Leistungsdruck, Werteverlust - schon 12-Jährige betrinken sich. Studie auch in Hamburg

Hamburg. In Deutschland trinkt sich jeder zweite 15-Jährige mindestens einmal im Monat einen Rausch an. Besonders auffällig ist der Konsum von alkoholischen Getränken bei Gymnasiasten - jeder Dritte trinkt regelmäßig Alkohol, an Haupt- und Realschulen ist es jeder vierte Schüler. Das geht aus einer neuen Gesundheitsstudie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) und der Leuphana-Universität Lüneburg hervor. Dabei wurden 4116 Mädchen und Jungen zwischen zehn und 18 Jahren aus 17 Schulen in sieben Bundesländern, darunter auch Hamburg, zu ihrem Alkoholkonsum befragt.

Dass jeder dritte Gymnasiast regelmäßig zu Alkohol greift, liege unter anderem an dem hohen Leistungs- und Erwartungsdruck, dem die Kinder und Jugendlichen in Schule und Elternhaus ausgesetzt seien. "Der Schulstress ist ein Risikofaktor", sagt Silke Rupprecht von der Leuphana-Universität Lüneburg. Jugendliche, die mit ihrer schulischen Leistung unzufrieden sind, trinken zudem deutlich öfter Alkohol als ihre Mitschüler.

Auch beim sogenannten Rauschtrinken - davon sprechen Mediziner, wenn ein Jugendlicher mindestens fünf Gläser Alkohol direkt hintereinander trinkt - liegen die Gymnasiasten vorn. An Gymnasien gelten 36,7 Prozent der Schüler als Rauschtrinker, bei Haupt- und Realschulen sind es 32,9 Prozent. Insgesamt gaben 43 Prozent aller befragten Schüler an, mindestens einmal im Monat "abzustürzen".

"Der Anteil der Jugendlichen, die größere Mengen Alkohol trinken, um einen Rausch zu erleben, steigt", bestätigt Theo Baumgärtner, Leiter des Büros für Suchtprävention in Hamburg. Da beruhigt es nur wenig, dass - nimmt man alle Jugendlichen - die Verbreitung des regelmäßigen Alkoholkonsums ebenso wie das Komasaufen leicht zurückgeht. Generell gilt: Wer regelmäßig Alkohol konsumiert, trinkt immer mehr.

"Ebenso wie die DAK-Studie stellen wir auch in Hamburg fest, dass der Alkoholkonsum unter Jugendlichen in sozial besser gestellten Schichten weiter verbreitet ist als in sozial schlechter gestellten Schichten", sagt Suchtexperte Baumgärtner. Dass laut Studie Gymnasiasten bundesweit wegen des Schulstresses häufiger Alkohol tränken, sei nur eine Erklärung. "Denn der Leistungsdruck hat generell zugenommen - unabhängig von der jeweiligen Schulform. In unserer Gesellschaft geht es nicht mehr um Begriffe wie ,genießen' und ,Maß halten'." Das sei aus der Mode gekommen. Baumgärtner: "Es geht immer um mehr, mehr, mehr - um Zügellosigkeit. Und das leben Erwachsene den Kindern vor."

Nach der DAK-Studie gehört Alkohol schon bei vielen jungen Schülern zum Alltag. Jeder zehnte zwölfjährige Junge gab an, wöchentlich Alkohol zu trinken. "Das ist alarmierend", sagt Baumgärtner. "Alkohol hat in den Händen von Kindern nichts verloren."

In der Studie wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Zahl der Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden, seit 2000 "besorgniserregend angestiegen" sei. 2008 wurden nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes 25 709 Menschen zwischen zehn und 20 Jahren wegen akuten Alkoholmissbrauchs stationär in Krankenhäusern behandelt. Das sind 170 Prozent mehr als noch im Jahr 2000.

"In Hamburg waren es vor zehn Jahren 60 Kinder und Jugendliche, die wegen einer Alkoholvergiftung eingeliefert worden sind, im Jahr 2008 waren es 220", sagt Theo Baumgärtner.