Massive Kritik der Opposition: Viele sozial benachteiligte Stadtteile besonders betroffen. Nur 86,4 Prozent aller Unterrichtsstunden werden regulär erteilt – der Rest sind Projekte und Vertretungen.

Hamburg. Obwohl der Senat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, um den Unterrichtsausfall an Hamburger Schulen zu verringern und die Qualität des Vertretungsunterrichts zu verbessern, fallen in Hamburg immer noch 1,2 Prozent der Stunden ersatzlos aus. Nur 86,4 Prozent aller Unterrichtsstunden werden regulär erteilt – der Rest sind Projekte und Vertretungen.

Dem Abendblatt liegt jetzt die komplette Liste mit den ausgefallenen Stunden vor. „Spitzenreiter“ sind demnach die Kurt-Tucholsky-Schule in Eidelstedt mit 5,54 Prozent und das Gymnasium Ohlstedt mit 5,17 Prozent Unterrichtsausfall. Mehr als vier Prozent sind es unter anderem an der Nelson-Mandela-Schule in Kirchdorf (4,38 Prozent) und am Gymnasium Altona (4,11 Prozent). An neun Schulen fallen mehr als drei Prozent des regulären Unterrichts aus, darunter die Grundschule Heidhorst in Lohbrügge als einzige Grundschule unter den Top 25. An 38 Schulen fallen mehr als zwei Prozent Unterricht aus. Erfasst wurden sämtliche versäumte Schulstunden an 339 Schulen von Februar bis Juli 2014.

Besorgniserregend ist der hohe Anteil von Unterricht, der an einzelnen Schulen zwar nicht ausfällt, aber durch Vertretungslehrer erteilt wird: An der Grundschule Döhrnstraße in Lokstedt sind es laut Zahlen des Senats insgesamt 28 Prozent – ein Spitzenwert. An der Strenge-Schule in Wellingsbüttel werden 15 Prozent des Unterrichts vertreten. Insgesamt sind es 33 Hamburger Schulen (darunter 17 Grundschulen, 13 Gymnasien und drei Stadtteilschulen), an denen mehr als zehn Prozent der Stunden durch Vertretungslehrer gegeben werden. Betrachtet man einzelne Klassenstufen, ist das Problem noch sehr viel gravierender: In den Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) für zugewanderte Kinder an der Schule am Walde wurde mehr als die Hälfte des Unterrichts vertreten (52,6 Prozent), rund jede vierte Stunde wurde in den ersten Klassen an der Schule Friedrich-Frank-Bogen (27,7 Prozent) und bei den Sechstklässlern an der Schule Rellinger Straße (24,3 Prozent) vertreten. An der Stadtteilschule Horn wurde hingegen gar kein Unterricht vertreten – jede der 31.500 Stunden fand regulär statt.

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„Besonders bitter ist der hohe Unterrichtsausfall in sozial schwachen Stadtteilen“, sagt Robert Heinemann. Die Zahlen stammen aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten.

„Hier ist die Behörde gefordert, rechtzeitig die Schulaufsicht einzuschalten, mit den betreffenden Schulleitern zu sprechen und zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen.“ Zum Hintergrund: Bei „selbst verantworteten Schulen“ sind die Schulleitungen für die Organisation von Vertretungsstunden zuständig. Nach Angaben der Behörde ist es die Aufgabe der Schulleitung, diese Vertretungsreserve zielgenau einzusetzen und so zu organisieren, dass kein Unterricht ausfällt.

Aber: „Zum einen liegen diese Zahlen deutlich über der Zielvorgabe der Behörde, zum anderen findet in der Praxis häufig selbst bei Vertretungen durch Fachlehrer kein curricularer Unterricht statt“, sagt Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der CDU. Es bestehe erheblicher Handlungsbedarf in der Qualität der Vertretungsstunden. Aber selbst bei Fachlehrern sei es üblich, dass Schülern Filme gezeigt würden. Grund sei, dass sich die Lehrer nicht austauschten, was gerade im Unterricht durchgenommen wird. Prien: „Die Kommunikation zwischen Lehrern muss institutionalisiert werden.“

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