Das Alsterhaus feiert morgen 100-jähriges Bestehen - mit der größten Marzipantorte der Stadt. Seinen Namen erhielt der Traditionsbau erst 1935.

Hamburg. Es ist das Jahr 1986. Durch den Hintereingang des Kaufhauses wird neue Ware geliefert. Eine Flasche Champagner, die Schlagzeilen machen wird. Ihr Etikett besteht aus Gold und Lapislazuli, der Flaschenhals ist von einem mit Brillanten besetzten Goldnetz umspannt. 100.000 Dollar beträgt der Versicherungswert dieser teuersten Champagnerflasche der Welt, die nur für ein paar Tage zu Gast im Alsterhaus ist. Man hat sie aus der französischen Champagnerkellerei Piper-Heidsieck nach Hamburg gebracht, um die Kunden zum Staunen zu bringen.

Auch morgen darf wieder gestaunt werden. Wenn Alsterhaus-Geschäftsführer Sven Zahn zum Messer greift und die wohl größte Torte anschneidet, die jemals in dieser Stadt serviert wurde. Fünf Meter ist sie hoch und über und über mit Marzipan verziert. Das Schmuckstück ist ein Geschenk der "Berliner Kaufhaus-Schwester" KaDeWe zum 100. Geburtstag des Alsterhauses. Es ist das Kaufhaus, auf das die Hamburger stolz sind. Das zur Stadt gehört wie der Michel und die Alster. Ein Ort, an dem die Menschen ganz automatisch ihren Gang verlangsamen. Durchs Alsterhaus rennt man nicht, man flaniert. Lässt sich von guten Düften betören und von freundlichen Verkäuferinnen umgarnen. Wer's ganz bequem mag, meldet sich in der VIP-Lounge an und lässt sich vom Personal Shopping Service neu einkleiden. Dazu gibt es ein Gläschen Champagner und aus der vierten Etage einen sagenhaften Blick über die Dächer der Stadt.

+++ Morgen 100 +++

+++ Gold gibt's im Alsterhaus automatisch +++

+++ Norddeutschlands bester Einzelhandelsstandort +++

+++ Vier verkaufsoffene Sonntage für 2012 in Hamburg genehmigt +++

Das prächtige Gebäude ist 1911 von den Architekten Wilhelm Cremer und Richard Wolffenstein errichtet worden. Firmengründer Oscar Tietz, ein Enkelsohn des Warenhausbetreibers Hermann Tietz, wollte damals für 4,5 Millionen Goldmark eines der prächtigsten Warenhäuser des Landes schaffen. 1912 wurde dieser "Palast" eröffnet, der auf 5000 Eichenpfählen im weichen Erdboden am Alsterufer entstanden war.

So unvergänglich wie der Unterbau ist das Haus selbst. Eine Institution, die jeder kennt. "Wer immer Hamburg besucht, landet irgendwann über seinen Reiseführer auch bei uns", sagt Sven Zahn. Sogar Prince Charles und Prinzessin Diana nahmen sich bei ihrem Hamburg-Besuch 1987 Zeit, auf dem roten Teppich ins Alsterhaus zu flanieren.

"'Wo, bitte, geht es zum Alsterhaus?', diese Frage kann jeder Hamburger beantworten", sagt Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Das ist heute so. Das war schon 1912 so, als der Satz "Wir gehen zu Tietz" in den gängigen Sprachgebrauch der Hamburger rutschte. Als am 24. April zum ersten Mal die Türen des Waarenhauses Hermann Tietz - so der ursprüngliche Name - öffneten, strömten die Menschen zu Tausenden in den neuen Palast. Was sie dort sahen, verschlug ihnen den Atem. In der Halle des fünfstöckigen Gebäudes schimmerten grün die Säulen aus Pavonozza-Marmor, die Räume verziert mit Glasmosaiken und Bronzearbeiten, 16-armige Lichtkronen spiegelten sich schon damals im glänzenden Messinggeländer, und auf alles fiel sanftes Tageslicht durch eine Glaskuppel. "Bis auf Elefanten und Kriegsschiffe bekommt man hier alles", soll einer der ersten Gäste gesagt haben.

Heute hat sich das Angebot der "Grande Dame an der Binnenalster" auf die Bereiche "Beauty, Fashion, Accessoires, Living und Hut" spezialisiert. Es gibt den einfachen Knopf für einen Euro und auch die 30-Liter-Flasche Champagner Armand de Brignac für 50.000 Euro. "Wichtig ist, dass die Kunden emotionale Welten sehen, die begeistern sollen", sagt Marketingexpertin Silke Jost, die mit dieser Aussage ins Mark der Firmenidee von Gründer Oscar Tietz trifft. Dieser starb 1923, zehn Jahre später wurde das Haus der jüdischen Kaufmannsfamilie unter dem Druck der Nationalsozialisten in den Bankrott getrieben. Der Name Hermann Tietz als Warenhausname verschwand in der Abkürzung "Hertie", ein Bankenkonsortium erhielt die Kontrolle, 1935 folgte die Umbenennung in "Alsterhaus". Nach dem Krieg blieb das Haus im Besitz von Eigentümer Georg Karg, der das Haus 1939 günstig erworben hatte. Er beschäftigte Anfang der 70er-Jahre im Hertie-Konzern 57.000 Mitarbeiter in mehr als 100 Kaufhäusern. Eine der Mitarbeiterinnen war Renate Czaplinski, von 1972 bis 1998 als Einkäuferin im Alsterhaus. Sie kann erzählen von einer Zeit, als jeder Kunde noch mit Namen begrüßt wurde und sie als Einzige in der Frankfurter Zentrale immer blaue Lederwaren orderte, weil die Hamburger "eben alles in Blau haben wollten".

Anfang des Jahrtausends investierte der Karstadt-Konzern noch einmal 35 Millionen Euro in seine "Grande Dame". Eine "Verjüngungskur", die sich offenbar gelohnt hat. Geschäftsführer Zahn ist zufrieden. Und wenn er morgen um 11 Uhr auch nicht Champagner, sondern Prosecco ausschenkt, so nur deshalb, weil alle mitfeiern sollen: der Wirtschaftssenator, die Mitarbeiter und die Kunden, die in diesem Palast König sind.