Bei Arbeiten wurden menschliche Knochen und Baureste gefunden. Die Steine gehören zu Resten der Klosterkirche Maria Magdalenen.

Hamburg. Dort, wo fast 600 Jahre ein 70 Meter langes Kirchenschiff mit mächtigen Säulen stand, zeugen heute lediglich Feldsteine, Knochen und senkrecht in den Boden gerammte Fichtenstämme von der Existenz des Gotteshauses. In schmalen Gruben liegen Gebisse, Schädelknochen und Rippen. Es sind die kläglichen Überreste eines stolzen Klosters. Aber es ist auch ein "spektakulärer archäologischer Fund", sagt Rainer-Maria Weiss, Direktor des Helms-Museums Hamburg.

Denn erstmals wurden unter dem Keller der heutigen Handelskammer am Adolphsplatz, mitten in der Hamburger Innenstadt, Substanzreste des mittelalterlichen Klosters Maria Magdalenen entdeckt. Würde die um 1230 erbaute und 1806/07 abgerissene Kirche noch stehen, die Ausgrabungsstelle befände sich mitten im Hauptschiff.

Dabei stießen Männer vom Bau zuerst nur auf menschliche Gebeine. Weil der Keller der Handelskammer nach ergiebigem Regen im Juni unter Wasser stand, sollten sie eine neue Entwässerung einbauen. Doch beim Graben unter dem Boden entdeckten sie etwa sieben Meter unter Straßenniveau nicht nur feuchte Muttererde, sondern offenkundig auch menschliche Knochen. Die von der Handelskammer eingeschaltete Polizei übergab die Skelettreste der Gerichtsmedizin, und die war sich ziemlich schnell sicher: Es handelt sich um einen Fall für Archäologen.

+++ Tief in Hamburg +++

+++ Reste eines Klosters unter der Handelskammer entdeckt +++

Anfang Februar legten die Bodendenkmalpfleger um Mustafa Altun an acht Arbeitstagen dann nicht nur weitere Gerippe frei. Sie fanden auch mächtige Feldsteine und Säulenfundamente aus Holz. "Auf ihnen wurde die Kirche in dem sumpfigen Gebiet gegründet", sagt Archäologe Weiss. Schließlich stand der Bau im Bereich der Alsterniederung. Dabei war nicht die Existenz des Klosters überraschend für die Archäologen - sie war aus zahlreichen Aufzeichnungen bekannt. Vielmehr war der Zustand der Funde "absolut bemerkenswert", sagt Weiss. Der feuchte Morast habe das Holz perfekt konserviert. So gut, als würde man eine Zeitkapsel ins Mittelalter betreten. "Die Baumstämme sind mehr als 800 Jahre alt, aber sie sehen aus, als wären sie frisch gefällt", schwärmt Weiss. Und das, obwohl den Archäologen nur ein Bruchteil des eigentlichen Klostergeländes mit Kirche, Kreuzgang, Kirchhof und Schwesternhaus für Untersuchungen zur Verfügung stand. Lediglich wenige Meter breite Baugruben gaben die Schätze frei.

Die Ursprünge des Franziskanerklosters St. Maria Magdalenen liegen derweil im frühen 13. Jahrhundert. Graf Adolph IV. von Schauenburg und Holstein war es, der es 1231 nach seinem Sieg über die Dänen in der Schlacht von Bornhoeved gestiftet hatte. Später lebte er dort selbst als Mönch, noch später wurde der Komplex als Stift für höhere Töchter genutzt, die Klosterkirche diente als protestantisches Gotteshaus. Weil Bettelorden ihre Kirchen nicht in die Höhe bauten, wirkte das Gebäude ohne echten Turm eher gedrungen, war aber in Breite und Länge durchaus ausladend. Zumindest, bis es nach Jahren der Vernachlässigung 1806/07 baufällig abgerissen wurde.

Erst der Abbruch schuf Raum für den heutigen Adolphsplatz. Auf dem Gelände der Klosterkirche entstand die neue Börse, die heutige Handelskammer. Weil auch dieses repräsentative Gebäude im Jahr 1839 in einiger Tiefe sicher gegründet werden musste, erstaunt es die Archäologen, dass sie nun unter dem Magazin der Commerzbibliothek diese exzellent erhaltenen Überreste der frühen Hamburger Siedlungsgeschichte fanden.

Im Einzelnen handelt es sich um Teile der hölzernen Pfahlgründung - senkrecht eingeschlagene Balken, die von Eichenbohlen zu Quadratfundamenten eingefasst wurden. Auf ihnen standen die Säulen. Ebenfalls gefundene, reihenförmig verlegte Baumstämme dienten wohl als Grundlage für Findlinge und Feldsteine, die das steinerne Fundament des Kirchenbaus bildeten. Die entdeckten Klosterformatziegel dürften die Reste des Mauerwerks sein.

Außerdem fanden die Denkmalpfleger durch Bohrungen heraus, dass das Baugelände der Kirche künstlich erhöht wurde. Skelettfunde sind im Umkreis von Gotteshäusern hingegen nichts Ungewöhnliches. Im Gegensatz zu genommenen Holzproben, die auf ihr genaues Alter untersucht werden sollen, werden die menschlichen Gebeine nicht näher bestimmt.

Während Rainer-Maria Weiss bei der Vorstellung der Funde scherzte, die Handelskammer habe Leichen im Keller, überlegt deren Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz, wie er Besuchern die Vorgeschichte des Hauses künftig zugänglich machen soll. Und auch für den Archäologen Weiss ist dieser Fund perspektivisch wichtig. "Er ist ein Beleg dafür, dass im dicht besiedelten, eng bebauten Hamburg noch viel Mittelalter steckt." Deshalb sei er gespannt, welche Funde nebenan, beim Bau der Tiefgarage unter dem Adolphsplatz, ans Licht kämen. Auch dort böten sich begleitende archäologische Arbeiten an. "Und vielleicht heben wird dort noch größere Schätze."

Für Pater Thomas Ferencik, einer von fünf Franziskanern in Hamburg und bei der Vorstellung der Funde dabei, war gestern schon ein großer Tag. "Mein erster Gedanke war: Die haben unser Kloster gefunden!", sagte der 47-Jährige.