Landkreise Harburg, Stade und Lüneburg ziehen Konsequenzen und prüfen Pflegeeltern nur mit eigenem Personal. Drogentest wird diskutiert.

Winsen/Lüneburg/Stade. Der Hamburger "Fall Chantal" hat mittlerweile auch Auswirkungen auf die Jugendämter im nördlichen Niedersachsen. "Im Kreisjugendausschuss wird aufgrund der aktuellen Ereignisse ein verpflichtender Drogentest diskutiert", sagt Susanne Brahmst. Die Sozialdezernentin des Landkreises Stade legt Wert darauf, dass es nur den wenigsten Eltern auf Zeit allein um die ihnen zustehenden finanziellen Hilfen zwischen 693 und 848 Euro gehe. "Es gibt viele sehr engagierte Pflegefamilien, die Kindern aus schwierigsten Verhältnissen ein Aufwachsen mit guten Entwicklungschancen in familiärem Umfeld ermöglichen", sagt Brahmst.

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Eine solche fürsorgliche Ersatzfamilie konnte der elfjährigen Chantal nicht geboten werden. Die Halbwaise kam im Jahr 2008 zu heute 47 und 51 Jahre alten Pflegeeltern im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Der für diese Auswahl zuständige Bezirk Mitte steht heute für diese Entscheidung in der Kritik. Der Leiterin des Jugendamts, Pia Wolters, wurden ihre Führungsaufgaben entzogen. Sie und ihre Mitarbeiter hatten sich bei der Kontrolle der Pflegeeltern unter anderem auf Gutachten des Verbundes Sozialtherapeutischer Einrichtungen verlassen. Bei den Kontrollen des Amtes und des privaten Trägers wurde nicht festgestellt, dass die beiden Pflegeeltern nicht zuverlässig für Chantal sorgten.

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Die Wohnung der Pflegefamilie in der Fährstraße mussten sich zwei Erwachsene, vier Kinder und drei Hunde teilen. Außerdem waren die beiden Ersatzeltern ehemalige Drogenabhängige, die ihre Sucht mit Methadon therapierten. Genau diese Medikamente wurden ihrer zweiten Pflegetochter am 16. Januar zum Verhängnis. Chantal nahm den Heroin-Ersatzstoff Methadon ein und starb an der Vergiftung.

Als Reaktion auf den tragischen Todesfall ordnete der Hamburger Sozial- und Familiensenator Detlef Scheele (SPD) am Montag an, dass angehende Pflegeeltern und deren Mitbewohner künftig ein aktuelles Gesundheitszeugnis vorlegen müssen, das auch einen Drogentest beinhaltet. "Damit möchte ich sicherstellen, dass sich der Tod eines Kindes in einer Hamburger Pflegefamilie nicht wiederholt", erklärt Familiensenator Scheele. "Die Jugendämter in den Bezirken sind angewiesen, künftig verstärkt präventiv zu arbeiten, damit es nicht gar nicht erst dazu kommen kann, dass ein Kind bei drogenabhängigen Pflegeeltern aufwächst."

Suchterkrankungen sind in den drei niedersächsischen Landkreisen südlich der Hansestadt nur in Lüneburg und Stade ein K.O.-Kriterium für Bewerber, die ein Pflegekind aufnehmen wollen. Im Landkreis Harburg werden Gesundheitszeugnisse nur in Einzelfällen angefordert. Die Kontrolle der ansonsten sehr ähnlichen Auswahlkriterien wie einwandfreie Führungszeugnisse übernimmt jeweils der Pflegekinderdienst der jeweiligen Landkreisverwaltung. Auf private Träger greift keines der Jugendämter zurück.

Wenn sich bei den Kontrollen herausstellt, dass die Pflegeeltern die an sie gestellten Anforderungen wie zum Beispiel wirtschaftliche Unabhängigkeit oder ausreichenden Platz und hygienische Wohnverhältnisse nicht mehr erfüllen, machen ihnen die Jugendämter in allen drei Landkreisen zunächst Hilfs- und Beratungsangebote. "Bei gravierenden Pflichtverletzungen können die Kinder und Jugendlichen in Obhut genommen werden", sagt Georg Krümpelmann, Sprecher der Landkreisverwaltung in Winsen.

Der Landkreis Harburg ist die neue Heimat von 77 Kindern aus Hamburg. "Übernahmen" machen rund die Hälfte aller Pflegekinder aus, die bei rund 100 Ersatzeltern untergebracht sind, von denen 30 mehrere Schützlinge angenommen haben. Im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes Stade wird etwa die Hälfte der 157 Pflegekinder in Familien mit mehreren nicht leiblichen Töchtern und Söhnen betreut. "Manche Pflegeeltern haben zwei, drei oder vier Kinder aufgenommen", sagt Birgit Fischer, Sprecherin des Landkreises Lüneburg. Dort sei knapp ein Drittel der 171 Pflegekinder älter als 14 Jahre.