Neue Verordnung: Wie das Amt für Verbraucherschutz mit der strengen Trinkwasserverordnung Gebührenbescheide generiert.

Harburg. Es gibt gewiss viele Probleme, mit denen sich Bürger in der südlichen Metropolregion täglich herumschlagen müssen. Die Qualität des Trinkwassers zählte bislang eher nicht dazu. Das hat Gesundheitspolitiker aber nicht davon abgehalten, wieder mal für eine Novelle der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) zu sorgen, wie das Abendblatt bereits berichtete. Die ist zwar erst seit 1. November 2011 in Kraft, barg aber schon im Vorfeld reichlich Zündstoff. Das jedenfalls musste der Harburger Internist Dr. Michael Böse leidvoll erfahren.

Bereits am 29. September vergangenen Jahres flattert ihm ein Schreiben des Fachamts für Verbraucherschutz ins Haus. Darin wird Böse aufgefordert, eine Untersuchung des Trinkwassers in seiner Praxis in der Bremer Straße 27 zu veranlassen - und zwar in der Personalküche. Verwiesen wird dabei auf die Paragrafen 18 und 20 der TrinkwV. "Dieses Begehren wirft gleich mehrere, bislang ungeklärte Fragen auf", findet Doktor Böse.

Internistische Praxen, in denen unter anderem Magen- und Darmspiegelungen durchgeführt werden, unterliegen - nachvollziehbar - einem besonders rigiden Reinheitsregime. Die kassenärztliche Vereinigung veranlasst deshalb seit 2002 gleich zweimal im Jahr, im Juni und im Dezember, eine strenge Kontrolle des Hygienestandards. Zudem schaut das Harburger Gesundheitsamt regelmäßig nach dem Rechten.

"Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, aber das Wasser zur Reinigung unserer koloskopischen Werkzeuge muss noch sauberer sein als das Trinkwasser aus dem Hahn", sagt Böse. Dass dieses nun ins Visier des Amts für Verbraucherschutz geraten sei, könne er nicht nachvollziehen.

Zumal sich die genannten Paragrafen zur Begründung des Kontrollbegehrens auf "Trinkwasserinstallationen" bezögen, "aus denen Wasser für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird". Genau das sei hier aber gar nicht der Fall: "Die Personalküche wird nur von mir und meinen vier Mitarbeitern genutzt. Die Patienten aber werden ausschließlich mit handelsüblichen Wasserflaschen der Firma Apollinaris versorgt."

Doch weil der Doktor ein folgsamer Bürger ist, hat er den Wassertest trotzdem in Auftrag gegeben. Schließlich drohen bei Verstößen gegen die Verordnung Geldstrafen von bis zu 25 000 Euro, in besonders krassen Fällen gar bis zu zwei Jahren Haft. Die Probenahme erfolgt am 17. Oktober durch die zertifizierte Firma Eurofins. Den Prüfbericht erhält Böse am 27. Oktober samt Rechnung über 177,31 Euro.

Da liegt ihm aber schon ein Gebührenbescheid von Angela Eckers vom Fachamt für Verbraucherschutz über 70 Euro vor. Begründet wird er mit der "Amtshandlung Überwachung nach Paragraf 18, Absatz 1 TrinkwV", bestehend aus "1 Stunde gehobener Dienst à 52 Euro pro Stunde" und einer Fahrtkostenpauschale von 18 Euro. Für eine laut Routenplaner fußläufig spielend zu bewältigende Wegstrecke von exakt 149 Metern zwischen Amt und Praxis. Diese 149 Meter hat die Beamtin Eckers aber nie zurückgelegt, wie sie später reumütig einräumen muss.

Dem Gebührenentscheid hat Böse am 1. November 2011 schriftlich widersprochen: "Worin genau bestand eigentlich die Amtshandlung Überwachung? Und warum soll das Ganze eine Stunde gedauert haben?", fragt der Mediziner. Am 21. September hätte er zwar tatsächlich Besucher der Bezirksverwaltung empfangen. Das seien allerdings zwei Damen des Gesundheitsamtes gewesen.

"Da Frau Eckers also nicht bei mir gewesen ist, kann die von ihr behauptete persönliche Überprüfung der Trinkwasserinstallation in meiner Praxis auch nicht erfolgt sein. Und eine fachliche Bewertung des Prüfberichts der Firma Eurofins war auch nicht möglich, da er zum Zeitpunkt des Gebührenbescheids überhaupt noch nicht vorlag", argumentiert Böse.

Die Fahrtkostenpauschale wird dem Internisten am 3. November zwar erlassen. Doch auf der Zahlung der Gebühr für "die Begehung Trinkwasseranlage am 21. 9. 11" besteht die Finanzbehörde weiter, wie sie mit der "Letzten Mahnung" vom 22. Dezember 2011 noch einmal deutlich macht. Um anschließend gleich noch mit der "zwangsweisen Einziehung" durch die Vollstreckungszentrale der Freien und Hansestadt Hamburg zu drohen.

Inzwischen hat Michael Böse das Rechtsamt des Bezirksamtes eingeschaltet. Bereichsleiter Dierk Trispel mochte zum Stand der Dinge vorerst nur so viel sagen: "Der Widerspruch liegt noch beim Fachamt zur Prüfung. Bis zu einer abschließenden Beurteilung durch uns wird der Vollzug des Gebührenbescheids ausgesetzt."

Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder geißelte die Novelle der Trinkwasserverordnung im ZDF-Magazin "WiSo" mit Blick auf Aufwand und Nutzen kürzlich als "schlechten Beschluss". Den müsse am Ende der Bürger bezahlen, weil die Kosten umgelegt würden. "Deshalb gibt es sogar auf Bundesratsebene Bestrebungen, die Verordnung erneut zu ändern", so Söder.

In der Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums zum Inkrafttreten der Novelle las sich das noch ganz anders: "Neben Klarstellungen und der Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse ging es auch (...) um Entbürokratisierung."

Dieser Effekt blieb dem Harburger Internisten Michael Böse bislang gänzlich verborgen.