Die Stadt Hamburg wird das Jahrhundertbauwerk Elbphilharmonie zusammen mit dem Generalunternehmer Hochtief fertigstellen.

HafenCity. Kann man Probleme, die über Jahre aufgelaufen sind, innerhalb von Tagen oder gar Stunden lösen? Das war die entscheidende Frage, die sich den Verantwortlichen im Kampf um den Weiterbau der Elbphilharmonie stellte. Gestern war nun der Tag des Ultimatums , an dem sich entscheiden sollte, ob die Stadt das Jahrhundertbauwerk zusammen mit dem Generalunternehmer Hochtief fertigstellt - oder ob sie nach jahrelangen Querelen den Baukonzern kündigt, um dann in Eigenregie zusammen mit den Schweizer Architekten von Herzog & de Meuron das Konzerthaus mit angeschlossenem 250-Betten-Hotel und 45 Luxuswohnungen zu Ende zu bauen.

Dabei kristallisierte sich im Laufe des Tages immer weiter heraus: Es geht doch noch gemeinsam weiter. Zwar bestätigten beide Seiten jeweils nur, dass es noch Gespräche gebe, aber das allein war schon ein Hinweis auf den Einigungswillen. Tatsächlich waren die entscheidenden inhaltlichen Probleme - die Fertigstellung des Saaldachs, dessen Sicherheit Hochtief anzweifelte, die Planung der Haustechnik sowie ein Schiedsgerichtsverfahren für alle strittigen Punkte - überwiegend schon in den Tagen zuvor ausgeräumt worden. Gestern ging es vor allem darum, dies in für beide Seiten gesichtswahrende Formulierungen zu gießen, die heute veröffentlicht werden sollen. Eine extrem anspruchsvolle Aufgabe, denn lange Zeit hatte es nicht danach ausgesehen, dass beide Seiten zu einem vernünftigen Dialog zurückfinden würden.

+++ Einigung mit Senat: Hochtief baut die Elbphilharmonie weiter +++

+++ Besuchermagnet Baustelle +++

+++ Es reicht! +++

Das Drama begann im Prinzip schon kurz nach der Grundsteinlegung im April 2007. Von Anfang an stritten sich die Stadt, der Generalplaner (die Architekten) und der Generalunternehmer (Hochtief) über fehlende Pläne, neue oder nur angeblich neue Wünsche der Stadt, Baumängel, Bauzeit und am Ende und vor allem: über die Kosten. Im Herbst 2008 kam es dann zum großen Schnitt: Mit dem "Nachtrag 4", also der vierten Überarbeitung der Verträge, akzeptierte der damalige CDU/GAL-Senat eine Kostenexplosion für die Stadt von 114 auf 323 Millionen Euro. Allein 137 der 209 Millionen Euro Mehrausgaben sollten an Hochtief fließen. 30 Millionen davon wiederum bezeichnete der Senat selbst als "Einigungssumme", die nur einen Zweck hatte: offene Streitpunkte mit Geld zuzukleistern.

Dennoch ging der Streit prompt weiter, bis er im Januar 2010 wieder eskalierte. Damals überraschte Hochtief die Stadt mit einem Schreiben, in dem es plötzlich hieß, dass "die für Ende 2011 vorgesehene Gesamtfertigstellung nicht realisiert werden kann". Ende 2012 sei realistisch. Seitdem wurde der Streit mit noch härteren Bandagen geführt. Und weil gleichzeitig immer weniger gebaut wurde, rückte der Fertigstellungstermin noch weiter in die Ferne: 2012, 2013, 2014 ...

Im Herbst 2011 war das Debakel perfekt: Hochtief stellte die Arbeiten am bereits 2000 Tonnen schweren Saaldach, an der Haustechnik, an der Fassade und an der "Tube", der 80 Meter langen Rolltreppe, deren Verkleidung von Rissen übersät ist, ein. Gearbeitet wurde jetzt nur noch im kommerziellen Bereich, also Parkhaus, Gastronomie und Hotel. Während die Stadt Rechnungen über eine zweistellige Millionensumme nicht mehr bezahlte, machte Hochtief im Gegenzug mehr als 50 Millionen Euro Mehrkosten geltend. Der Senat vermutete ganz offiziell, dass diese Summe auf mehr als 100 Millionen Euro steigen würde. Sogar Gerichte mussten sich mit den Streitpunkten befassen.

Als die Stadt im Februar in letzter Instanz das Dach für sicher erklärte, keimte kurz Hoffnung auf, weil Hochtief ein Einlenken andeutete. Doch eine am 6. März unterschriftsreif ausgearbeitete Neuordnung des Projekts wollte die Stadt dann wieder nicht unterzeichnen. Stattdessen setzte sie Hochtief am 14. April erstmals ein Ultimatum: Bis 31. Mai sollte der Konzern die Arbeiten wieder aufnehmen, andernfalls könne die Stadt ihr "Kündigungsrecht wegen unberechtigter Leistungsverweigerung" ausüben. Die Antwort war nicht so konkret wie erhofft: Hochtief kündigte einen Weiterbau nur an und zweifelte weiter an der Statik.

Nun wurden die Abstände zwischen den Treffen, Absprachen und Schreiben immer kürzer - und die Inhalte immer deftiger. Nach einem gescheiterten Gipfeltreffen am 14. Juni platzte beiden Seiten der Kragen. Zunächst schrieb Hochtief-Vorstand Rainer Eichholz am 18. Juni an Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos), das Treffen habe ihn "sehr enttäuscht", er befürchte nun eine "weitere Eskalation". Genau die gab es dann am 21. Juni: Wenn Hochtief nicht bis zum 28. Juni alle Bedingungen "vorbehaltlos" akzeptiere, betrachte man die Verhandlungen "als endgültig gescheitert", schrieb die Stadt. Angesichts der Tragweite einer drohenden Trennung bat Eichholz Kisseler am 25. Juni um Fristverlängerung bis zum 5. Juli. Die Antwort kam prompt: Aufschub könne nur bis zum 4. Juli gewährt werden, denn am 5. Juli werde die Stadt "ihre definitive Entscheidung treffen", so Kisseler.

Parallel stellte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) klar, dass zwar eine Lösung mit Hochtief für ihn Priorität habe, die Stadt das Konzerthaus aber auch allein fertig bauen könne. Davor habe er "keine Angst". Tatsächlich lagen detaillierte Pläne dafür vor. Doch die kommen nun nicht zum Tragen - was ein Beteiligter so zusammenfasst: "Die Vernunft hat sich durchgesetzt."