Schon in diesem Sommer sollen in Dibbersen nach jahrzehntelangen Planungen die Bagger anrollen. Doch nicht überall sorgt das für Freude.

Buchholz. Wo sich heute noch Lastwagen und Autos mitten durch den Ort drängen, wird es bald schon um einiges stiller, sauberer und sicherer zugehen. Nachdem der niedersächsische Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) verkündet hat, dass der Bau der Ortsumgehung Dibbersen voraussichtlich im Sommer 2012 beginnen wird, ist die Begeisterung beim Bürgermeister der Stadt Buchholz, zu der die Ortschaft Dibbersen gehört, groß. "Ich freue mich sehr, dass diese für Dibbersen so wichtige Maßnahme nach so langen Jahren endlich umgesetzt wird", sagt Wilfried Geiger.

Von "langen Jahren" zu sprechen ist dabei sogar noch ein wenig untertrieben. Insgesamt hat es nämlich mehr als 30 Jahre gedauert, die stark belastete Ortschaft Dibbersen vom Durchgangsverkehr der Bundesstraße 75 zu befreien. Eine kleine Überraschung ist es vor diesem Hintergrund, dass es bereits in diesem Jahr mit dem Neubau losgehen soll.

Noch im Oktober des vergangenen Jahres hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Heiner Schönecke erklärt, dass die Pläne für die Ortsumgehung spätestens im Jahr 2013 umgesetzt werden sollen. Den jetzigen früheren Start kommentiert er mit den Worten: "Das lange Bohren dicker Bretter hat sich für Buchholz gelohnt." Die Trasse führt östlich am Ort vorbei und hat eine Länge von 2,7 Kilometern. Die Kosten für den Neubau belaufen sich auf etwa 12,7 Millionen Euro und werden vom Bund getragen, der die Mittel verbindlich zugesichert hat.

Dennoch hat auch die Stadt Buchholz investiert - außer den etwa 300 000 Euro für Planung und Vorbereitung vor allem Zeit und Nerven, denn zunächst waren die unterschiedlichsten Streckenführungen im Gespräch. So sollte die Bundesstraße etwa vierspurig ausgebaut oder der gesamte Ort untertunnelt werden. Im Jahr 2000 stand schließlich fest, dass der Landkreis Harburg die Ortsumgehung ins Regionale Raumordnungsprogramm aufnimmt.

Drei Jahre später beschloss der Rat der Stadt Buchholz dann den Bebauungsplan "B 75 neu - Ortsumfahrung Dibbersen", um das gesamte Verfahren zu beschleunigen. Dieser Bebauungsplan ersetzte ein offizielles Planfeststellungsverfahren. Eine anschließende Klage konnte nicht verhindern, dass er seit dem Jahr 2010 auf seine Realisierung gewartet hat.

Dass es im Sommer nun tatsächlich so weit sein wird und der erste Spatenstich erfolgt, davon sind trotzdem nicht alle Dibberser Bürger überzeugt. Und nicht alle freut es. "Ich glaub' das erst, wenn die erste Baumaschine anrückt", sagt Andreas Hermann, Pächter der Aral-Tankstelle an der Harburger Straße und seit zehn Jahren Bewohner der Ortschaft. Einen Plan B gibt es für seine Tankstelle bereits, denn wenn der Durchgangsverkehr ausbleibt, der direkt vor seiner Tür vorbeirauscht, gibt es auch weniger Kunden. Aral habe ihm deshalb mitgeteilt, dass sich der Konzern um eine Ausweichfläche an anderer Stelle bemühen werde.

Was für die Tankstelle gilt, kommt aber nicht für alle Unternehmen infrage. Nicht jeder kann einfach so die Zelte abbrechen und woanders neu anfangen. Wenngleich Benjamin Zielinski, Filialleiter des direkt am Ortseingang gelegenen Laminat- und Parketthauses Dibbersen, einen Umzug im äußersten Fall nicht ausschließen würde. "Wir müssen abwarten, wie sich der Umsatz entwickelt", sagt er. Froh sei er über die Umgehungsstraße jedenfalls nicht, denn viele Kunden in seinem Geschäft seien Durchreisende, die spontan stoppten.

"Die betroffenen Geschäftsleute an der Bundesstraße müssen sich einfach neue Wege suchen, um auf sich aufmerksam zu machen", sagt Björn Sensche, Vorsitzender des Werbekreises Buchholz. Werbetafeln seien seiner Ansicht nach eine gute Möglichkeit. Kritik an der neuen Trasse übt er nicht, Veränderungen gehörten nun mal zum Leben. "Jeder wusste, dass die Ortsumgehung eines Tages kommt, deswegen müsste auch jeder darauf eingestellt sein", sagt er.

Auf die Wirkung von Werbetafeln setzt ebenfalls Heiner Frommann, Inhaber des Hotel-Restaurants und Brauhauses Frommann, das sich seit dem Jahre 1656 an der heutigen Bundesstraße befindet. "Vor allem mittags haben wir viele Gäste, die spontan bei uns halten", sagt er. Abends kehrten mehr Stammkunden ein. Damit die Mittagsgäste auch in Zukunft den Weg zu ihm finden, will Frommann stärker für sich werben. Den Hotelbetrieb werde die Ortsumgehung aber kaum beeinträchtigen, ist er sich sicher. Viele Besucher suchten per Internet nach einem günstig gelegenen Hotel.

Eine Frage stellt sich Frommann dennoch: Wie soll es bereits im Sommer mit den Bauarbeiten losgehen können, wenn mit den Eigentümern betroffener Grundstücken noch gar nicht gesprochen wurde? Er selbst besitze nämlich eine Fläche an der Schnittstelle von Ortsumgehung und Kreisstraße 13 in Richtung Buchholz, auf der ein Kreisverkehr entstehen soll. "Bisher ist noch niemand auf mich zugekommen", sagt er. Nach seinem Kenntnisstand gelte dasselbe für sechs weitere betroffene Grundstückseigentümer. Er wolle kein Geld für sein Grundstück, sondern eine Ausgleichsfläche, betont Frommann. Doch ob es davon genügend in Dibbersen gebe, sei offen.

Wie schnell der Bau der Ortsumgehung also tatsächlich starten kann, wird sich zeigen. Selbst die ausführende Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Lüneburg ist relativ überrascht, dass es im Sommer schon losgehen soll. Und auch die Dauer der Bauarbeiten könne man überhaupt nicht abschätzen, sagt Geschäftsbereichsleiter Dirk Möller. "Wir werden erst in den kommenden Monaten sehen, wie sich das Ganze gestaltet." Die Planungen und Vergabeverfahren müssten zunächst anlaufen.