Die Kreisstadt wünscht sich vier Beschicker für den Wochenmarkt. Viele Stände suchen Nachfolger. Sonnabends fehlen die jungen Kunden.

Winsen. Der Wochenmarkt in Winsen gibt Peter Voigt seit elf Jahren Kraft und Rückhalt. Seit elf Jahren verkauft der 65-Jährige auf dem Schlossplatz im Herzen der Kreisstadt Blumen. Schwer krank war der Klempnerinstallateur mit 54 Jahren in Rente gegangen. "Aber ich wollte nicht einfach zu Hause herum sitzen, ich wollte Beschäftigung", sagt Peter Voigt. "Und ich wollte unter Leute."

Beschäftigung und Leute fand der Schneverdinger auf dem Wochenmarkt. Seine Frau Josefine, 61, hatte zwei Blumengeschäfte. "Kannst Du mich gebrauchen?", fragte Peter seine Josefine. "Zwei Hände kann man immer gebrauchen", sagte Josefine. Aber in ihren Läden wollte sie ihren Peter nicht haben. In Winsen war ein Platz auf dem Wochenmarkt frei. "Da habe ich Peter an die Luhe geschickt, damit er alleine und selbstständig arbeiten kann. Das war genau das richtige für ihn."

Peter Voigt hat seine Dienstage und Sonnabende auf dem Schlossplatz immer genossen, seit acht Jahren gemeinsam mit seiner Frau. "Wir sind eine ganz tolle Marktgemeinschaft, eine große Familie", sagt der Blumenmann. "Auf dem Winsener Wochenmarkt hilft einer dem anderen. Die Kunden sind treu, das sind witzige und nette Leute."

Treu ist den Voigts auch Theodor Köster, Rentner aus Winsen. Er kommt sonnabends. Er war der 28. und älteste Halbmillionär bei Günther Jauchs RTL-Quizshow "Wer wird Millionär?" "Herr Köster hat jedem Beschicker einen Umschlag mit 25 Euro überreicht und gesagt, wir sollen schön frühstücken und einen Kaffee auf sein Wohl trinken", sagt Josefine Voigt. Das fanden die Schneverdinger toll.

Auf ihr eigenes Wohl geben die Voigts jetzt auch Acht: Sie verlassen den Wochenmarkt. Am Sonnabend, 29. Dezember, werden sie auf dem Schlossplatz das letzte Mal Blumen feilbieten. Dann ist Schicht im Schacht. Aber wer wird im Januar 2013 ihre Nachfolge antreten? Vor dieser Frage steht Winsens Marktmeister, Hans-Peter Eichholz.

Der Voigtsche Blumenstand ist nicht der einzige Stand, der in Winsen einen Nachfolger sucht. Der Marktmeister sucht ab dem 1. September für dienstags und sonnabends auch einen Nachfolger für den Obst- und Gemüsestand von Anette und Heinz-Peter Gehrdau aus Borstel. "Wir hören nach vier Jahren aus betrieblichen Gründen auf", sagt Anette Gehrdau, sie ist bis Ende des Monats noch Marktsprecherin. Die Gehrdaus wollen ihren Hofladen vergrößern. "Wir haben den Stand von Rolf Harms aus Drage übernommen und unheimlich gerne auf dem Schlossplatz verkauft", sagt Anette Gehrdau. "Die Kundschaft ist uns sehr treu geblieben. Ich wünsche dem Winsener Wochenmarkt, dass mehr Stände kommen - Winsener gibt es ja genug."

Und noch zwei Beschicker sucht Hans-Peter Eichholz für den Sonnabend: Einen Schlachter und einen Käseverkäufer. "Leider haben wir seit zwei Jahren noch keinen Nachfolger für diese beiden Stände gefunden", sagt der Marktmeister. "Seit zwei Jahren bin ich auf der Suche, habe Anzeigen in Zeitungen und im Internet geschaltet, ohne Erfolg. Die Türen stehen auf bei uns in Winsen. Wir haben keine Überkapazitäten auf dem Wochenmarkt. Der Schlachter- und der Käsestand können ab dem 1. September einsteigen."

Hans-Peter Eichholz hat sich Gedanken gemacht, warum seit zwei Jahren Lücken auf dem Wochenmarkt sind. "Die Marktbeschicker haben leider keinen Nachwuchs mehr in ihren Reihen." Deren Kinder wollen mit dem harten Job bei Wind und Wetter auf dem Wochenmarkt nichts mehr zu tun haben, sie studieren und suchen sich Berufe, die körperlich weniger anstrengend sind. "Wer will heute noch um 2 Uhr aufstehen und zum Großmarkt fahren?", fragt der Marktmeister. "Ein Stand am Wochenmarkt ist mit sehr viel Arbeit verbunden."

Die Frage lautet also: Wer will bei Wind und Wetter in Winsen stehen?

Ja, es sei wirklich schwer, Nachwuchs für den Winsener Wochenmarkt zu gewinnen. Jeden Dienstag kommt der Schlachter Andreas Ohlrau aus Pattensen - "ein First-Class-Schlachter", sagt der Marktmeister. Sein Stand wird rege besucht. Kinder bekommen eine "Kinderwurst" auf die Hand und einen "Schlachter-Lolli". Am Sonnabend steht der Pattensener in Hamburg-Wandsbek, mit drei Leuten. "So eine einträchtige Location in Wandsbek wird niemand verlassen, um nach Winsen zu kommen", sagt Hans-Peter Eichholz. "Wer anderswo seine Stammkunden und Umsätze hat, der bleibt dort."

Einen guten Rat für Beschickerbewerber hat der Winsener Marktmeister parat: "Man braucht ein bis zwei Jahre Zeit, um sich seine Kundschaft heranzuzüchten. Das schafft man nur mit Qualität und moderaten Preisen. Und man muss seine Ware gut an den Mann bringen können. Leider haben viele Leute nicht die Geduld, die erste Zeit durchzuhalten."

Jetzt hofft Hans-Peter Eichholz auf Bewerber mit Mumm und Mut. "Ich muss sehen, dass ich das Gleichgewicht auf dem Wochenmarkt wiederherstelle, was Quantität und Qualität betrifft." Der Fleisch- und der Käsestand seien früher "Magneten" für den Winsener Markt gewesen. Als es die beiden Stände nicht mehr gab, habe es "abrupt" einen Kundenrückgang gegeben - "die Leute gehen dann zu Famila, kaufen Fleisch und Käse und nehmen auch gleich Obst und Gemüse mit".

Ja, gesteht der Marktmeister, auch in den Winsener Supermärkten sei die Qualität der frischen Ware "sehr gut". Also müsse man den Winsenern auch sonnabends wieder einen kompletten Wochenmarkt bieten. Sonst bleibt es, wie es ist: Nur dienstags kommen auch jüngere Kunden - Angestellte des Landkreises, der Stadt und der Winsener Geschäfte. "Sonnabends", sagt der Marktmeister, "kommen zur Zeit nur die Älteren. Die Generation bis 30 Jahre sehen wir dann leider nicht."