Hamburg. Werke von internationalen Street-Art-Künstlern in Hammerbrook zu sehen. Doch damit ist bald Schluss. Was Leiter Alex Heimkind plant.

Die Begrüßung in der OZM Gallery in Hammerbrook wirkt wie aus einem Science-Fiction-Film: Ein sprechender, von künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerter Totenkopf heißt die Gäste in der wohl ungewöhnlichsten Kunstgalerie in Hamburg willkommen. Ungewöhnlich ist auch das, was in den unzähligen Räumen auf 3500 Quadratmetern ausgestellt ist: knapp 300 Werke von bekannten Street-Art-Künstlern aus aller Welt.

Über die Galerie-Website können sich Kunstinteressierte kostenlose Tickets sichern. Regelmäßig finden „Gallery Sundays“ – eine Art Tag der offenen Tür – statt. „Unser Publikum ist sehr divers: vom kleinen Kind bis zu älteren Menschen, von Obdachlosen bis Akademikern und Airbus-Mitarbeitern. Wir grenzen niemanden aus, das ist das Tolle“, sagt Alex Heimkind, Gründer des gemeinnützigen Unternehmens OneZeroMore (OZM), das die Galerie betreibt.

Galerie Hamburg: Gebäude der OZM Gallery in Hamburg-Hammerbrook wird abgerissen

Kunst verbindet eben. „Graffiti gibt es seit 40 Jahren in Deutschland und ist zeitgenössische Kunst. Unsere Gäste verbringen hier mehrere Stunden und müssen danach erst mal ihre ganzen Eindrücke verarbeiten. Es geht hier um ein Erlebnis, man geht praktisch in die Kunst rein“, erklärt Heimkind.

Heimkind ist stolz auf das, was in dem Gebäude, das mit seinen gelb-rot-blauen Graffitis selbst aussieht wie ein großes Kunstwerk, entstanden ist. Vom Keller, wo Versorgungsleitungen mittels Lichteffekten illuminiert werden, führt der Weg zu einem komplett in Silber gehaltenen Raum des Künstlers Reizflut. „Datenspeicher“ ist der puristische Name dieses Werkes.

Alex Heimkind posiert im futuristischen „Datenspeicher“ des Künstlers Reizflut.
Alex Heimkind posiert im futuristischen „Datenspeicher“ des Künstlers Reizflut. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Auf jeder der fünf Etagen entdeckt man etwas Neues: Mal abstrakt, mal verspielt, mal ganz puristisch. Neben internationalen Künstlern ist auch dem am 25. September 2014 verstorbenen Hamburger Graffiti-Künstler Walter Josef Fischer – besser bekannt als OZ – ein Raum gewidmet. „Ich bin nie zu OZ gegangen, er kam zu uns. Jeder in Hamburg kennt ihn, beziehungsweise seinen Schriftzug. Es sind wirklich tolle Werke von ihm, die es bei uns zu sehen gibt“, sagt Heimkind.

OZM Gallery in Hamburg-Hammerbrook bietet Kunst-Workshops für Schüler an

Für Heimkind und sein Team ist wichtig, besonders die Jugend für Kunst zu begeistern. Dafür kooperiert die OZM Gallery mit der benachbarten Brecht-Schule. In Workshops können die Schüler selbst Werke kreieren, die dann in der Galerie hängen. Eine Klasse hat einen Raum zu einem Weltall umgestaltet – samt Sternenhimmel und Rakete.

Allzu lange wird man die Werke an diesem Ort jedoch nicht mehr bewundern können. Zum 30. März läuft der Mietvertrag aus. Im Sommer soll das Gebäude am Rand des S-Bahn-Viadukts abgerissen werden. An der Spaldingstraße 140 entsteht bis 2027 für knapp 200 Millionen Euro das „Hammer Heart“, ein Gebäudekomplex samt Hochhaus.

Heimkind nimmt das anstehende Ende gelassen hin. „Diese Werke hier sind ein Geschenk an die Gesellschaft. Das Gebäude wird vielleicht sterben, aber die Kunst wird weiterleben“, sagt der 51-Jährige pragmatisch. Nur eben an einem anderen Ort.

Kunst in Hammerbrook: Pläne für neue Ausstellung stehen bereits

Neu ist ein Umzug für Heimkind nicht. Von 2007 bis 2018 wurde die Street-Art in einer ehemaligen Fabrik an der Bartelsstraße im Schanzenviertel ausgestellt. Doch auch dieses Gebäude wurde abgerissen. Es folgte 2019 der Wechsel nach Hammerbrook, wo das nächste Kapitel der Galerie nun ein unfreiwilliges Ende findet.

Das Gebäude, in dem die OZM Gallery beheimatet ist, wird im Sommer abgerissen. Hier ensteht für 200 Millionen Euro ein neues Quartier.
Das Gebäude, in dem die OZM Gallery beheimatet ist, wird im Sommer abgerissen. Hier ensteht für 200 Millionen Euro ein neues Quartier. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Ärgern will sich Heimkind darüber aber nicht, schließlich warten auch außerhalb der Kunstgalerie spannende Projekte. Im ehemaligen Karstadt-Sport-Haus in der Mönckebergstraße, das heute Jupiter heißt, beispielsweise. Dort bespielt Heimkind mit einer Hip-Hop-Akademie von der Stiftung Kultur Palast die erste Etage. „Wir haben dort gerade eine Ausstellung, die Female Frames heißt. Wir wollen verdeutlichen, dass auch eine weibliche Seite in die Graffiti-Welt hineingetragen werden sollte“, sagt Heimkind.

Graffiti am Bahnhof: OZM kooperiert mit der Deutschen Bahn

Darüber hinaus darf Heimkind mit einigen Künstlern voraussichtlich zwei neue Zäune am Drob Inn, dem Konsumraum für Kokain- und Crack-Süchtige am Hauptbahnhof, künstlerisch gestalten. „Wir warten noch auf das grüne Licht der Stadt, aber wir sind optimistisch“, sagt der OZM-Chef, der auch eine Kooperation mit der Deutschen Bahn hat. Die Wände der Unterführung am S-Bahnhof Sternschanze dürfen Heimkind und weitere Künstler als Fläche für ihre Kunst nutzen.

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Pläne für eine nächste Ausstellung zum Thema Raumfahrt liegen schon bereit. „Wir werden unsere KI nutzen, damit der Besucher interaktiv mit den Kunstwerken kommunizieren kann“, sagt Heimkind.

Galerie Hamburg: OZM zieht mit Kunst in umgebaute Container

Ab Mai wird OZM in umgebaute Container umziehen. Die ersten der zwölf Meter langen Boxen stehen bereits auf einem benachbarten Parkplatz. Ein dauerhafter Platz für die neue Kunstheimat wird aktuell noch gesucht, schließlich sollen perspektivisch mehr als 40 solcher mit Kunst gefüllten Container gestapelt werden.

Bevor jedoch dieser neue Abschnitt für die Kunstgalerie OZM beginnt, muss das Ende in den derzeitigen Räumlichkeiten organisiert werden. Und das heißt: Alle Werke stehen zum Verkauf. Kunstinteressierte können sich entweder vor Ort oder über die Internetseite mit den Werken eindecken. 50 Prozent der Erlöse gehen an den jeweiligen Künstler, die andere Hälfte an das ehrenamtliche Unternehmen von Alex Heimkind.