Bergedorf. Pflegefachkräfte sind Spezialisten gleich in mehreren Disziplinen. Doch es gibt auch Kritik an der neuen Ausbildung.

Allumfassend, runderneuert, systemrelevant und zukunftssicher: Attribute, mit denen sich die Ausbildung zur Pflegefachkraft umschreiben lassen. Seit Beginn 2020 umfasst diese neben dem stationären Krankenhausteil auch die Bereiche Alten- und Pflegeheim, Pädiatrie sowie ambulante Pflege und Schmerztherapie.

Drei Jahre später sind die ersten jungen Menschen ausgelernt – auch im Bergedorfer Agaplesion Bethesda Krankenhaus. Nicht ohne Stolz darf sich Hanna Wawrzyn (24) Pflegefachfrau der ersten Generation nennen, sie hat ihre Ausbildung erfolgreich absolviert und gehört nun zum festen Team der Station 15 für Privatpatienten.

Bethesda: Erste Absolventen der neue Pflegefachkraft-Ausbildung

Eigentlich hatte sie Medizin studieren wollen, „doch die ersten Praktika in Krankenhäusern haben mir nicht so gefallen“, erzählt Hanna Wawrzyn: „Da durfte ich im Grunde nur zugucken und nichts machen.“ Die Idee eines medizinischen Berufs verblasste bei der jungen Frau zusehends – bis ihre Eltern sie überredeten, einen letzten Versuch im Bergedorfer Krankenhaus zu unternehmen. Das kommt nicht von ungefähr, denn Vater Hajo (heute Hausarzt) und Mutter Christine (Hebamme) arbeiteten auch mal im Bethesda.

Hanna Wawrzyn absolvierte ein zweimonatiges Pflegepraktikum in der Kardiologie. Zu ihrer großen Zufriedenheit: Als Auszubildende startete sie dann mit drei weiteren jungen Leuten im Februar 2020 – ahnungslos, dass ihre mehrgliedrige, ohnehin fordernde Ausbildung durch die Corona-Pandemie noch anspruchsvoller werden sollte.

Ausbildung unter Corona-Bedingungen besonders herausfordernd

Gegen den unsichtbaren Feind braucht es auf der Station plötzlich Ganzkörper-Schutzkleidung, ständige Tests und Abstand – dabei ist das Wesen der Pflege doch, dass direkt am Patienten gearbeitet wird. Acht Stunde dauerhaft Maske tragen, ist auch nicht jedermanns Sache. Ebenso wie Schicht- und Wochenenddienste, die physisch und psychisch fordern. Von den vier Azubis blieben letztlich Hanna Wawrzyn und Joschua Tüger (24) bis zum Schluss dabei.

Die Bethesda-Pflegekräfte Joschua Tüger und Hanna Wawryzn beendeten ihre Ausbildung kürzlich, hier bei der Auszeichnung in der Health Care Academy.   
Die Bethesda-Pflegekräfte Joschua Tüger und Hanna Wawryzn beendeten ihre Ausbildung kürzlich, hier bei der Auszeichnung in der Health Care Academy.    © BGDZ | Bethesda Bergedorf

Warum Schwester Hanna durchhielt: „Es klingt platt, aber es ist diese Dankbarkeit der Patienten“, sagt die 24-Jährige, deren Schwester Emmy ähnlich begeistert gerade anderthalb Jahre in der gleichen Ausbildung steckt. „Manche können es gar nicht glauben, dass man alles für sie tut. Sie merken, dass ich ihnen stets etwas Gutes tun will.“

Zum Kaffee mal einen Cappuccino ans Bett bringen, das Servieren von allen Mahlzeiten, Dinge der Körperpflege wie Rasieren, Haare waschen oder Duschen. „Sinnvolle Dinge mache ich am liebsten“, sagt der Neuzugang auf Station 15. Damit meint die gebürtige Konstanzerin ganz klar „die Arbeit direkt am Patienten“. Darüber rede sie auch gern und viel in ihrer Freizeit, auch um ihr Schaffen zu reflektieren.

Viel Arbeit am Patienten, aber leider auch der Zwang zur Dokumentation

Doch zur Wahrheit des Berufs gehört auch, dass gut die Hälfte der Arbeitszeit mit Dokumentation, Organisation oder Abrechnungen verbracht wird, damit entsprechende Leistungen bei den Krankenkassen geltend gemacht werden können. Nervig, aber notwendig und im Arbeitsalltag zunehmend. „Wenn etwas nicht dokumentiert ist, heißt es am Ende, dass es nicht gemacht wurde“, verdeutlicht Rabea Kucinski, im Bethesda Ansprechpartnerin in der praktischen Pflegeausbildung.

Und es gibt weitere Kritik an der generalisierten Ausbildung: So verbringen die Auszubildenden bei ihren über drei Jahre kumulierten 2600 Stunden Praxis und 2100 Stunden Theorie weniger Zeit in den Krankenhäusern. „Unsere Azubis sind gerade im ersten Ausbildungsjahr durch Außeneinsätze in Alten- oder Pflegeheim und Berufsschule lange aus dem Krankenhaus raus“, bemängelt Urda Hittmeyer, Ausbildungsleiterin im Bethesda. Dies sei der Preis der Zusammenfassung dreier unterschiedlicher Berufe.

Im finalen Jahr stehen dann zum Beispiel Besuche in der Psychiatrie, der Pädiatrie sowie Vertretungseinsätze an. Wer möchte, kann das Ganze mit einem Auslandseinsatz oder in der Zentralen Notaufnahme des Krankenhauses abrunden.

Bergedorfer Krankenhaus bietet Infoabend zur generalisierten Ausbildung an

Doch möglicherweise könnten die Krankenhäuser auch Profiteure der Ausbildungs-Neuordnung sein, sie sind vermeintlich die attraktivsten Arbeitgeber im medizinischen Umfeld. Allerdings bleiben Schichtdienst und eher schmale Vergütung für den körperlichen Aufwand – wobei 3200 Euro als Einstiegsgehalt plus 300 Euro an Sonn- und Feiertagszuschlägen so verkehrt nicht klingen.

„Nach dem Ausbildungsende stehen Berufsanfängern viele Möglichkeiten offen“, weiß Rabea Kucinski, „man erlangt durch die breitere Ausbildung auch eine höhere Kompetenz, lernt mehr exemplarisch und prozessorientierter und entscheidet mehr am Patienten direkt.“

Allen, die sich für die neu gestaltete Ausbildung zum Pflegefachfrau/-mann interessieren, sei Dienstag, 14. Februar, ans Herz gelegt. Dann ist im Bethesda von 17 bis 19 Uhr ein Infoabend, der sich in erster Linie an Schüler und Eltern richtet. Dabei sollen Ausbilder und Auszubildende über ihren Arbeitsalltag sowie über die Inhalte der Ausbildung sprechen und führen durch das Bethesda. Anmeldung bis 12. Februar per E-Mail an slehmann@bkb.info. Teilnehmer benötigen einen tagesaktuellen negativen Corona-Test müssen eine FFP2-Maske tragen.