Tourismuschef zieht positive Bilanz für erstes Halbjahr. Kreuzfahrtschiffe locken Gäste. Amsterdam soll auf Beliebtheitsskala verdrängt werden.

Hamburg. Er hat darauf hingearbeitet, jahrelang und stetig. Jetzt ist er sich sicher, dass er die Zielgerade erreichen wird. "Hamburg wird dieses Jahr erstmals in die Top Ten der größten europäischen Tourismusziele aufgenommen", sagte Dietrich von Albedyll, Chef von Hamburg Tourismus, dem Abendblatt. "Wir werden Amsterdam von Platz zehn verdrängen." Sein Optimismus gründet sich darauf, dass die Elbmetropole im ersten Halbjahr mit knapp 4,9 Millionen Übernachtungsgästen (plus 9,4 Prozent) einen neuen Rekord verzeichnen konnte, während Amsterdam 0,1 Prozent verlor. "Bis zum Jahr 2020 rechnen wir mit 18 Millionen Übernachtungen in der Hansestadt", ist sich Albedyll, der auch Vorsitzender der Geschäftsführung von Hamburg Marketing ist, sicher. Wenn die Voraussagen des Reiseexperten zutreffen, müsste die Zahl der derzeitigen Hotelbetten in der Stadt nochmals um 30 000 auf 80 000 steigen. Die Arbeitsplätze in der Branche könnten von jetzt 108 700 auf 140 000 zulegen.

"Hamburgs Hotels haben mit einer Quote von 74 bis 75 Prozent die höchste Auslastung in Deutschland", so Albedyll. Allein in diesem Monat kommen rund eine Million Übernachtungsgäste - so viel wie noch nie in einem August.

Nicht nur die Tourismuswirtschaft profitiert bereits von dem Boom, sondern auch viele andere Branchen. So gaben Tages- und Hotelgäste im vergangenen Jahr 7,4 Milliarden Euro in der Stadt aus, zum Shoppen, für kulturelle Events oder auch für Übernachtungen. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 spülte der Tourismus nur 2,7 Milliarden Euro in die Kassen. Der Boom hat viele Gründe wie etwa die Attraktivität der Theater oder der Oper sowie den zahlreichen Musicals und Musikklubs in der Stadt. Auch die neue HafenCity zieht viele Reiselustige an - und natürlich die Euro-Schwäche. Vor allem Schweizer und Briten, die eine andere Währung haben, kommen derzeit in die Metropole. Hinzu kommt, dass jeden Tag rund 400 000 Tagesgäste in die Stadt strömen.

+++ Cruise Days 2012: So schön kann Hafen sein +++

+++ SPD hält an Kulturtaxe fest, FDP fordert den Verzicht +++

+++ Mehr Hotel-Gäste im Norden +++

Erstmals wird die Hansestadt in diesem Jahr zudem in elf Monaten von Kreuzfahrtschiffen angefahren. Bislang lag die Saison eher in den Frühlings- und Sommermonaten. "Hamburg wird eine Ganzjahresdestination für die Branche", freut sich Albedyll. Und auch hier will er noch mehr erreichen. "Gäste aus ganz Deutschland gehen bei uns auf ihr Schiff. Wir müssen sie überzeugen, dass sie vor oder nach der Reise einige Tage in Hamburg verbringen." Laut Albedyll gehört der gesamte Ostseeraum mit einem Marktanteil von 26 Prozent der Passagiere zum bedeutendsten Revier für Kreuzfahrttouristen, hinter dem Mittelmeer (33 Prozent) und vor der Karibik (16 Prozent). "Hamburg ist auf dem Weg, der nordeuropäische Kreuzfahrthafen zu werden." In der Stadt stellt sich der Tourismus als krisenfester Wirtschaftsfaktor dar.

"Selbst während der Finanzmarktkrise 2009 konnten wir bei den Übernachtungen zulegen - damals als einzige Großstadt in Europa", so Albedyll. Wenn sich eine Metropole touristisch gut präsentiert, locke dies kreative Menschen und im besten Fall auch neue Unternehmen an. Doch nicht alles ist bestens. Hamburg hat immer noch zu wenige Auslandstouristen. 30 Prozent werden angepeilt, aber im ersten Halbjahr waren es nur 21,7 Prozent. Das war im Vergleich zu 2011 aber immerhin eine Zunahme von 14,5 Prozent. Vor allem Amerikaner besuchen in Europa lieber andere Städte. Albedyll arbeitet hier an einer Verbesserung. Und die Europäische Union hilft ihm dabei. "Mit finanzieller Unterstützung der EU haben wir erstmals gemeinsam mit den Metropolen Helsinki, Riga, Warschau und St. Petersburg ein Kooperationsprojekt gegründet", sagt er. Ziel sei es, mehr Touristen in den gesamten nordeuropäischen Raum zu locken. Auch in der Metropolregion mit mehr als fünf Millionen Einwohnern vermarkten sich inzwischen Hamburg und andere Städte und Gemeinden touristisch gemeinsam. "Der gesamte norddeutsche Raum ist gefragt, seine Attraktivität und Anziehungskraft zu erhöhen", so Albedyll. Lübeck investiere derzeit 27 Millionen Euro in sein neues Hansemuseum, auch in den Küstengemeinden verbessere sich die Hotelinfrastruktur.

Große Erwartungen knüpft der Hamburger Tourismuschef an den neuen Großflughafen, der in Berlin entsteht. Albedyll strebt eine Kooperation an. Das Ziel: Großflugzeuge, die in Berlin landen, sollen anschließend ihre Passagiere weiter nach Hamburg fliegen und umgekehrt. Für die Hansestadt würde dies eine bessere Anbindung an die großen Luftfahrtdrehkreuze bedeuten - so könnte man noch mehr Touristen in die Stadt locken.

"In Zukunft werden jene Destinationen langfristig erfolgreich sein, die authentische Erlebnisse bieten und einen nachhaltigen, umwelt- und sozialverträglichen Tourismus praktizieren", sagt Albedyll. Hamburg arbeite daran.