Harburgs Phoenix-Viertel hat das Zeug zum Vorzeigequartier. In Studentenkreisen steigt jetzt schon die Nachfrage nach Wohnungen.

Harburg. Das Phoenix-Viertel in Harburg ist wie prädestiniert für die Wandlung zu einem Szeneviertel. Stadtteile, in denen Boutiquen, Cafés und Kneipen wie Pilze aus dem Boden schießen, entstehen in ganz Deutschland nach dem gleichen Muster. Sie stammen oft aus der Gründerzeit oder sind ehemalige Arbeiterstadtteile. Die Nähe zur Innenstadt gilt für "In-Stadtteile" als ein Muss. Das Phoenix-Viertel bietet das alles. Urige Hinterhöfe stehen denen im Schanzenviertel, dem zurzeit bei gut verdienenden Yuppies wohl gefragtesten Quartier Hamburgs, in nichts nach. Und trotzdem lassen Kunstgalerien, Boutiquen, Bars und Cafés noch auf sich warten. Wieso eigentlich?

Von den 513 Gebäuden im Phoenix-Viertel sind laut der Internet-Enzyklopädie Wikipedia nur fünf Prozent Geschäfts- und Gewerbebauten. Das sei ein wesentlicher Unterschied zum Hamburger Schanzenviertel, sagt Eike Christian Appeldorn von der steg Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg. Gewerbeflächen im Erdgeschoss fehlen. Die steg ist Sanierungsträger in dem urbansten Stadtteil Harburgs, unterhält ein Stadtteilbüro im Phoenix-Viertel.

Einen Schlüssel zur Aufwertung des Phoenix-Viertels sehen die Experten der steg in der Entwicklung der Wilstorfer Straße. Hier ähnelt Harburg am ehesten den Szenequartieren nördlich der Elbe. Köfte, Tapas oder eine Hirtenpfanne bieten die verschiedenen Gastronomen in der Straße gegenüber dem Phoenix-Einkaufszentrum an. "Schwerpunkt unserer Arbeit im nächsten Jahr wird die Wilstorfer Straße sein", sagt Appeldorn.

Noch sei die Wilstorfer Straße zu trostlos, um andere Läden anziehen zu können, sagt Dr. Carola Siedhoff. Die Sozialwissenschaftlerin aus Harburg hat ein Buch zur Geschichte des Phoenix-Viertels geschrieben. Vor kurzem ging sie in einem Vortrag der Reihe "Stadtbild im Wandel" des Helms-Museums in Harburg der Frage nach, ob das nach der Gummifabrik Phoenix AG benannte Quartier das Zeug zum Szeneviertel habe. "Das Phoenix-Viertel ist auf dem Weg, ein Szeneviertel zu werden", lautet ihr Fazit. Die Wilstorfer Straße habe eine gute Chance, beliebter zu werden. Ein "besonderes Geschäft", das andere wie ein Magnet anziehe, könnte die Entwicklung beschleunigen, sagt sie. Was genau das sein könne, ließ Carola Siedhoff offen. Auch wenn die Eröffnung des Club-Lokals, das am 3. November zur Einweihung Astra, Holsten und Kurze zu einem Euro anbietet, nicht gerade nach "Latte-Macchiatosierung" aussieht: Die Gentrifizierung, also der Wandel zu einem Szenestadtteil, wird kommen, ist Museumsdirektor Rainer Maria Weiss überzeugt. "Ich bin großer Optimist, was das Phoenix-Viertel angeht", sagt er.

Normalerweise beginnt der Wandel eines Stadtteils zum Szeneviertel damit, dass Studenten und Künstler wegen günstiger Mieten in ein Arbeiter- und Migrantenviertel ziehen. Den Zeitpunkt dazu habe das Phoenix-Viertel eigentlich schon verpasst, sagt Appeldorn. Der Mietpreis sei stabil und mit 6,85 Euro pro Quadratmeter vergleichsweise hoch. Leerstand gebe es kaum.

Das Reiherstiegviertel in Wilhelmsburg habe einen größeren Sprung in Richtung Szeneviertel gemacht als das Phoenix-Viertel, sagt Jakob Luttermann, Hauseigentümer im Phoenix-Viertel. Dabei wären die meist kleinen Wohnungen mit bis zu 60 Quadratmetern ideal für Studenten gewesen, sagt er. Man sei zu spät auf die Idee gekommen, Studenten im Phoenix-Viertel anzusiedeln, sagt auch Carola Siedhoff.

Studenten gelten bei Stadtplanern als stabilisierender und belebender Faktor. Das sieht auch die Steg so. Mittlerweile ist ein Studierendenwohnheim an der Bunatwiete mit 50 Wohnungen entstanden. "Makler berichten uns", sagt Eike Christian Appeldorn, "dass Studenten nach Wohnungen im Phoenix-Viertel fragen würden." Genaue Zahlen habe die steg aber nicht ermittelt. Ob Szeneviertel oder nicht - Eike Christian Appeldorn sieht das Phoenix-Viertel schon heute als die gute Wohngegend, die es vor dem Zweiten Weltkrieg schon einmal gewesen ist: "Ein schönes, stabiles Wohnquartier ist entstanden", sagt er, "in dem alle Bevölkerungsschichten zufrieden miteinander leben."