Gewerkschaft Ver.di spricht von Lohndumping und Schwarzarbeit bei Alten Eichen im Zusammenhang mit Beschäftigten in der Diakonissenanstalt.

Hamburg. Das Leitbild des Diakonischen Werks ist eine der berühmtesten Erzählungen im Neuen Testament. Es ist die Geschichte des barmherzigen Samariters, der einem ausgeraubten und schwer verletzten Mann half, ihn in eine Herberge brachte und für seine Pflege bezahlte. Genau jene Barmherzigkeit streitet die Gewerkschaft Ver.di der Diakonie nun ab. Nach Überzeugung der Mitarbeitervertretung verstoßen die Kirchenleute nicht nur gegen das eigene Leitbild, sondern auch gegen Vorschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Gesetze. Es geht um den Verdacht der Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und des Lohndumpings.

In die Kritik gerät die Art der Beschäftigung von Mitarbeitern der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Alten Eichen. Vorstandsvorsitzender der Einrichtung ist Pastor Torsten Schweda . Er ist auch Aufsichtsratsvorsitzender des Diakonischen Werks in Hamburg. Ihm wirft Gewerkschaftssekretär Arnold Rekittke vor, mit der Gründung einer Zeitarbeitsfirma gegen das eigene Kirchenarbeitsrecht zu verstoßen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat dazu ein deutliches Leitbild formuliert. Zwar sei "diakonischen Dienstgebern" das Institut der Leiharbeit nicht verschlossen, um etwa "kurzzeitigen" Beschäftigungsbedarf zu überbrücken. Aber ganz klar spricht sich die Kirche über längerfristige Beschäftigungen aus. So heißt es weiter: "Die auf Dauer angelegte Beschäftigung von Leiharbeiternehmern (...) ist mit dem Kirchenarbeitsrecht nicht vereinbar."

In der Zeitarbeitsfirma von Alten Eichen, der DAH Dienstleistungsgesellschaft für Altenhilfe in Hamburg, sind laut Pastor Schweda 16 Mitarbeiter beschäftigt. Diese würden "zu 95 Prozent" in den Einrichtungen von Alten Eichen beschäftigt. Als dauerhafte Beschäftigung sieht er das nicht an, da die Mitarbeiter zwischen den Einrichtungen bei Bedarf wechselten. Die Einrichtung der Zeitarbeitsfirma sei nötig gewesen, da mit Leiharbeitern anderer Unternehmen schlechte Erfahrungen gemacht worden seien.

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Dazu sagt Gewerkschafter Rekittke: "Wenn schon die dauerhafte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern dem Kirchenrecht widerspricht, dann widerspricht doch die Gründung einer Leiharbeitsfirma, die darauf aufgebaut ist, dauerhaft Pflegekräfte zu verleihen, diesem doch erst recht." Zudem würden Leiharbeiter schlechter bezahlt als fest Angestellte. Laut Schweda seien bereits Leiharbeiter fest angestellt worden. Für Rekittke ist klar: "Alten Eichen will mit den Zeitarbeitsfirmen keine vorübergehenden Personallöcher stopfen, sondern Lohndumping betreiben." Damit sei auch die Beschäftigung von Pflegemitarbeitern in der ausgegliederten Alten Eichen Service GmbH gemeint.

Die Diakonie, die Dachorganisation von Alten Eichen, hält diese Praxis für vertretbar. Die Zeitarbeitsfirma bewege sich "im Rahmen der Grundsätze der Diakonie und der kirchenrechtlichen Anforderungen", ließ Landespastorin Annegrethe Stoltenberg über ihren Sprecher ausrichten. Sie macht das "Konkurrenzprinzip" im Gesundheitswesen für die Bezahlung unterhalb des Tarifs verantwortlich. "Die Politik ist nach wie vor nicht bereit, die tarifgerechte Bezahlung in der Kranken- und Altenpflege zu refinanzieren. Dadurch geraten Träger der Hamburger Diakonie zunehmend unter Druck." Dabei hat Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der EKD, noch Anfang November deutlich Stellung bezogen: "Diakonische Unternehmen, die über privatrechtliche Konstruktionen (...) ausweichen wollen, müssen mit Ausschluss aus der Mitgliedschaft im Diakonischen Werk rechnen. Missstände wie Outsourcing mit Lohnsenkungen, ersetzende Leiharbeit und nicht hinnehmbare Niedriglöhne müssen zu ernsthaften Konsequenzen führen."

Dem Verdacht, die Stiftung Alten Eichen würde mit ihrer Service GmbH Lohndumping begehen, widerspricht Torsten Schweda. "Es ist nicht so, dass dort grundsätzlich weniger als der Tarif gezahlt wird. Es gibt auch Mitarbeiter, die höher bezahlt werden."

Möglicherweise strafrechtlich relevant könnte der Umgang mit Aufwandsentschädigungen sein. Diese werden üblicherweise für ehrenamtliche und gemeinnützige Tätigkeiten gezahlt. In der "Anweisung zu den Aufwandsentschädigungen" heißt es, dass diese "ausschließlich für die Pflege von alten, kranken oder behinderten Menschen ausgezahlt" werden. Gewerkschafter Rekittke hält das mit dem Grundsatz des Ehrenamts für nicht vereinbar. "Das ist reguläre Arbeit, und die Be zahlung dafür ist zu versteuern. Alles andere ist Schwarzarbeit."

Laut Alten-Eichen-Chef Schweda erhalten vier sogenannte 400-Euro-Kräfte zusätzlich eine Aufwandsentschädigung. Dass deren Tätigkeiten, für die sie jeweils Geld erhalten, jeweils Pflege ist, hält er für unproblematisch.

Der Arbeitsrechtler Rolf Geffken sieht das anders. Ein weiteres Indiz für den Verdacht der Steuerhinterziehung erkennt er in der Anweisung, dass die Leitung die Stundenzettel für die Mitarbeiter führt. Geffken: "Das wäre ein Direktionsrecht im Rahmen eines regulären Arbeitsverhältnisses."

Pastor Torsten Schweda zeigte sich von dem Verdacht der Schwarzarbeit überrascht und kündigte an: "Wir werden nun prüfen, ob unsere Praxis immer noch rechtlich gedeckt ist."