Beim Umgang mit historischen Villen geht es um mehr als nur um ein Investment

Zugegeben, man ist versucht, den Protest der in Pöseldorf und auf der Uhlenhorst lebenden Villenbesitzer als Luxusproblem abzutun. Es ist der Lauf der Welt, dass Stadtteile sich verändern. Der Abriss von alten Gebäuden gehört genauso dazu wie die Errichtung von Neubauten. Dass diese oft den Geschmack der Alteingesessenen nicht treffen, überrascht wenig. Im Falle historischer Villen, die teilweise mehr als 100 Jahre alt sind und vornehmlich in Hamburgs wohlhabenderen Stadtteilen stehen, lohnt jedoch die differenzierte Betrachtung.

Zunächst gilt der Beifall Oberbaudirektor Jörn Walter, der mit seiner Forderung recht hat, Hamburg solle das, was es an historischer Bausubstanz besitze, unbedingt erhalten. Viele Hamburger lieben ihre Heimatstadt des hanseatischen Flairs wegen und meinen damit - obwohl die meisten von ihnen dort nicht wohnen - auch die an der Außenalster gelegenen Viertel. Es sind eben nicht selten die prachtvollen Gebäude, die eine Straße prägen und die das Gefühl ausmachen, das Walter mit dem Satz "Du bist noch in deiner Stadt" beschreibt.

In anderen Fällen, wie bei dem im Jahr 2008 abgerissenen Mollerschen Palais, stehen diese Gebäude für die wechselvolle Geschichte Hamburgs und die Verantwortung, die sich für nachfolgende Generationen daraus ergibt. Das Mollersche Palais beispielsweise war 1877 vom Rathausarchitekten Martin Haller errichtet und später unter nicht ganz geklärten Umständen von der jüdischen Bankiersfamilie Wolff an die Filmgesellschaft Ufa verkauft worden. Gegner des Abrisses hätten das Palais gern als Gedenkstätte für die Geschichte des Nationalsozialismus erhalten.

Die andere Seite der Villen-Debatte beschreibt die Realität und die Herausforderungen, mit denen sich Politik und Wirtschaft auseinandersetzen müssen. Hamburg ist aktuell für Investoren aus aller Herren Länder ein attraktiver Immobilienstandort. Auf der Immobilienmesse Mipim, die vorige Woche in Cannes stattfand, stand Deutschland - mithin auch Hamburg - als "Country of Honour" im Mittelpunkt. Gründe dafür gab es genug. Die Immobilienpreise sind im internationalen Vergleich (noch) nicht zu hoch. Es gibt eine solide Wirtschaftslage und eine gute Bausubstanz.

Diese erfreulichen Rahmenbedingungen korrespondieren mit den stadtentwicklungspolitischen Vorstellungen von SPD-Bürgermeister Olaf Scholz. Er bekennt sich - beeinflusst von dem US-amerikanischen Städteforscher Edward Glaeser - zur Zukunft der Stadt. Übersetzt in seine Politik heißt das beispielsweise, durch Verdichtung mehr Wohnraum in Hamburg zu schaffen. Das von Scholz abgegebene Versprechen, jährlich 6000 Wohnungen bauen zu lassen, ist die logische Konsequenz. Auch wenn der SPD-Politiker dabei nicht zu allererst an Stadtteile wie Uhlenhorst oder Pöseldorf gedacht haben dürfte, so verdeutlichen seine Worte die Richtung, in die Hamburg als Wachsende Stadt marschieren wird.

Die aktuelle Debatte um den Abriss einzelner historischer Häuser bietet die Chance, Hamburgs Vergangenheit beim Weg in die Zukunft gebührend zu achten und dabei das demokratische Miteinander in dieser Stadt zu pflegen. Nicht jede Villa muss erhalten bleiben, aber über den Abriss eines jeden historischen Gebäudes sollte - im positiven Sinne - intensiv gestritten werden. Wenn letzten Endes der Abbruch nicht vermeidbar ist, dann sollten die Behörden ihre Möglichkeiten weidlich nutzen und Vorgaben im Interesse des Erhalts von Hamburgs Stadtbild machen.

Zu guter Letzt sollte eine im Streit um das Mollersche Palais geborene Idee belebt werden. Hamburger können "schutzwürdige Bauten" der Kulturbehörde melden. Das versetzt die Stadt in die Lage, hier und da den Deckel draufzulegen - noch bevor Investoren sich interessieren.