Entlang der alten Phoenix reihen sich internationale Supermärkte. Das Abendblatt hat fünf von ihnen auf einer kulinarischen Weltreise besucht.

Harburg. Wenn Vu Tien Gäste durch seinen Laden führt, kommen sie an teils Bekanntem, teils Skurrilem vorbei. Mit Sojasoße, Reis und Chilipulver wagen sich die meisten Deutschen an die asiatische Cuisine heran. Getrocknete Fische in der Tüte oder knüppelähnliche Yamswurzeln sind mehr für Experimentierfreudige wie Klaus Voß, der regelmäßig beim Dong Tien Supermarkt einkauft. "Ich bin schon in ganz Asien umhergereist und kaufe hier Lebensmittel, die ich sonst nicht bekomme", sagt er.

Ein asiatischer Supermarkt, 20 Meter weiter ein türkischer, dann ein polnischer, ein spanischer und ein griechischer. Wo das Phoenix-Viertel sich gegen die Wilstorfer Straße schiebt, bieten eingewanderte Kaufleute in Supermärkten der Größenordnung zwischen Tante Emma und Discounter die kulinarischen Spezialitäten ihrer Länder feil.

Ob Yams bei Dong Tien, Ayran im Ömür Market, Krakauer bei Viva Polonia, Tapas im Toro Verde oder Feta bei Eat Greek: Der geneigte Feinschmecker kann entlang der Winsener und Wilstorfer Straße auf einer Länge von nur 700 Metern eine kulinarische Weltreise von Lissabon bis Tokio unternehmen.

Auf die Reise gehen immigrierte Familien, die sich ein Stück Heimat ins deutsche Wohnzimmer zurückholen wollen, und neugierige Deutsche, aber auch hungrige Studenten.

Die kulturelle Vielfalt im Phoenix-Viertel kann lehrreich sein. "Mittlerweile habe ich gar ein paar Worte Spanisch, Russisch und Polnisch gelernt", sagt Vu Tien. "Wenigstens die Begrüßung. Das freut viele Kunden."

Keine 100 Meter neben Dong Tien ist der Ömür-Market. Dort verkauft Engin Toktas Halal. Mit Halal bezeichnen Muslime Lebensmittel, deren Genuss mit dem Koran vereinbar ist. So liegen Produkte, die Schweinefleisch, Alkohol oder Blut enthalten, nicht in den Regalen des Ömür-Markets. Dafür 25 Sorten Oliven.

Das Verhältnis der Ladenbesitzer untereinander bezeichnet Toktas als "ganz gut". Im Endeffekt jeder genug zu tun. Wohl wahr - wie Engin Toktas leben viele Türken im Phoenix-Viertel, die wiederum gern beim Türken einkaufen.

Doch wieso schießen kleine ausländische Supermärkte an vielen Ecken wie Pilze aus dem Boden, während altehrwürdige einheimische Läden pleitegehen? "Kleine deutsche Läden können mit den Preisen der Discounter nicht mithalten. Wir ausländischen Läden bieten internationale Lebensmittel günstig an, die in deutschen Supermärkten als teure Feinkost verkauft werden", vermutet Engin Toktas.

Folgt man der Wilstorfer Straße Richtung Harburger Umgehung, erscheint rechterhand ein knallig rot-weiß dekoriertes Schaufenster. Hinter der Wursttheke grüßt Jaroslaw Pralat. "Viele Polen kaufen hier Maggi oder Cola, nur weil die Packung auf Polnisch beschriftet ist", sagt der gebürtige Pole.

Ihre Gelatine, oder Zelatyn, wie groß auf der Packung steht, kauft die Polin Ursula Schütza nur bei Viva Polonia. "Wenn ich Gelatine will, will ich polnische Gelatine", sagt sie lachend.

Doch nicht nur Allerweltswaren mit einem Mehrwert an polnischer Beschriftung verkauft Jaroslaw Pralat. "In Deutschland versteht man unter einer Krakauer eine lange Bratwurst. Die echte Krakauer ist eine kräftige Räucherwurst mit viel Fleisch", schwärmt er. Trotzdem sei es schwierig, deutsche Kunden von polnischen Spezialitäten zu überzeugen.

Eine ideale Lage an der großen Kreuzung, wo die Abfahrt der Harburger Umgehung auf Wilstorfer, Winsener und Hohe Straße trifft, hat der Spanische Supermarkt Toro Verde. Anders als die Geschäfte an der Wilstorfer Straße richtet sich der Supermarkt nicht vorzugsweise an spanische Klientel. "Beinahe alle Kunden sind Deutsche. Ein großer Teil sind außerdem Portugiesen", sagt Jens Goyke, Geschäftsführer von Toro Verde.

Auch die Mitarbeiterschaft des spanischen Ladens setzt sich ausschließlich aus Deutschen und Portugiesen zusammen. No Españoles. Denn im angrenzenden Phoenix-Viertel leben viele Portugiesen, kaum Spanier. Warum er dann mit Spanischer statt mit portugiesischer Lebensart wirbt, erklärt Jens Goyke mit dem Status Spaniens als Inbegriff des Urlaubslands.

Obwohl das Verhältnis Spaniens und Portugals der Hassliebe zwischen Pickelhauben und Oranjes ähnelt, kommen die Iberer im Toro Verde gut miteinander aus. "Harburg ist ein schönes Gemisch aus Kulturen. Ich finde es interessant, hier zu arbeiten", sagt Goyke.

Das letzte Glied in der Reihe der internationalen Supermärkte, bereits an der Winsener Straße zwischen Toro Verde und Rewe gelegen, nennt sich Eat Greek. Nicht etwa Akropolis oder Zeus - solche Namen seien laut Konstantin Belas, der den Laden leitet, zu abgegriffen. Belas ist einer von etwa 2500 Griechen, die in Harburg und Umgebung leben. Diese wollte Konstantin Belas vor einem Jahr in seinen neu gegründeten Laden locken. "Der Plan ist nicht aufgegangen. Auf einen griechischen Kunden kommen bei mir fünf deutsche", schätzt Belas. Er wundere sich, freue sich aber über das Interesse an seiner Kultur.

Mit den Portugiesen im Phoenix-Viertel versteht Konstantin Belas sich gut. "Portugiesen und Griechen sind sich sehr ähnlich. Unsere Völker singen viel und lachen gern", sagt er.

Die multikulturelle Ladenzeile empfindet Konstantin Belas als Chance. "Wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, kann man zu einer Art Insel werden, die Leute anzieht, auch mehr Intellektuelle. So ist es ja zuvor bereits in Ottensen und Altona geschehen."

Das größte Problem der meisten Läden an der Wilstorfer Straße ist jedoch die Gestaltung ihrer Frontseite. "Es ist schade, dass sich viele nicht in die Läden trauen. Aber man fühlt sich auch nicht eingeladen", sagt Daniel Boedecker von der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg.

"Viele Unternehmer sehen das Potenzial von Werbung nicht", fügt Jana Braun von "Unternehmer ohne Grenzen" hinzu. "Weder gestalten sie ihre Schaufenster attraktiv, noch nutzen sie die neuen Medien als Werbeplattform."

"Unternehmer ohne Grenzen" bietet durch einen Verfügungsfonds mit einem Gesamtvolumen von 10 000 Euro pro Jahr Hilfe für migrantische Unternehmer, wie Jana Braun diese Gruppe nennt, im Phoenix-Viertel an. Allerdings ließen sich viele Ladenbesitzer nicht helfen.

Dennoch ist Hoffnung vorhanden. In den jeweiligen Kulturkreisen sind die Supermärkte sehr beliebt. Auch Deutsche trauen sich immer öfter in die Wilstorfer Straße, nicht zuletzt wegen der Kunstausstellungen der Sammlung Falckenberg. Jana Braun resümiert: "Wenn wir am Ball bleiben, können wir der Wilstorfer Straße eine positive Perspektive bieten."