Große Aufgabe: Ein Eppendorfer Verein will das “Bethanien“ kaufen und dort ein Wohn- und Kulturprojekt für Jung und Alt verwirklichen.

Hamburg. Frag nicht, was dein Stadtteil für dich tun kann, sondern was du für deinen Stadtteil tun kannst. Passender als die an Kennedys legendäres Zitat angelehnte Aussage könnte ein Leitspruch für Heidemarie Lange, Wolfgang Hensch, Uli Thomas, Sabine Burke, Rika Tjakea, Klaus Kolb und die rund 40 Mitglieder des Vereins "Martini erleben" nicht sein. Sie leben in Eppendorf, rund um die Martinistraße. Sie träumen von einem barrierefreien Musterquartier. Und sie wollen den Entwicklungen in ihrem Stadtteil nicht nur zuschauen, sondern diese selbst vorantreiben.

Also haben sich die Eppendorfer vor sechs Jahren zusammengetan, im kleinen Gemeinschaftsraum des Kulturhauses Pläne für ein lebenswertes Quartier geschmiedet und angefangen, kleine Dinge zu verbessern. Sie haben Ampelphasen gemessen, die für Fußgänger zu kurz waren, haben dafür gesorgt, dass Bordsteinkanten für Rollstuhlfahrer abgesenkt werden, und sich um defekte Fahrstühle in öffentlichen Gebäuden gekümmert. Sie haben gemeinsam viel darüber nachgedacht, wie es sich im Alter im eigenen Stadtteil gut und möglichst selbstständig leben lässt.

Jetzt stehen die Menschen von "Martini erleben" vor ihrer größten Aufgabe: Sie wollen ihre Ideen für ein gemeinsames, freundschaftlich geprägtes Miteinander der Generationen im Quartier Tarpenbekstaße, Schedestraße, Frickestraße und Martinistraße wortwörtlich zementieren. Gemeinsam mit dem Bauverein der Elbgemeinden eG haben sie ein Konzept für das Gelände des Krankenhauses Bethanien an der Martinistraße 44 bei der Finanzbehörde eingereicht. Nachdem das Krankenhaus Bethanien im vergangenen Jahr in das Diakonieklinikum Hamburg an der Hohen Weide gezogen war, hat die Stadt das Grundstück samt dem 1893 erbauten Gebäude zum Verkauf ausgeschrieben. Für die Mitglieder von "Martini erleben" war klar: "Wir müssen hochpreisige Eigentumswohnungen verhindern und stattdessen Mietwohnungen, Soziales und Kultur auf dem 9174 Quadratmeter großen Gelände vereinen", sagt Klaus Kolb, Geschäftsführer vom Kulturhaus Eppendorf. Insgesamt sollen 76 Wohnungen entstehen, davon etwa die Hälfte im Altbau. Hinzu kommen zehn Appartements für eine Wohn-Pflege-Gemeinschaft. Geplant ist außerdem eine Tiefgarage mit circa 55 Stellplätzen.

Ein Teil der Wohnungen im Altbau soll im Rahmen einer Baugemeinschaft entstehen. Auch diese Idee kommt von "Martini erleben". Seit knapp drei Jahren treffen sich die Mitglieder der Quartiersentwicklungsgruppe regelmäßig, um ihre Ideen für ein gemeinschaftliches Wohnen zu bündeln. Es sind Menschen wie Ulla Gehring-von Soden, 66, die seit 30 Jahren in Eppendorf zu Hause ist und einen Ort sucht, an dem sie mit anderen gemeinsam das Alter genießen kann. Oder Sabine Stauss, 53, die im Rollstuhl sitzt und mit Menschen leben möchte, die sich gegenseitig unterstützen, die zuhören und mit anpacken. Denn auch darum soll es gehen. "Wir wünschen uns, dass möglichst viele Familien in das neue Quartier ziehen", sagt Klaus Kolb. Daraus könnten sich wertvolle Beziehungen entwickeln.

Den Mitgliedern von "Martini erleben" liegt vor allem die soziale und kulturelle Nutzung des Viertels am Herzen. So sollen in dem Altbau 1000 Quadratmeter für Kultur und Soziales zur Verfügung stehen. Dort sollen unter anderem das Kulturhaus, das Stadtteilarchiv, die Beratungsstelle für ältere Menschen, eine Wohn-Pflege-Gemeinschaft und ein Café einziehen.

Es geht dem Verein dabei auch um eine Vernetzung mit den ansässigen Wohnstiften, denn in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen etwa 400 Senioren. "Es ist der Traum von einem aktiven Miteinanderleben, von einem Wohnviertel für Jung und Alt", sagt Uli Thomas, Gemeindepastor von St. Martinus. Kirstin Mewes, Leiterin der Kita Schedestraße, wünscht sich mehr Begegnungen zwischen den Generationen, gemeinsames Basteln, Singen und Spielen. "Denn es sollte nicht jeder allein in seinem Kämmerlein sitzen."

Ob das gemeinsame Konzept den Zuschlag bekommt, wird in den kommenden Wochen entschieden. Die Chancen stehen jedoch gut. Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) steht dem Gesamtprojekt positiv gegenüber. Bei einem Besuch vor Ort versprach sie den Bewerbern eine Konzeptausschreibung mit qualitativen Kriterien. Das Höchstpreisverfahren würde in diesem Fall nicht angewendet, versicherte sie.