In 95 Prozent der Fälle geht es um typische Nachbarschaftsprobleme, die sich leicht ausräumen lassen. Heinz Quardt hat das 15 Jahre erfolgreich getan.

Vahrendorf

"Der Deutsche hat eine starke Neigung zur Unzufriedenheit", fand schon Otto von Bismarck, "ich weiß nicht, wer von uns einen zufriedenen Landsmann kennt." Eine Haltung, die Heinz Quardt (74) überhaupt nicht bestätigen kann.

Der Vahrendorfer sollte es wissen: Nach drei Amtsperioden und 15 Jahren als ehrenamtlicher Schiedsmann der Gemeinde Rosengarten nimmt er in diesem Sommer seinen Hut - und zieht, anders als der "Eiserne Kanzler", ein beruhigendes Fazit: "Die Menschen hier haben eine gute Streitkultur und sind friedliche Zeitgenossen."

Trotzdem: So mancher Zwist musste in all den Jahren natürlich doch geschlichtet werden. Zum Beispiel der mit der alten Dame, die seit vielen Jahren den gleichen Weg über den Acker zum Einkaufen ging - auch noch, nachdem dort längst ein Haus gebaut und aus dem Acker ein privater Garten geworden war. Bevor Heinz Quardt sich schließlich der Angelegenheit annehmen musste, hatte die Frau das Problem auf denkbar originelle Weise gelöst: nämlich ein großes Loch in die fremde Hecke geschnitten, um jeden Morgen hindurch zu schlüpfen und dieselbe Strecke zu nehmen wie immer.

Oder die beiden Nachbarn, die seit 30 Jahren kein Wort mehr miteinander gesprochen hatten: "Drei Stunden lang haben wir zusammen gesessen. Und hinterher, als ich so aus dem Fenster schaue, sehe ich die Beiden in aller Eintracht in die nächste Kneipe spazieren. Da habe ich mich gefreut", erzählt Heinz Quardt, der hauptberuflich als Rechtspfleger in einer Harburger Anwaltskanzlei arbeitete.

Überhaupt sei das die wichtigste Aufgabe für einen Streitschlichter: dafür zu sorgen, dass zwei entzweite Parteien wieder miteinander sprechen. "Wenn man das geschafft hat, ist die Einigung nicht mehr weit. Denn die Anlässe für die Streitigkeiten sind meistens wahre Lappalien."

In 95 Prozent der Fälle geht es um typische Nachbarschaftsprobleme: ein Ast, der über den Zaun ragt, ein Weg, der verbotenerweise befahren wird, Grillgerüche, die auf die Terrasse nebenan wehen.

"Manchmal hilft schon ein praktischer Tipp", berichtet Quardt von überraschend einfachen Lösungen, "zum Beispiel, den Grill in eine andere Ecke des Gartens zu stellen." Oder zu erklären, wie der wuchernde Obstbaum beschnitten werden kann. "Irgendwann bin ich ohne Zollstock und Heckenschere gar nicht mehr losgefahren", erinnert sich der Rosengartener lächelnd.

Dass die meisten seiner Streitfälle so schnell und unkompliziert gelöst werden konnten, hält Heinz Quardt allerdings nicht nur seiner langjährigen Erfahrung zugute. "Das muss an meiner Natur liegen", vermutet der sympathische Hobby-Gärtner, "ich habe einfach eine beruhigende Wirkung auf die Leute."

"Ich musste oft dafür sorgen, dass die Leute überhaupt wieder miteinander reden."