Es ist uns zugespielt worden. Eine Sensation! Das unveröffentlichte Drehbuch zum 40. Geburtstag der erfolgreichen Krimireihe.

Hamburg. Der Plot ist stimmig: Besonders erfolgreiche Tatort-Ermittler werden von der GEZ zum Feiern ins Restauranthotel Süllberg eingeladen. Das geplante Dinner wird jedoch durch einen Mord gestört: der Kopf eines Kommissars wurde in einer Entenpresse zerquetscht, in seinem Rücken stecken ein Ausbein- und ein Tranchiermesser. Als Täter kommen 450 Verdächtige infrage. Lesen Sie exklusiv Auszüge aus dem geheim gehaltenen Drehbuch.

1. Szene Süllberg, außen, Nacht

Kalter Novemberwind rauscht durch die Laubbäume, von der Elbe dringen die Stampf- und Schraubengeräusche großer Frachter herüber. Ein Taxi aus Münster hält vorm Aufgang zum Süllberg-Restaurant. Am Steuer Herbert Thiel, einen erkalteten Joint zwischen den Lippen. Neben ihm Prof. Karl-Friedrich Boerne, im Fond sitzen Thiels Sohn, Hauptkommissar Frank und Boernes kleinwüchsige Assistentin in der Rechtsmedizin, Silke Haller, genannt "Alberich". Boerne, Frank Thiel und Alberich steigen aus. Vater Thiel: Danke für die Tour mein Junge ... Thiel: Bedank dich bei den Gebührenzahlern, Vadder. Herbert Thiel zwinkert seinem Sohn zu und gibt Gas. Thiel stapft pfeifend, Boerne und Alberich schreiten nach oben. Oben am Treppenabsatz steht der Duisburger Hauptkommissar Horst Schimanski, genannt "Schimmi". In seinem speckigen Parka mustert er rauchend die neuen Gäste.

Schimmi (verächtlich): Kein Arsch in der Hose, aber Paloma pfeifen. Scheiße. Plötzlich schnippt er die Zigarette in einen Blumenkübel und baut sich vor den dreien auf.

Schimmi: Ihr Kriminalhelden seid so lange so clever gewesen, dass ihr euch wie Götter vorkommt. Mit der billigsten Effekthascherei führt ihr eure Zuschauer an der Nase herum. Ihr quält sie mit aus den Fingern gesogenen Schlüssen, die keinen Sinn ergeben ...

Boerne (zu Thiel): Eine Leiche zum Dessert ... (Thiel sieht ihn fragend an) Er zitiert aus einem Film, den Sie bestimmt auch nicht gesehen haben ... Allerdings falsch. Nicht beachten. Der Kollege leidet an einem Pensionsschock ...

Schimanski springt vor, packt Boerne am Kragen und schüttelt ihn.

Schimmi (schreit): Noch in den letzten Sekunden führt ihr Charaktere ein, die im ganzen Film mit keinem Federstrich erwähnt werden. Informationen werden zurückgehalten, damit niemand errät, wer der Täter ist ...

Thiel greift Schimmi in den Arm. Thiel (sanft): Horst, das führt doch zu nichts! Schimanski lässt Boerne los und bricht schluchzend zusammen. Alberich streicht ihm tröstend übers wirre Haar. Schimmi (jammernd): Ich hab nen Filmriss, ich kann mich an nichts erinnern. Scheiße.

Boerne zupft sich indigniert sein zerknittertes Jackett zurecht. Boerne (zu Schimmi): Man sieht sich immer dreimal - spätestens auf meinem Tisch. Boerne, Thiel und Alberich setzen ihren Weg fort. Boerne bemerkt, dass Alberich sich schmachtend nach Schimmi umschaut. Boerne: Ich glaube nicht, dass er mit Ihnen eine Kleinfamilie gründen würde. Alberich verdreht die Augen. Alberich: Den Spruch machen Sie zu häufig, Chef. Thiel (grinsend): Im Fernsehen wird doch alles wiederholt!

2. Szene, Toilette, innen, Nacht

Vorm Spiegel stehen Klara Blum, Lena Odenthal und Eva Saalfeld und legen letzte Hand an Lidstrich und Lippen. Eva, im "Kleinen Schwarzen", wirft kritische Seitenblicke auf Lena, in verwaschenem hellblauen T-Shirt, darüber eine Motorradlederjacke, während Klara einen klassischen Hosenanzug aus Leinen trägt. Eva rückt sich ihre vollen Brüste ein Stückchen höher. Klara (zu Eva): Und was ist jetzt nun mit Andreas ? Eva (zögernd): Wir arbeiten zusammen ... Lena: Wie soll denn das auf Dauer funktionieren? Eva zuckt die Schultern und betrachtet ihr Dekolleté.

Lena: Passt schon. Aber mit euren Beziehungen läuft das doch irgendwie schräg. Klara (seufzend): Kennt ihr eine einzige Kollegin, wo es mit Beziehungen nicht schräg läuft? Irgendwie sind wir doch alle ... Eva: Gestört? Apropos: Wisst ihr eigentlich, was Charlotte Sänger jetzt macht? Die Tür fliegt auf und Charlotte Lindholm betritt den Raum, auf dem Arm ihren schlafenden Sohn David, eine Wickeltasche um den Hals und eine Reisetasche über der Schulter. Sie wirkt gehetzt. Lena: Ich denke, Martin passt auf dein Kind auf! Charlotte: Wisst ihr's denn nicht: Martin ist einfach abgehauen. Sagt, dass er sich chronisch unterfordert fühlt. Was soll ich machen: Meine Mutter ist krank ... Eva: Und jetzt weißt du nicht, wo du ihn lassen sollst. Charlotte presst die Lippen aufeinander und nickt. Sie drückt Klara ihren schlafenden Sohn unvermittelt in den Arm, die ihn hält wie einen Aussätzigen. Charlotte: Nun stell dich nicht so an: Du bist doch hier die große Psychologin vom Bodensee. Sie fängt an, sich umzuziehen. Klara (resolut): Das Kind hat Fieber ...

6. Szene, Salon, innen, Nacht

Die Münchner Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr stehen im Salon. An der länglichen Wand ist ein opulentes Buffett aufgebaut. Eine Kellnerin serviert ihnen Bier, Leitmayr schaut ihr etwas zu lange in die Augen und dann lange hinterher. Batic lächelt über seinen Kollegen. Beide sind gleich angezogen, haben die gleiche Frisur, Haarfarbe und sie trinken auch parallel; sie wirken wie Zwillinge. Im Hintergrund sitzt der alte Hauptkommissar Paul Stöver an einem Flügel und spielt traurigen Swing. Leitmayr (gedämpft): Ein bisserl traurig klingts scho . Batic: Das ist der überwundene Zenit, Frank. Alt zu werden ist halt nix für Feiglinge! Batic: Und dann auch noch ohne Partner. Der Wiener Kommissar Moritz Eisner grüßt lächelnd von der Tür. Eisner: Trink mer was, dann geht's uns besser!

In diesem Moment stürmt Kommissar Freddy Schenck mit wehendem Mantel in den Raum, gefolgt vom Kollegen Max Ballauf. Ballauf: Mensch Freddy, das hier is kein Imbiss wie bei uns in Köln. Das is n feiner Laden! Schenck: Mir egal. Schimmi hat Hunger auf ne Wurst, extra scharf . Und ich hab keinen Bock, dass er wieder randaliert. Im Hintergrund schwankt Schimmi in den Festsaal, während Schenck das Buffet inspiziert. Ballauf nickt den Münchner Kollegen zu, die betreten zu Boden schauen. Schenk (triumphierend): Na bitte! Er grabscht ins Buffet und hält Schimanski eine verschrumpelte Bratwurst entgegen. Schimmi (konsterniert): Wo ist meine Currywurst? Den Kinderpimmel kannste allein essen. Ich hab gesagt, ich will eine Currywurst, Menschenskind, ach komm ...

12. Szene, Bar, innen, Nacht

Charlotte Lindholm, im Abendkleid, schleicht, ihren fiebernden Sohn auf dem Arm, hinter die Bar und verschwindet hinter dem Tresen. In diesem Moment stakst Eisner heran. Er fühlt sich unbeobachtet und betritt den Küchenbereich durch eine Schwingtür. Darüber ein Schild: Nur für Personal. Als er aus dem Bild ist, taucht Charlotte wieder auf - ohne David. Sie tänzelt erleichtert davon. Charlotte (zu sich): Bestimmt besser als Wadenwickel. (Kamerafahrt mit Zoom auf die Chromtüren unterm Tresen. Darauf ein Schild: Fasskühlung. Aus der Küche ertönt ein unterdrückter Schrei. Es ist die Stimme Moritz Eisners.

15. Szene, Küche, innen, Nacht

Die Ermittler stehen um die Leiche des Wiener Kommissars herum, dessen Kopf in der Entenpresse steckt - und in dessen Rücken zwei Messer. Rechtsmedizinier Boerne rutscht auf dem Boden herum, schnüffelt und kostet dann das rohe Parfait, das neben der Entenpresse liegt. Schimmi hält den Restaurantchef im Polizeigriff. Batic und Leitmayr (im Chor): Definitief koan Selbstmoard, Kollege. Wir hoffen, dafür hams eine Erklärung! Der Restaurantchef windet sich. Klara: Wie passt es zeitlich zusammen? Boerne lutscht sich die Finger ab. Boerne: Ich würde sagen, eine halbe Stunde. Thiel: Todeszeitpunkt? Boerne: Das Parfait? Noch warm. Was für ein geschmackvoller Tod. Doch ein Hauch mehr Koriander hätte dem Gericht zweifelsfrei gutgetan. Der Restaurantchef wehrt sich verzweifelt. Lena (sachlich): Wenn Sie jetzt nicht mit uns zusammenarbeiten ... Restaurantchef: Eine Katastrophe, da draußen warten 450 Hochzeitsgäste ... Klara: Es gibt also jede Menge Zeugen ... Ballauf (mit Blick auf Schenck): ... oder Täter. Charlotte: Die müssen alle vernommen werden. Sofort. Ich kümmere mich am besten schon mal um den Bräutigam. Sie verlässt die Küche, wieder tänzelnd .

Ein Mittvierziger, der aussieht wie ein Oberkellner, betritt die Küche. Schimmi: Sie haben hier drinnen nichts zu suchen, also machen sie einen Abgang, und zwar dynamisch! Eva lässt einen schmachtenden Blick über den Fremden wandern. Eva: Wer sind Sie überhaupt? Murot: Ich? Mein Name ist Murot. Felix Murot, Hauptkommissar und euer neuer Kollege - ab Sonntag offiziell im Einsatz. Was ist hier los?

Diese Szenen sind frei erfunden. Aber denkbar. Tatsächlich wurde der ARD ein solches Filmprojekt vorgeschlagen. Aber die Verantwortlichen lehnten laut "Süddeutscher Zeitung" den Zweiteiler wegen zu geringer Quotenerwartung ab.