Pastor Bernd Abesser mahnte, sich von den bösen Energien der Tat nicht beeinflussen zu lassen und kein Misstrauen zu säen.

Over. Es ist dunkel in Over, der Mond hat sich hinter dicken Wolken versteckt, weit nach Mitternacht haben sich viele Einwohner schon zur Ruhe begeben. Doch einer schleicht um die Häuser, geht leise über den Friedhof und schiebt einen brennenden Lappen ins Reetdach der Kapelle. Sekunden später steht das Gebäude erneut in Flammen. "So muss es Sonntagnacht gewesen sein", sagt Anneliese Rüttiger, die sich mit 150 weiteren Bewohnern Overs trotz strömenden Regens zur Abendandacht vor der Brandruine eingefunden hat. Die Seniorin wohnt nur wenige Meter von der Kapelle entfernt. "Es ist unheimlich. Ich kann abends nicht mehr einschlafen, habe Angst, dass der Feuerteufel auch bei mir vorbeikommt, jetzt, wo er die Kirche zerstört hat", sagt sie und zieht ihren Schirm schützend über ihren Kopf, schaut sich um. "Bestimmt ist der Täter jetzt auch hier und beobachtet uns."

Feuerwehrmann Hans-Ullrich Buske, der mit seinem Kameraden aus Over zur Andacht gekommen ist und dabei hilft, Scheinwerfer aufzubauen, schüttelt den Kopf. "Als ich Sonntagnacht den Alarm gehört habe, konnte ich es kaum glauben. Auch wir sind berührt von diesen Vorfällen."

Patrick (11), Lukas (9) und Kim (7) sind froh, dass die Feuerwehr vor Ort ist. "Meine Kinder sind enorm verunsichert von diesen Bränden. Kim weint oft", sagt Heidrun Zirath, die Mutter der Kinder. Auch Familie Zirath lebt nicht weit weg von der Kapelle. "Es war immer so ruhig und beschaulich hier." Jeder kenne jeden und der Umgang miteinander sei sehr nett, "wie es in einem kleinen Ort so üblich ist." Jetzt sei alles anders geworden. "Die Leute sind misstrauisch geworden, fragen sich, ob der Täter mitten unter uns lebt. Es gibt Gerüchte", sagt Zirath leise und schaut sich nach ihren Kindern um. Eine Nachbarin nickt und hofft, "dass die Polizei den Bandstifter schnell ermitteln kann, bevor das ganze Dorf brennt".

"Sogar der Himmel weint", sagt August-Johann Sonnemäker, der während der Abendandacht den Schirm für Pastor Bernd Abesser hält. Der Geistliche hat vor der Veranstaltung ein großes, massives Holzkreuz, beschwert mit schweren Feldsteinen, im Eingangsbereich des Friedhofes aufstellen lassen. Fast drohend ragt es vor der Ruine der Kapelle auf. "Das soll ein Mahnmal sein. Ein Zeichen, sowohl für den Täter, als auch für die Gemeindemitglieder, sich von den Bränden nicht unterkriegen zu lassen", so der Pastor, der sich von dem Regen, der ihm ins Gesicht prasselt, nicht beeindrucken lässt. Mit lauter Stimme wendet er sich an die Menschen, die sich inzwischen vor dem Kreuz versammelt haben. "Ja, wir sind getroffen. Als ob man bei einem, der am Boden liegt, noch einmal zutritt, so kommt es mir vor." Viele nicken. Anneliese Rüttiger hat Tränen in den Augen.

Pastor Abesser appelliert an die Bewohner Overs, sich von den "bösen Energien, die diese Tat nach sich zieht", nicht beeinflussen zu lassen. "Misstrauen ist schnell gesät, Gerüchte werden in die Welt gesetzt. Und das kann man nicht so schnell löschen, wie brennende Balken." Dann verspricht er, dass die Kapelle wieder aufgebaut wird und der Weihnachtsgottesdienst auf jeden Fall stattfinden werde. Nach diesen Worten strahlt die kleine Kim. "Ich hatte schon gedacht, dass wir dieses Jahr zu Weihnachten nicht in die Kirche gehen können", sagt sie laut, und die umstehenden Erwachsenen lächeln unter ihren Schirmen.