Mieter lehnte drastische Erhöhung ab - da rückte der Hauseigentümer mit Kettensägen an und zerstörte den toskanischen Garten.

Hamburg. Dem sonst so eloquenten Werber fehlen für einen Moment die Worte. Gerald Heinemann muss sich sammeln. Damit er vor lauter Wut nichts Unüberlegtes sagt. "Das alles ist absurd, absurd, absurd", sagt er dann. Wo vor einer Woche sein toskanischer Garten war, blickt der 57-Jährige heute auf eine Wüstenei. Gestrüpp liegt verstreut herum, ein paar Baumstümpfe ragen aus dem Boden - die kläglichen Überreste dessen, was Heinemann sein "Paradies" nannte.

Wenn er jetzt aus dem Fenster schaut, fühlt sich der 57-Jährige "an ein Bombardement" erinnert. Heinemann spricht von Barbarentum gegen die Natur, davon, dass ein "Haufen bezahlter Söldner" - einem "Rollkommando" gleich - unter der Regie seines Vermieters Ludger H. seinen Garten "in null Komma nichts plattgemacht" habe. Heinemann vermutet: Sein Vermieter wolle ihn mit "diesem verrückten Massaker" aus der Wohnung ekeln - weil er eine drastische Mieterhöhung nicht mittragen wollte.

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Gerald Heinemann ist vor 25 Jahren in die Wohnung an der Abteistraße eingezogen. Für den Garten, damals eine 160 Quadratmeter große Baugrube, garantiert ihm der Mietvertrag das alleinige Nutzungsrecht. Mit seinem Vater und dem Hausmeister macht er sich ans Werk: Sie bauen eine toskanische Terrasse, pflanzen Zypressen und Bambus an, Rhododendren und Fliederbäume, einen Birnenbaum, Essig-Palmen, Heckenpflanzen. Eine prächtige Wiese gedeiht dort, mit Puste- und Kornblumen, flankiert von Rosen, Lupinen und Hortensien, eine Blütenpracht. Im Sommer legt er sich, durch sechs Meter hohen Bambus und Zypressen vor Blicken geschützt, zum Sonnenbaden auf die Wiese. Garten ist Frieden, eine grüne Oase, in der der Ex-Geschäftsführer von Scholz & Friends - einer der höchstdekorierten Kreativen Deutschlands - gut abschalten kann, wo er mit Freunden Fußball spielt und grillt.

Die Geschichte, die von der Willkür eines Vermieters und der Ohnmacht eines Mieters erzählt, beginnt Mitte 2011, als der Duisburger Unternehmer Ludger H. das denkmalgeschützte, herrschaftliche Mietshaus angeblich für rund 2,4 Millionen Euro erwirbt. Zwei der drei Parteien leben seit 25 Jahren in der Villa. Ihre alten Verträge schützen sie vor Wuchermieten - gut für sie, schlecht für den Investor. Im feinen Harvestehude zahlt der 57-Jährige für die 153 Quadratmeter große Luxuswohnung gerade mal 1400 Euro Kaltmiete. Im September stellt sich Ludger H. bei Heinemann vor: Er wolle die Miete erhöhen, von neun auf 16 Euro pro Quadratmeter. Der Mietspiegel für das Quartier erlaubt maximal elf Euro pro Quadratmeter. Heinemann: "Für den Fall, dass wir zum Thema Verdopplung der Miete nicht zusammenkommen, drohte er damit, Eigenbedarf geltend zu machen."

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Über seine Anwältin Ulrike Traut erklärt er sich schriftlich nicht mit der Mieterhöhung einverstanden. Am 17. Januar erreichen ihn gleich drei Einschreiben von Ludger H. In dem einen steht, sein Garten sei "wenig gepflegt" und müsse sich künftig "der Adresslage entsprechend angemessen gegenüber den Nachbarn präsentieren". Er werde den Garten neu gestalten lassen, am 1. Februar begännen die Arbeiten. Heinemann: "Der wollte mich offensichtlich hier raushaben, und das nach 25 Jahren, in denen ich die Wohnung und den Garten von einem Sanierungsfall in ein Schmuckstück verwandelt habe."

Heinemann widerspricht schriftlich ausdrücklich auch dem Beginn der Gartenarbeiten. Er erklärt sich aber bereit, über Umgestaltungen mit sich reden zu lassen. Wochenlang hört Heinemann nichts - bis Ludger H. am 9. Februar Tatsachen schafft.

Gegen 10 Uhr, Heinemann steht gerade im Bad, hört er einen Knall. "Dann brach die Hölle los." Durch das Fenster sieht er, wie sich sechs Männer mit Kettensägen und Äxten an seinen Zypressen, Fliederbäumen, dem Birnenbaum und den Rhododendren zu schaffen machen. Heinemann traut seinen Augen nicht. Bei minus acht Grad tritt er in Shorts vor die Tür. "Was machen Sie da? Hören Sie sofort auf", schreit er. "Auftrag ist Auftrag", antworten die Männer in gebrochenem Deutsch. In der Mitte steht Ludger H. und erteilt Instruktionen. Er ignoriert ihn. Heinemann ruft seine Anwältin und die Polizei an, hält mit der Kamera fest, wie die Männer Kleinholz aus seinem Garten machen.

Als die Beamten nach 20 Minuten eintreffen, ist von der üppigen Fauna nichts mehr übrig, Heinemanns Idyll dem Erdboden gleichgemacht. "Das Schlimmste war das irrwitzige Bild, als die Beamten weg waren", sagt der 57-Jährige. "Da stand Ludger H., im Kreise seiner Männer, stieß mit ihnen auf die Untat mit Bier an. Alle johlten wie böse kleine Jungs, lachten sich schief."

Allein den materiellen Schaden schätzt Heinemann auf rund 25 000 Euro, vom ideellen Verlust ganz zu schweigen. "Der Garten war von Frühjahr bis Herbst der Lebensmittelpunkt von mir und meinen Freunden." Seine Geschichte ist auf Facebook bisher rund 1000-mal kommentiert worden. "Zieh aus, du wirst da nicht mehr glücklich" rieten ihm die einen. "Das kannst du dir nicht gefallen lassen", meinten andere. Heinemann beschloss zu kämpfen.

Auf Abendblatt-Anfrage ließ Ludger H.s Ehefrau ausrichten, ihr Mann verweigere jeden Kommentar und lehne eine schriftliche Stellungnahme ab.

Rechtlich ist der Fall eindeutig. Vertreten wird Heinemann von der Kanzlei Traut. Ulrike Traut sagt: "Ich bin seit 20 Jahren Anwältin und habe einiges erlebt, so eine Dreistigkeit noch nicht." Selbstverständlich habe Ludger H. kein Recht gehabt, in das Grundstück einzudringen und den Garten abzuholzen - schließlich habe Heinemann das alleinige Nutzungsrecht. "Wir haben Herrn H. aufgefordert, den Garten in seinem ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, und ihm vorsorglich ein Hausverbot erteilt." Weigere er sich, werde man auf Schadenersatz klagen und auch strafrechtliche Gesichtspunkte prüfen lassen. Möglicherweise liege zudem ein Verstoß gegen die Baumschutzverordnung vor. So oder so, für Heinemann steht fest: "Diese Aktion hatte etwas Steinzeitliches."