Der Journalist Markus Frenzel spricht mit dem Abendblatt über die Zusammenarbeit der Führungsakademie der Bundeswehr mit Diktaturen.

Hamburg. Im Streit zwischen der Führungsakademie der Bundeswehr und dem Verein Freundeskreis Ausländischer Offiziere, dem viele namhafte Hamburger wie Helmut Schmidt und Henning Voscherau angehören, rücken jetzt auch die ausländischen Offiziere in den Fokus. Der Investigativjournalist Markus Frenzel vom ARD-Magazin "Fakt" sagt im Interview mit dem Hamburger Abendblatt, dass an der Führungsakademie in Hamburg auch Völkermörder, Putschisten und Folterknechte ausgebildet wurden. Vor wenigen Wochen erschien sein Enthüllungsbuch "Leichen im Keller. Wie Deutschland internationale Kriegsverbrecher unterstützt" (dtv-Verlag). Besonders heftig kritisiert er darin die Aufnahme von Gast-Offizieren aus Guinea. Jener Militärdiktatur, die der Präsident des Freundeskreises Ausländischer Offiziere, Lothar Golgert, lange als Honorarkonsul repräsentierte.

Hamburger Abendblatt: Die Führungsakademie der Bundeswehr möchte mit den Lehrgängen für internationale Offiziere einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Deutsche Werte, Kultur und Demokratie sollen exportiert werden. Funktioniert das?

Markus Frenzel: Grundsätzlich sind diese Militärkooperationen gut, sie können einen Impuls für junge, vielleicht noch instabile demokratische Regierungen geben. Aber es ist verantwortungslos, dass man sich nicht wirklich Gedanken macht, mit welchen Ländern man zusammenarbeitet. Meine Recherchen zeigen, dass Völkermörder, Folterknechte, Putschisten und Kriminelle von der Bundeswehr in Deutschland aufgenommen und ausgebildet wurden.

+++ Zur Person +++

+++ Die Ausbildungsstätte +++

Wer denn zum Beispiel?
Frenzel: Da ist zum Beispiel eine Riege Offiziere aus Guinea. Einige waren in Hamburg, ein anderer, der Logistik-Oberst Moussa Dadis Camara, hat in Deutschland die Ausbildung zum Einzelkämpfer und Fallschirmjäger erhalten. Er war Gast der Bundeswehr in Naumburg, Dresden und im fränkischen Hammelburg. 2008 putschte er sich dann in seinem Heimatland mit Getreuen an die Macht, die ebenfalls in Deutschland ausgebildet wurden. Ihre Geheimsprache beim Putsch war Deutsch. Sie waren später für eines der schlimmsten Massaker der vergangenen Jahre verantwortlich. Camara prahlte daheim mit seiner Ausbildung in Deutschland. Das deutsche Fallschirmjäger-Abzeichen verlieh ihm besondere Autorität. Fallschirmsoldaten gelten in Afrika als hart, skrupellos und mörderisch. Neu erlernte demokratische Ideale kann man Dadis Camara bestimmt nicht attestieren.

Warum nimmt die Führungsakademie Offiziere aus zweifelhaftem Umfeld auf?
Frenzel: Weil das Auswärtige Amt die Plätze vergibt, oft nach realpolitischen Kriterien: Welche Länder haben Bodenschätze, wo wollen unsere Unternehmen investieren, wer sind unsere strategischen Partner? Oft auch: An wen könnten wir in Zukunft Waffen verkaufen? Das Land schickt uns dann Soldaten. Das funktioniert etwa bei den Nato-Staaten gut. Nur bei Diktaturen hat dieses System einen Fehler: Ein Militärdiktator wird immer nur seine Getreuen schicken, und dass die von uns Demokratie lernen wollen, ist eher unwahrscheinlich.

Also trifft die Führungsakademie doch keine Schuld?
Frenzel: Das Verteidigungsministerium hat ein Widerspruchsrecht, doch davon wird so gut wie nie Gebrauch gemacht. Allein aus Guinea wurden seit 1965 in Deutschland fast 150 Offiziere ausgebildet. Das Land war bis Ende 2010 immer eine Militärdiktatur. Massaker gehörten zum Regierungsstil.

Der Präsident des Freundeskreises der Ausländischen Offiziere, Lothar Golgert, war mehr als 20 Jahre Honorarkonsul von Guinea. Warum gab es nie einen Aufschrei?
Frenzel: Golgert hat nichts Illegales gemacht, aber er und der Freundeskreis müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie einen verbrecherischen Staat aufwerten. Golgert ist ein renommierter Kaufmann und Bundesverdienstkreuzträger, er verleiht so einem Land natürlich eine präsentable Fassade. Er hätte hinterfragen müssen, wem er dient. Spätestens im September 2009 wäre sicher der Zeitpunkt da gewesen, das Amt niederzulegen.

Warum?
Frenzel: Am 28. September 2009 ermordeten Elitesoldaten des Diktators Moussa Dadis Camara mehr als 150 Menschen. Oppositionelle hatten sich in einem Stadion versammelt, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Camaras "Rote Barette" riegelten das Stadion ab. Dann schossen sie wahllos in die Menge. Sie vergewaltigten Frauen mit Gewehrläufen vor den Augen der Demonstranten. Die Uno hat das Massaker untersucht. Ihr Ergebnis: Drei der Hauptverantwortlichen wurden auch von der Bundeswehr ausgebildet. Zu der Zeit waren acht Offiziere aus Guinea in Deutschland bei der Bundeswehr, die auch dieser blutrünstige Diktator geschickt hat. Und Herr Golgert posiert noch ein halbes Jahr später lächelnd für ein Foto mit zweien dieser Offiziere. Ich habe keine Erkenntnisse, dass sie selbst in Verbrechen verstrickt waren. Allerdings gehörten sie als handverlesene Kandidaten zu den Stützen des Regimes. Also, ich hätte mich nicht mit denen fotografieren lassen.

Was müssten Auswärtiges Amt und auch die Bundeswehr aus Ihrer Sicht tun?
Frenzel: Wir brauchen eine schwarze Liste für fragwürdige Staaten wie Guinea. Zur Generalstabsausbildung werden heute noch ohne Bedenken Soldaten aus Usbekistan, Äthiopien, Kasachstan und Kirgisistan eingeladen. Außerdem sollte die Eignung der Offiziere geprüft werden. Die Bundeswehr darf sich nicht mit Sätzen herausreden wie: Wir können doch nicht in die Köpfe der Leute schauen.