Im Auftrag der Denkmalschutzbehörde untersuchen Restauratoren die Wohnsituation der ersten Bewohner an der Caffamacherreihe.

Neustadt. Abenteuerlich eng ist der Treppenaufgang im Haus an der Caffamacherreihe 43-49. Zwischen Kinderwagen, Blechbriefkästen und einem wackeligen Handlauf steht die Diplom-Restauratorin Angelika Fischer-Menshausen mit einem Skalpell in der Hand. Sie schabt im Auftrag der Denkmalschutzbehörde an der Wandfarbe. So wird in Schichten die jeweils aufgetragene Wandfarbe sichtbar. 60 solcher Schnitte hat die Restauratorin mit vier Mitarbeitern in zwei Wochen angefertigt. "Eine spannende Arbeit", sagt sie, "wir sind hier wie in einem historischen Reservat."

Gibt es schon Ergebnisse? "Ja. Wir fanden bis zu sieben Farbschichten. Die ersten Bewohner der Häuser an der Caffamacherreihe waren Handwerker, die sich viel Mühe mit ihren Wohnungen gegeben haben", sagt Angelika Fischer-Menshausen. Das zeigten die verschiedenen Farbschichten und schmückenden Muster, die mit Schablonen aufgetragen wurden. Man könne sogar sagen, wie die Wohnungen in dem 1890 erbauten Gebäude ausgesehen haben. Die Wände waren mit dunkelroter Leimfarbe gestrichen. Die Fensterrahmen waren braun. Auch andere Räume oder die Gaststätte an der Ecke zur Speckstraße waren anfangs mit dunklen, erdigen Farben gestrichen.

Die Schankwirtschaft gab es mehr als 100 Jahre an der Ecke. "Mit den dunklen Tönen muss das schon damals gemütlich gewesen sein." Heute haben die Gängeviertelkünstler dort ihren Treffpunkt, genannt Jupi-Bar.

Auch die weitere Geschichte könne man genau ablesen: "Man sieht die Moden und Bedürfnisse der Menschen, denn nach den erdigen Farben tauchen Rosa und Hellblau auf", sagt die Restauratorin. Die ersten Bewohner seien sehr liebevoll mit den Gebäuden in der Neustadt umgegangen. Diese Häuser gehörten zu der "besseren Wohngegend" im Gängeviertel. Erst später seien sie zum Billigquartier geworden. "Das sieht man an den einfachen Raufasertapeten, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Wände kamen. Da hat man sich keine Mühe mehr gegeben."

+++ Die Gängeviertel-Sanierung beginnt Anfang 2013 +++

Die Restauratorin hat für die Künstler, die seit Sommer 2009 das Viertel pflegen, viel Sympathie. "Man sieht, dass Künstler sensibel mit Oberflächen umgehen." Doch in einem Punkt herrscht Uneinigkeit. Die orange-braunen 70er-Jahre-Tapeten, die von einigen Künstlern bewundert werden, mag die Restauratorin gar nicht: "Die sind im Vergleich zu den ganz alten Farben nicht wertvoll."

In den kommenden Wochen werden die Forschungen ausgewertet. Das Ergebnis soll zu einem Sanierungskonzept führen. Angelika Fischer-Menshausen: "Das wird eine Riesenaufgabe, denn wir müssen der Historie und dem jetzigen Zustand gerecht werden." Bedeutet das, dass die vielen Zeichnungen, Bilder oder Graffiti der Künstler auch erhalten werden sollen? "Ja!", sagt die Restauratorin. Das gehöre dazu.

In der Denkmalschutzbehörde freut man sich: "Die aktuellen Untersuchungen belegen, dass im Gängeviertel vieles noch vorhanden ist, was an anderer Stelle bereits verloren ist, und sie weisen es als einen besonderen, einzigartigen historischen Ort im Gefüge der Innenstadt aus", sagt Behördenchef Frank Pieter Hesse. Gerade die einfache Alltagskultur zeige, dass nicht nur repräsentative Bauten wie Kirchen, Schlösser, Rathäuser oder Museen für die Denkmalpflege interessant seien.