Kunden und Partner fordern Geld zurück, der neue Eigentümer will die Marke neu aufbauen, hat aber auch Erfahrung mit Insolvenzen.

Hamburg. Die 17 Schüler aus Frankfurt am Main hatten sich auf sonnige Tage in Calella gefreut. Nördlich von Barcelona wollten sie Spanisch lernen und im Mittelmeer baden. Den Reisepreis von 5398 Euro hatten sie vorab bezahlt. Drei Tage vor der Abreise dann der Schock: Der Reiseveranstalter, die in Hamburg ansässige A.S. Reiseveranstaltungen Rainbow Tours, sagte ab. "Grund hierfür sind interne Umstrukturierungen", heißt es in der Mail an die Klasse des Wirtschaftsgymnasiums Klingerschule. Rainbow Tours wolle sich "aufrichtig entschuldigen" und bot eine Umbuchung oder einen Gutschein über den vollen Reisepreis mit Trostpflaster-Bonus von 10 Euro pro Person an, um "Ihnen Ihren wohlverdienten Urlaub zu ermöglichen".

Schüler und Lehrer der Klingerschule fanden das nicht richtig. "Wir sind stocksauer, weil sie uns das Geld nicht zurücküberwiesen haben", sagt Wirtschaftslehrer Zoran Loncar, 53, gestern dem Abendblatt. Nur beherzte und kostenlose Hilfe eines anderen Busunternehmens habe die Reise doch noch ermöglicht. Das war im September. Seither fordert Loncar das Geld der Schüler zurück. Eine Antwort auf seine Mails und Faxe blieb das Hamburger Unternehmen bislang schuldig. Aus der Zeitung erfuhr Loncar dann vor knapp zwei Wochen, dass Rainbow Tours an ein Unternehmen aus Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern verkauft wurde. Ein Unternehmen, das sich derzeit noch in Gründung befindet.

Zugleich hörte der Frankfurter Lehrer von Busunternehmern, die im Auftrag von Rainbow Tours gefahren waren und ebenfalls auf Geld warten. Ein Unternehmen aus dem Fichtelgebirge erstattete Strafanzeige wegen Betrugs gegen die Buslogistik Tochter von Rainbow Tours, die Thies Bustouristik GmbH. Auch der Taxi- und Busunternehmer Hans-Werner Süffke aus Kaltenkirchen sagt: "Die Thies Bustouristik GmbH schuldet mir 12 500 Euro. Ich habe meine Anwälte beauftragt, das Geld einzutreiben." Thies wurde zusammen mit Rainbow Tours verkauft.

Der neue Eigentümer beider Firmen, der 52-jährige Jörg Grützner aus Schildow, will vor allem mit der Marke punkten. "In diesem Jahr wird die Abwicklung des bisherigen Geschäfts erfolgen, wir erhoffen uns dabei etwas Ruhe, um die Marke zu erhalten, wir beginnen dann im ersten Quartal mit neuem Angebot", sagte er gestern dem Abendblatt. Einen verbindlichen Termin, wann wieder Touren gefahren werden, gebe es noch nicht. Er habe vor allem ostdeutsche Busunternehmer im Blick, die günstiger als die Hamburger operieren könnten.

Grützner sagt, er mache seit 15 Jahren Sanierungen. Eine Recherche des Abendblatts zeigt aber auch: Nicht immer konnte er die Unternehmen retten. Laut Handelsregister war der neue Rainbow-Chef an mindestens acht Insolvenzen beteiligt, darunter fünf Bauunternehmen wie die Benoba Monolithbau GmbH und Das Baunetzwerk GmbH aus Berlin oder die A.M.G.G.F Baugesellschaft mbH und die Zinnow Baugesellschaft mbH aus Neustrelitz. Grützner bestätigt die Insolvenzen. Einige gingen zurück auf die Nachwendezeit, als ihm beispielsweise die Privatisierung eines "Volkseigenen Betriebs" misslungen sei.

Aus dieser Zeit stamme auch das Gerichtsurteil. 2005 hatte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Grützner wegen leichtfertigen Subventionsbetrugs zu einer Geldzahlung von 12 000 Euro verurteilt. "Ich hatte zwischen 1996 und 1998 beim Export von Fleischkonserven nach Weißrussland einen Fehler gemacht", erinnerte sich Grützner. Er habe Ausfuhrerstattungen erhalten, die ihm nicht zugestanden hätten.

Die Belastung aus den alten Insolvenzen ist noch heute bei der Wirtschaftsauskunftei Creditreform nachzuschlagen. "Harte Negativmerkmale", "Langzeit Inkasso-Überwachung" heißt es dort im Bericht zu Jörg Grützner. "Ich kann meinen Lebensunterhalt bestreiten, kann meine persönlichen Verpflichtungen erfüllen, kann persönliche Sanierungsbeiträge für die CS bringen und in neue Firmen investieren", sagt Grützner. Mit CS meint er sein aktuelles Projekt: die Firma con-slot screens im niedersächsischen Wittingen.

Seit 2006 sei er Geschäftsführer bei dem Anbieter von Spezialfiltern und Wickeldraht für Erdöl- und Erdgasonden. Dem Unternehmen gehe es trotz zwischenzeitlicher Schieflage wieder gut, sagt Grützner. Auf dem Papier hat sich die Sanierung aber noch nicht ausgezahlt. In der Creditrefom-Bewertung von con-slot steht noch immer: "Von Krediten wird abgeraten. Eine Geschäftsbeziehung gilt als riskant."

Dass ein Unternehmen aus der Krise ein schlechtes Rating habe, sei normal, sagt Grützner. Er habe Creditreform lange nicht informiert und werde das aus Anlass des nächsten Jahresabschlusses tun. "Richtig ist aber, dass der Markt zurzeit mit der con-slot über zwei Millionen Euro Geschäfte pro Jahr macht. Der Markt ist die Wahrheit, vor der wir bestehen müssen."

Für den Markt wieder fit machen will Grützner nun auch die Rainbow Tours. Viele offene Forderungen von Subunternehmern richten sich gegen deren Logistiktochter Thies Bustouristik GmbH. "Reisebüros, Reiseleiter, Subunternehmer - bei Thies sind noch nicht alle Leistungen abgerechnet", sagt Grützner. Ob die Lieferanten auf Geld verzichten müssten, könne er noch nicht abschließend sagen. Kunden wie die Schulklasse in Frankfurt könne er aber beruhigen, sagt Grützner. "Ich gehe davon aus, dass Kunden, die keine Leistung erhalten haben, im schlechtesten Fall versichert sind." Dafür gebe es eine Kaution bei der Versicherung. Der überraschende Ausstieg der HanseMerkur-Versicherungsgruppe aus dem Rahmenvertrag für Reiseversicherungen und dem Insolvenzversicherungsvertrag hatte vor knapp zwei Wochen auf die Probleme bei Rainbow Tours aufmerksam gemacht.

Wirtschaftslehrer Zoran Loncar in Frankfurt traut den Ansagen nicht. Seine Schule wolle in den nächsten Tagen richtig durchgreifen. "Wir werden eine vorläufige Kontopfändung bei denen machen", sagt er. Damit nicht genug: "Wir werden bei Gericht Widerspruch gegen den Unternehmensverkauf einreichen und wegen Insolvenzverschleppung eine Strafanzeige gegen den Ex-Geschäftsführer Mathias Kampmann und weitere Verantwortliche stellen."

Kampmann ist eine bekannte Größe in der Hamburger Wirtschaft. Zurzeit ist er unter anderem Geschäftsführer eines Busunternehmens, das fast genauso heißt wie die Buslogistiktochter von Rainbow Tours, nämlich Thies Bustouristik GmbH & Co. KG. Während Kampmann betont, die beiden Firmen seien nicht zu verwechseln, glaubt Loncar, dass eine Konzernhaftung bestehe. Seit Tagen fuchst sich der Lehrer immer tiefer ins Insolvenzrecht. Die Folgen bekommen auch seine Schüler zu spüren. Während sie auf die Rückzahlung ihres Geldes warten, nimmt Lehrer Loncar gleich noch Insolvenzen im Wirtschaftsunterricht durch.