Michael Neumann (SPD) verurteilt vor dem Innenausschuss die Gewalttaten gegen Beamte. Einsatz am 21. Dezember kostet mehr als 1,1 Millionen Euro.

Hamburg. Wo sich sonst lediglich ein Streifenpolizist postiert, haben sich Beamte der Bereitschaftspolizei aufgestellt. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen der vergangenen Wochen sollen sie vor dem Eingang des Rathauses für Sicherheit sorgen. Im Kaisersaal ist am Montagnachmittag der Innenausschuss der Bürgerschaft zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um diese Krawalle aufzuarbeiten.

Der Ausschussvorsitzende Ekkehard Wysocki (SPD) eröffnete die Sitzung mit einer Erklärung, dass er ein „tiefes Entsetzen und große Erschütterung“ angesichts der Gewalt empfinde. Die Sondersitzung war nach den heftigen Auseinandersetzungen am vierten Adventswochenende auf Antrag der Grünen einberufen worden. Die geplante Kundgebung für den Erhalt der Roten Flora entwickelte sich am 21. Dezember zu den heftigsten Straßenschlachten zwischen Polizisten und Linksradikalen seit Jahrzehnten.

Unter den etwa 7300 Demonstranten befanden sich nach Schätzung der Polizei etwa 4700 gewaltbereite Linksradikale. Sie standen rund 3200 Beamten gegenüber. Wie Einsatzleiter Peter Born im Ausschuss berichtete, wurden 169 Beamte verletzt, 18 von ihnen so schwer, dass sie in Krankenhäusern aufgenommen werden mussten. 61Fahrzeuge der Polizei seien beschädigt worden, 19 davon nicht mehr fahrbereit. Allein den Schaden bei der Hamburger Polizei bezifferte Born auf 160.000 Euro. Der Schaden bei den Kräften aus anderen Bundesländern sei dagegen noch nicht bekannt.

Linke Gruppen sprachen von 500 verletzten Demonstranten, davon etwa 20 Schwerverletzte. Die Polizei zählte 95 Tatorte, größtenteils von Sachbeschädigungen. Born, der ein etwa acht Minuten langes Video zeigte, auf dem Steine werfende Randalierer zu sehen waren, sagte, dass der Einsatz am 21.Dezember nach bisherigem Stand 1,13 Millionen Euro gekostet habe. Es seien vier Anzeigen gegen Beamte erstattet worden.

Nur eine Woche nach den heftigen Ausschreitungen griffen etwa 50 Randalierer die Davidwache auf St. Pauli an. Dabei verletzten sie drei Beamte. Einem von ihnen wurde aus kürzester Distanz ein Stein ins Gesicht geworfen. Er erlitt schwerste Knochenbrüche.

Innensenator Michael Neumann (SPD) zeigte sich angesichts dieser Entwicklungen verständnislos. „Wir haben eine Eskalation der Gewalt erlebt, die wir lange nicht für möglich gehalten haben. Wir haben Bilder gesehen, die wir in Mitteleuropa lange nicht mehr gesehen haben.“ Leidtragende seien aus seiner Sicht nicht nur die verletzten Beamten, sondern „auch jene Bürger, die ihr Grundrecht auf Demonstration nicht wahrnehmen konnten“. Dieses Grundrecht sei von den „Gewalttätern schamlos ausgenutzt“ worden.

Neumann machte klar, dass es keinen Dialog mit den Tätern geben könne. „Wer nicht bereit ist, das staatliche Gewaltmonopol zu akzeptieren, darf kein Gesprächspartner des Staates werden.“ Neumann sagte weiter: „Selbst wenn alle Vorwürfe gegen die Polizei zuträfen, ist das kein Grund, Gewalt anzuwenden.“ Neumann zeigte sich besorgt, da nicht klar sei, ob die „letzte Stufe der Eskalation erreicht ist“. Er forderte ein breites Bündnis der Zivilgesellschaft aus Kirchen, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden und rief diese dazu auf, sich gegen Gewalt auszusprechen. „Ein Angriff auf die Polizei ist ein Angriff auf uns alle.“ Als Reaktion auf die Gewaltausbrüche hatte die Polizei am vergangenen Wochenende sogenannte Gefahrengebiete auf St. Pauli, im Schanzenviertel und Teilen Altonas eingerichtet. Bislang sind dort mehr als 400 Menschen überprüft worden. Es seien gut 90 Aufenthaltsverbote und acht Platzverweise ausgesprochen worden.

Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion hinterfragte die Sinnhaftigkeit des Gefahrengebietes. „All diese Personen hätten Sie auch ohne ein Gefahrengebiet ansprechen können. Ich sehe schlicht und einfach das Ziel der Maßnahme nicht“, sagte sie in Richtung der Polizeiführung.

Neumann antwortete, dass er durchaus einen Sinn darin sehe. „So können relevante Personengruppen angesprochen werden. Diese Personen verhalten sich anschließend anders, weil sie von der Polizei angesprochen wurden.“ Zudem beinhalte das Mittel des Gefahrengebiets aus seiner Sicht auch keinen „Generalverdacht“ gegen einen Stadtteil. „Genauso wenig, wie Alkoholkontrollen im Straßenverkehr auch kein Generalverdacht gegen alle Autofahrer ist, dass sie sich betrunken hinters Steuer setzen.“

Christiane Schneider, Innenpolitikerin der Linken, kritisierte mehrere Polizeieinsätze: „Ich habe unprovozierte Pfeffersprayeinsätze gesehen.“ Entsprechende Anzeigen habe es aber nicht gegeben. Neumann entgegnete, dass es für einen Rechtsstaat schwierig sei, mit solchen Vorwürfen umzugehen, wenn es keine Anzeigen gebe. „Es gibt niemanden, der bereit ist, sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Teil des Rechtsstaates ist es, dass man sich auch zu erkennen gibt.“