein seit dem Jahr 1977 bestehender Zusammenschluss, der die Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung und den Vereinen vereinfachen soll.

An der Nordheidehalle selbst lässt sich aber auch festmachen, wie die Vereine im Laufe der Jahre sozusagen Opfer ihres eigenen sportlichen Erfolgs geworden sind. Dieser Erfolg hat vor allem zwei Namen: Tanzen und Turnen. Die Lateinformation von Buchholz 08 hat von der Zweiten Bundesliga den direkten Aufstieg in die Erste Liga geschafft. Auch die zweiten und dritten Teams werden in der kommenden Saison nicht mehr in der Oberliga, sondern in der Regionalliga antreten. Auf einmal ist die Kleinstadt Buchholz ganz nah dran am deutschen Tanzprimus, der Großstadt Bremen. Auch im Turnen kann Buchholz 08 einige deutsche Meister und Landesmeister vorweisen.

Erst die Fertigstellung der topmodernen Nordheidehalle mit einer Kunstturnhalle, die Wettkämpfe auf nationalem und internationalem Niveau erlaubt, hatte dazu geführt, dass das Training auf einmal viel intensiver und professioneller ablaufen konnte. Zahlenmäßig ist Buchholz 08 mittlerweile bei 647 Turnern und 574 Tänzern angelangt. Sportliche Erfolge sind keine Ausnahme mehr - und nun steht man vor der Frage, ob man von der Infrastruktur her den ganz großen Sprung wagt, um auf höchster Ebene mitzuhalten, oder ob man sich mit dem Vorhandenen begnügt und dadurch riskiert, die gewonnene Erstklassigkeit wieder zu verlieren.

"Der Erfolg ist zugleich eine Bürde", fasst es der Erste Vorsitzende Lothar Hillmann zusammen. Ein weiteres Beispiel verdeutlicht das ebenfalls: Die Fußball-Herren spielen in der Oberliga Hamburg und müssen sich in der kommenden Saison ernsthaft die Frage stellen, ob sie sich den durchaus realistischen Aufstieg in die Regionalliga sowohl finanziell als auch von den baulichen Gegebenheiten überhaupt leisten können. Was in manchen Orten vielleicht ein Luxusproblem wäre, ist in Buchholz bitterer Ernst.

Die Erwartungen, die Lothar Hillmann an die zukünftigen Entwicklungen hat, sind dementsprechend klar formuliert. Die Nordheidehalle müsste nicht nur um einen Sanitärtrakt und Umkleidekabinen erweitert werden, wie es die Politik bereits beschlossen hat, sondern ganz dringend auch um eine weitere Fläche für die Tänzer sowie um ein fest installiertes Bodenturnfeld für die Turner. Bisher müssen die Turner dieses Feld immer auf einem der drei Felder der Halle aufbauen, wodurch wiederum die anderen Sportvereine weniger Möglichkeiten haben, die Halle zu nutzen. Darüber hinaus hält er einen Kunstrasenplatz für die Fußballer für unabdingbar.

Hillmann ist sich zwar darüber im Klaren, dass Buchholz 08 erst kürzlich rund 300.000 Euro in das neue Vereinsheim der Jugendabteilung am Holzweg und 40.000 Euro in den Umbau der Otto-Koch-Kampfbahn investiert hat - wobei 20 Prozent der Kosten über die Sportförderung der Stadt aufgefangen wurden und auch der Kreissportbund sowie private Sponsoren mithalfen. Der Verein müsste eigentlich erst einmal Luft holen. Aber sollte er sich das tatsächlich erlauben? "Buchholz nennt sich ja selbst Sportstadt und zieht mit diesem Argument viele neue Einwohner an", sagt Hillmann. Allein deshalb hält er es für gerechtfertigt, dass der Sport neben dem Einzelhandel oder der Wohnraumentwicklung im ISEK gesondert betrachtet wird und für die Stadt eine Art Verpflichtung ist.

Auch Arno Reglitzky ist davon überzeugt, weshalb er unbedingt für eine räumliche Erweiterung plädiert. Sein Vorschlag: An der Bendestorfer Straße gibt es auf der gegenüberliegenden Seite noch freie Flächen. Dort könnte ein neues, ergänzendes Sportzentrum entstehen. Außerdem hält er eine Entzerrung des abendlichen Sportangebots für unumgänglich, um die vorhandenen Räumlichkeiten besser auszulasten. Eine Busverbindung zum Holzweg müsste ebenfalls dringend eingerichtet werden.

Als Knackpunkt stuft er bei alldem die Kosten ein. Wofür bekommt man einen Zuschuss? Welche Investition sind durch die zukünftigen sportlichen Leistungen und die demografische Entwicklung in Buchholz gerechtfertigt? "Die Stadt wird nicht immer alles machen können", sagt Reglitzky, der zugleich für die FDP im Stadtrat sitzt. Seiner Meinung nach müssen die Vereine deshalb verstärkt lernen, in Eigenregie Geld zu sammeln. Denn nicht nur der Bau von neuen Sportanlagen kostet, auch der Leistungssport selbst.