18 Gäste finden Platz im früheren Ledigenheim für Frauen. Projekt der HafenCity-Uni. Das Hotel ist nur eines von vielen Projekten, die die Studierenden bislang entwickelt haben.

Hamburg. Das wohl ungewöhnlichste Hotel Hamburgs sieht aus wie ein von Kinderhand gezeichnetes Fantasiegebäude: Zusammengezimmert aus Industrie-Spanplatten und Gerüstteilen windet es sich treppauf, treppab um mehrere Bäume. Ein Teil der 18 Schlafstätten befindet sich in schwebenden Kapseln, die an Kokons erinnern, andere sind in verwinkelten Kammern, eine im gläsernen Penthouse. Über einen Holzsteg gelangt man in ein Open-Air-Badezimmer mit Duschkabine und Wanne. Nicht weniger originell ist der Ort, an dem die Herberge steht. Es ist der Campus der Universität der Nachbarschaften in Wilhelmsburg. Er gleicht einem Abenteuerspielplatz.

Die Universität der Nachbarschaften (UdN) ist ein fünfjähriges Projekt im Rahmen des Studiengangs Urban Design und ein Kooperationsprojekt der HafenCity-Universität (HCU) mit der Internationalen Bauausstellung (IBA). Untergebracht ist sie in einem früheren Ledigenheim für Frauen, das jahrelang leer stand. Das Gebäude am Rotenhäuser Damm wurde von den Studenten entkernt und nach ihren eigenen Ideen gestaltet. Es gibt eine Gemeinschaftsküche und Räume mit nackten Wänden, in denen sie lernen und Workshops veranstalten können.

Es ist nicht sehr komfortabel, auch nicht besonders sauber und aufgeräumt – und trotzdem Luxus, denn in der UdN sind studentisches Wohnen, Seminare und Forschung unter einem Dach vereint. „Während anderswo angehende Stadtplaner nur theoretisch lernen, werden die Studierenden hier an die Praxis herangeführt“, sagt René Reckschwardt von der IBA. Der Stadtplaner begleitet das Projekt seit 2006. Damals entstand die Idee, gemeinsam mit der HCU ein Grundstück mit altem Bestandsgebäude zu entwickeln, das die Finanzbehörde dafür zur Verfügung gestellt hatte. Ein Studentenwettbewerb wurde ausgelobt. „Es gab nur eine Gruppe, die das Gebäude erhalten wollte“, so Reckschwardt. Die gewann. Bernd Kniess, Professor für Stadtplanung und Urban Design, entwickelte den Gedanken mit den Studenten weiter und machte das Grundstück mit dem alten Gebäude zur Außenstelle der HCU. „Unsere Studenten sollten hier die Möglichkeit bekommen, im realen Raum zu arbeiten“, sagt Kniess. Sie sollten sich mit Wohnformen beschäftigen und mit den Herausforderungen, die Stadtentwicklung in immer größer werden Metropolen bestimmen. Ihren Namen erhielt die Uni, weil gute Stadtplanung immer auf die Bewohner und ihre Bedürfnisse eingehen sollte.

Das Hotel ist nur eines von vielen Projekten, die die Studierenden bislang entwickelt haben – mit internationalen Experten, aber auch mit der Nachbarschaft. So wurden in Sommercamps mit Wilhelmsburger Kindern und Jugendlichen Baumhäuser geplant und gebaut. Eins der Resultate hängt vor dem Hotel von einer hohen Birke: ein überdimensioniertes Schaukelnetz aus zu Strängen gedrehten Plastikplanen. „Das ist an einer Art Riesen-Strickliesel entstanden“, sagt Julia Zajaczkowska, 24, die an der UdN nicht nur studiert, sondern auch wohnt. Die kokonartigen Schlafkapseln, die mit Feuerwehrschläuchen oder Fahrradschläuchen umwickelt sind, wurden ebenfalls in einem Baumhaus-Workshop realisiert.

Gegenleistung erbeten

Mit dem Bau des Hotels begannen die Studenten im März – Anlass war ein Workshop mit dem holländischen Künstler Ton Matton. Bei Schnee und Minustemperaturen wurde zunächst das Zentrum mit vier verwinkelten Schlafkammern geschaffen; Material bekamen die Studierenden von den umliegenden IBA-Baustellen, der Feuerwehr und einem Wilhelmsburger Segelmacher. Die Pläne und Konzepte für ihr Projekt „Hotel?“ hatten die Studierenden seit Oktober entwickelt. Unter Anleitung ihrer Dozenten holten sie die Genehmigungen ein. „Offiziell“, so Julia, „ist unser Hotel eine Bauskulptur.“

Im Laufe der Monate wuchs diese in Höhe und Breite. Die IBA hatte das Gerüst ihres ehemaligen Aussichtsturms zur Verfügung gestellt. Jetzt entstanden daraus Plattformen und Treppen, auch die Schlafkapseln wurden an dem Metallgestänge befestigt.

Der Aufenthalt im „Hotel?“ ist kostenlos. „Wir bitten unsere Gäste aber, sich einzubringen“, sagt Julia. Das könne ein Beitrag zum Frühstück oder zum Kulturprogramm sein. Eins aber ist Pflicht: jeder muss seinen Aufenthalt und seine Eindrücke dokumentieren – für ein Buch. Das wird das Einzige sein, was von der UdN letztlich übrig bleibt. Denn im März läuft ihre Zeit ab. Dann wird das Grundstück an die Finanzbehörde zurückgegeben.